Eine 48-jährige perimenopausale Patientin beklagte einen immer wieder auftretenden Harnverhalt während der letzten Monate und stellte sich deswegen in unserem Beckenbodenzentrum vor. Abhilfe verschaffte lediglich ein Lagewechsel und die sportliche Patientin schildert eindrucksvoll, dass sie sich gelegentlich auf den Kopf stellen müsse um danach die Blase wieder komplett entleeren zu können. Die gynäkologische Anamnese der Patientin war bis auf eine stattgehabte Laparotomie wegen rupturierter Extrauteringravidität unauffällig.
Bei der gynäkologischen Untersuchung fiel bereits auf, dass das Spekulum nicht ganz in die hintere Fornix vaginae vordringen konnte. Diese war imprimiert durch ein weit nach kaudal ausladendes Myom. Bei der Palpation imponierte eine Portio, die durch den grossen und verkeilten Uterus nach kranioventral verzogen und dabei stark nach retrosymphysär verlagert war. Der Uterus war ansonsten mehr als mannsfaustgross und entsprechend immobil.
Im transvaginal durchgeführte Ultraschall zeigte sich ein im Bereich der Hinterwand auf 11 × 10 × 8 cm vergrösserter Uterus sowie eine schlauchartig nach kranial ausgezogene Harnblase mit einer nach ventral imprimierten Urethra.
Bei der Zystoskopie fiel auf, dass das Zystoskop weit nach kaudal gedrückt werden musste, um in die Blase vordringen zu können. Des Trigonum vesicae war entsprechend stark durch das Myom imprimiert, beide Ureterostien ebenfalls nach ventral verlagert. Trotzdem war eine regelrechte Peristaltik mit normalem Urinjet erkennbar.
Im MRI zeigte sich ein grosses Hinterwandmyom mit einer konsekutiven Impression sowie Form- und Lageveränderung der Harnblase.
Bei der Patientin wurde eine laparoskopische Hysterektomie und Salpingektomie bds. durchgeführt. Aufgrund eines vergleichsweise raschen Wachstums des Uterus erfolgte das Morcellement im Safety-Bag. Die histopathologische Aufarbeitung des 530 g schweren Gewebes ergab ein gewöhnliches Leiomyom. Der postoperative Verlauf gestaltete sich unauffällig, die Miktion war unmittelbar nach der Operation ungestört möglich.
Während der Harnverhalt bei fehlender Aufrichtung des graviden Uterusfundus, also der Sakkulation, als eines der Leitsymptome gilt, ist der Harnverhalt infolge eines Uterus myomatosus eher ein seltenes Symptom. Einer Fallserie mit 6 Patientinnen mit akutem Harnverhalt bei Uterus myomatosus folgte die systematische Literaturdurchsicht zu diesem Thema (Lit.). Insgesamt 37 Patientinnen erfüllten die Kriterien der retrospektiven Untersuchung.
Der Durchmesser des jeweils grössten Myoms lag zwischen 5,7 und 22,4 cm. Dabei lagen die Myome am häufigsten in der uterