Wussten Sie schon

Ovar enthält keine Stammzellen/Hysterektomien und Sexualfunktion/Harnretention und psychologische Komorbidität/Dysmenorrhoe ein Risikofaktor für chronisches Schmerzsyndrom/Neue Brustmedikamente werden in Europa später zugelas-sen/Lungenreifeinduktion und Spätfolgen/Venöse Thrombo­embolie und Testosteron/Vaginalgeburt von Zwillingen bei St. nach Sectio/­Indocyaningrün hilfreich bei Diagnostik und Therapie von Endometriose/Endometrioserezidive sind progres-siv/Cohesin und Alterung der Eizellen

… dass im Ovar keine Stammzellen gefunden ­wurden?

In einer umfassenden Analyse der Zellprofile von 24 000 Zellen im Ovarkortex von 21 gesunden Frauen fand man zwar die ­Transkriptionsprofile von sechs Hauptzelltypen: Oozyten, Granulosazellen, Immunzellen, Endothelzellen, perivaskuläre Zellen und Stromazellen, aber keine ovariellen Stammzellen. Mit DDX4-Antikörpern konnten ovarielle Stammzellen ausgeschlossen werden (Wagner, M. et al., Nature Communic. 2020–11: 1147).

Kommentar

Durch einen Vergleich von Zellprofilen gesunder Patientinnen mit solchen mit Sterilität könnten zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden. Dass ovarielle Stammzellen therapeutisch genutzt werden könnten, lässt sich aufgrund dieser Daten vermutlich ausschliessen.

m.k.h.

… dass sich nach Hysterektomien eine Verbesserung der Sexualfunktion beobachten lässt?

In einer aktuell veröffentlichten niederländischen Studie mit über 500 Patientinnen wurde mittels eines Sexualitäts-Funktions-Scores (FSFI, standardisierter Fragebogen mit 19 Items) die Sexualfunktion präoperativ sowie drei und zwölf Monate nach Hysterektomie ermittelt. Inkludiert wurden Frauen zwischen 18 und 65 Jahren mit jeweils benigner und elektiver Operationsindikation. Etwa die Hälfte der Patientinnen war zu allen drei Befragungszeitpunkten sexuell aktiv. Bei ihnen zeigte sich sowohl nach drei als auch nach zwölf Monaten eine signifikante Verbesserung der Sexualfunktion (Dedden S.J. et al., Eur J Obst. Gyn Repr Biol 2020, in press).

m.h.

… dass junge Frauen mit Harn­retention häufig psychologische Komorbiditäten und funktionelle neurologische Störungen haben können?

Bei der International Consultation on Incontinence Research Society Meeting 2019 in Bristol gab es ein Panelmeeting mit internationalen Experten, die die aktuelle Literatur zum Thema vorstellten und diskutierten.

Genannt wurden bei Frauen, die an Harnretention leiden, Somatisierungstendenzen, Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und Gedächtnisstörungen. Ebenso wurden Studien genannt, die darauf hinweisen, dass eine Zunahme von Reizblasenbeschwerden durch sozialen Stress gefördert wird – interessanterweise ein Aspekt, den uns Patientinnen mit Reizblase in der Sprechstunde ausgesprochen oft schildern.

Eine Harnretention kann durch soziale Stresssituationen ausgelöst werden.

Als Risikofaktor für Blasenstörungen werden in diesem Artikel ebenfalls sexuelle Traumata und Missbrauch genannt.

Weitere Studien sind sicherlich notwendig, um die Zusammenhänge zwischen Psyche und Blase näher zu klären, bei denen natürlich auch Medikamente ihre Rolle spielen können (Panicker J.N. et al, Neurourol Urodyn 2019; 1–10; https://doi.org/10.1002/nau.24233).

a.k.

… dass eine Dysmenorrhoe ein Risikofaktor für die Entwicklung eines chronischen Schmerzsyndroms ist?

In einer systematischen Übersichtsarbeit konnte gezeigt werden, dass eine Dysmenorrhoe ein Risikofaktor für die Entwicklung von chronischen Unterbauchschmerzen und allgemeinen chronischen Schmerzen ist. 32 wissenschaftliche Studien wurden systematisch analysiert. Über 30 % der analysierten Studien wurden als qualitativ schlecht, 56 % als mässig und nur 12,5 % als qualitativ hoch eingestuft. Sowohl das Vorkommen als auch der Schweregrad von chronischen Unterbauchschmerzen und anderen chronischen Schmerzen waren positiv mit einer Dysmenorrhoe assoziiert. Entsprechend den Resultaten von acht Studien (mit 6689 Frauen) hatten Frauen mit chronischen Unterbauchschmerzen eine 2,43-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einer Dysmenorrhoe zu leiden im Vergleich zu Frauen ohne chronischen Unterbauchschmerzen. In 11 Studien mit 3750 Probandinnen konnte gezeigt werden, dass Frauen mit nicht im Unterbauch lokalisierten chronischen Schmerzen eine 2,62-mal erhöhte Wahrscheinlichkeit hatten, an einer Dysmenorrhoe zu leiden als Frauen ohne chronische Schmerzen (Rui L et al.; AJOG (2020): https://doi.org/10.1016/j.ajog.2020.03.002).

Kommentar

Diese Arbeit zeigt, dass es wichtig ist, eine anamnestisch erwähnte Dysmenorrhoe zu behandeln, um einen Übergang zu chronischen Schmerzen zu verhindern.

m.d.m.

…dass neue Brustkrebsmedikamente in den USA ca. 12   Monate früher als in Europa zugelassen werden?

Die Autoren haben die Zulassung neuer Brustkrebsmedikamente durch die FDA (United States Food and Drug Administration) und die EMA (European Medicines Agency) im Zeitraum 1995 bis 2018 untersucht. In dieser Zeitspanne wurden gesamthaft 29 Brustkrebsmedikamente zugelassen, 17 davon erhielten eine Zulassung sowohl von der FDA als auch von der EMA (darunter alle Zulassungen seit 2008). Ein Grossteil der durch die FDA zugelassenen Medikamente profitierte von speziellen regulatorischen Pathways, währenddessen die EMA keinem dieser Medikamente ein spezielles regulatorisches Programm gewährte. Neue Brustkrebsmedikamente wurden in den USA ca. 12 Monate früher als in Europa zugelassen und der Zulassungsprozess dauerte in Europa mehr als doppelt so lange (Leo CP et al., Cancers [Basel]. 2020; Feb 13;12[2]. pii: E437. doi: 10.3390/cancers12020437).

c.l.

… dass die Steroidgabe im Rahmen der Lungenreifeinduktion bei drohender Frühgeburtlichkeit (oder auch prophylaktisch) auch in Zusammenhang mit einer erhöhten Inzidenz von kardiovaskulären, metabolischen und auch psychiatrischen Störungen im adulten Leben gesehen werden?

Kommentar

Und wieder einmal wird hier in einem Pädiatrie-Journal etwas über eine mögliche, negative Langzeit­beeinflussung der Gesundheit durch antenatale Steroide berichtet. Viele Informationen über kurz- und mittelfristige Effekte (und Nebeneffekte) haben wir ja aus dieser Ecke der Medizin und meist aus randomisierten Studien. Leider ist unser Wissen über Langzeiteffekte nur lückenhaft. Frau Jude umschreibt sehr klar diese Lakune und fasst eine ganze Reihe von Kohortenstudien zusammen, welche einen negativen Effekt im Sinne eines „induzierten fetal origin of adult disease“ aufzeigt. Das Problem der Steroide – wie vieles in der Geburtshilfe (Tokolyse, Bettruhe, Antibiotika u. v. m.) – ist unsere Unfähigkeit, die Kollektive zu identifizieren, welche maximal von dessen Wirkung profitieren würden.

(Jode A. H. J Pediatr 2020; 217: 184–188)

l.r.

… dass venöse Thromboembolien unter Hormonsubstitution mit ­Testosteron auftreten können?

Das Thromboembolierisiko bei Östrogentherapien, insbesondere Ethinyloestradiol, ist uns bekannt. Der aktuelle Fall beschreibt einen 17-jährigen Patienten mit Transgender-Diagnose, der unter Testosteronsubstitu­tionstherapie mit Testosterone Cypionat 40 mg zweiwöchentlich eine akute Lungenembolie erlitt.

Es bestanden keine weiteren Risikofaktoren wie Rauchen, chirurgische Eingriffe, und eine Thrombophilieabklärung war negativ.

Dieser meines Wissens erstmals publizierte Fall einer Thrombo­embolie eines Adoleszenten unter Testosterontherapie wirft Fragen auf; ätiologisch kann sicherlich eine Konversion des Testosterons zum 17bOestradiol durch Aromatase mit konsekutiv erhöhten Oestrogenspiegeln diskutiert werden (Fan E.M. et al. Hematol Oncol; www.jphoonline.com).

a.k.

… dass eine vaginale Geburt bei Zwillingen und Zustand nach Sectio durchaus möglich ist?

Kommentar

Gute Neuigkeit. In der Schweiz haben wir etwa 1700 Zwillinge pro Jahr, d. h. etwa 2 % der Schwangerschaften. Es gibt aus der Schweiz keine guten Zahlen über die Kombination Zustand nach Sectio und Zwillinge. Etwa 17 % (Daten aus der ASF-Statistik) der Frauen, welche zur Geburt kommen, hatten eine Sectio in der Vorgeschichte. Wahrscheinlich ist dies bei Zwillingen etwas höher. Wenn ich aber auch von einer ähnlichen Prävalenz ausgehe bei Zwillingsmütter, dann wären das etwa 300 Fälle. Falls 50 % vaginal gebären würden, könnten wir in der CH etwa 0.5 % der Sectiorate senken. Das tönt etwas minimalistisch, ist es auch. Aber jedenfalls können wir den Müttern, welche das wünschen, auch ohne schlechtes Gewissen sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es geht, nicht anders ist als bei der Einlingsschwangerschaft.

(Kabiri D et al. AJOG 2019; 220: 336-347)

l.r.

… dass Indocyaningrün auch in der Diagnostik und Therapie der Endometriose angewendet werden kann?

Die intraoperative Darstellung peritonealer Endometrioseherde kann eine Herausforderung sein. Diese prospektive Studie hat an 63 Patientinnen eine neue Technik zur Visualisierung peritonealer Endometriose mittels Indocyaningrün (ICG) und Nahinfrarotlicht (NIR) untersucht. ICG ist eine fluoreszierende, farbige Verbindung, die in der Humanmedizin im Rahmen zahlreicher diagnostischer Verfahren angewendet wird. Intravenös verabreicht wird der Farbstoff sowohl in der Ophthalmologie, als auch bei zahlreichen Untersuchungen der Inneren Medizin seit vielen Jahren verwendet. Seit einigen Jahren wird ICG ebenfalls in der Gynäko-Onkologie zur Identifikation von Sentinellymphknoten erfolgreich gebraucht.

In dieser Studie wurde ICG intravenös in einer Dosierung von 0,3 mg/kg Körpergewicht verabreicht. Die diagnostische Aussagekraft von ICG bei Endometriose erwies sich als klein. Eine Expositionszeit des ICGs über 20 Minuten, keine abdominalen Voroperationen sowie ein frühes Endometriosestadium hatten einen signifikant positiven Effekt auf die ICG-Detektionsrate. NIR-ICG imaging zeigte sich jedoch als sehr hilfreich bei der Abgrenzung tiefinfiltrierender Endometrioseherde von gesundem Gewebe (Siegenthaler F, et al.; Acta Obstet Gynecol Scand [2020]: doi: 10.1111/aogs.13803).

Kommentar

Bei Patientinnen mit tief infiltrierender Endometriose kann die intra-ureterale Injektion von ICG die Identifikation der Ureteren erleichtern und die Einlage eines Doppel-J-Uretherkatheters meistens ersetzen.

m.d.m.

… dass Endometrioserezidive ­häufig mit einer Progression der Krankheit vergesellschaftet sind?

Endometrioserezidive nach Operationen sind eine grosse Herausforderung. Bis anhin wusste man jedoch nicht, ob gewisse Endometriose-Formen früher rezidivieren als andere und ob Rezidive auch mit einer Evolution der Krankheit vergesellschaftet sind.

Diese Langzeit-Kohortenstudie untersuchte Daten von 322 Endometriose-Patientinnen, die im Zeitraum von 1997 bis 2018 wegen mindestens einem Endometriose­rezidiv erneut operiert wurden. Die Studie zeigt, dass bei den drei Endometriose-Subtypen [peritoneale Endometriose (SUP), ovarielle Endometriose (OMA) und tief infiltrierende Endometriose (TIE)] sich die Zeitdauer zum Rezidiv nicht unterscheidet. Ein hoher Anteil von initial SUP-Patientinnen zeigte OMA (17.9 %) oder TIE Läsionen (48.2 %) bei der Rezidiv-Operation. Ausserdem zeigte ein hoher Anteil von initial OMA Patientinnen eine TIE (39.5 %) beim Rezidiv. Zusammenfassend konnte bei einer erheblichen Anzahl der Patientinnen eine Läsion-Subtyp-Progression beobachtet werden (Nirgianakis K, et al.; Study J Clin Med (2020): doi: 10.3390/jcm9020496).

Kommentar

Die meisten Experten sind sich einig, dass Endometriose als chronische Krankheit angesehen werden muss. Deshalb sollte, um ein Fortschreiten der Krankheit zu verhindern, mit den betroffenen Frauen immer die Möglichkeit einer Langzeittherapie besprochen werden.

m.d.m.

… dass der Zerfall eines Proteinkomplexes (Cohesin) für die Alterung der Eizellen verantwortlich sein soll?

Forscherinnen des Max-Planck-Instituts in Göttingen und der Bourn Hall Clinic untersuchten gespendete junge und gealterte Eizellen (von ca. 40 Jahre alten Frauen). Sie fanden heraus, dass ein Proteinkomplex (Cohesin) mit zunehmendem Alter zerfällt und dadurch zu Fehlern bei der Meiose II führt.

Zur Erinnerung: In der ersten Phase im Mutterleib (ca. bis zur 20. SSW) werden die Oozyten gebildet. Das heisst, eine 40-jährige Frau hat 40 Jahre alte Eizellen, welche im aktuellen Zyklus (Meiose II) unmittelbar vor der Fertilisation den Chromosomensatz von 46 auf 23 halbiert. Dies geschieht durch den Spindelapparat, der die in der Mitte der Zelle aufgereihten Chromosomen mittels starker Zugkräfte innert Stunden auseinanderzieht. Die Spindelfasern haften dabei an DNA-dichten Regionen der Chromosomen, den Kinetochoren. Die Autorinnen wiesen als Erstes in den gespendeten Eizellen der älteren Frauen einen niedrigeren Gehalt von Cohesin, welches eine Stützwirkung auf die Kinetochoren ausübt, nach, wodurch die Stabilität und Integrität der Kinetochoren reduziert wird. Dieser Vorgang konnte elegant bestätigt werden durch eine künstliche Reduktion des zellulären Cohesins bei Eizellen jüngerer Frauen, was dann wegen insuffizienter Bindung an den Spindelapparat zu einem abnormalen Chromosomengehalt nach der Meiose führte (Aneuploidie). (Zielinska, A. P. et al. Current Biol. 2019; 22: 3749–3765; e7).

Kommentar

Die Eizellalterung ist ein zentrales Problem der Fortpflanzungsmedizin. Die Aufklärung von Vorgängen, welche zu einer chromosomalen Instabilität (® Aneuploidie, ® Implantationsversagen, ® Aborten) bei älteren Eizellen führen, ist ein wichtiger Erkenntnisfortschritt, auf dem man vielleicht therapeutische Ansätze aufbauen könnte.

m.k.h.

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen
loading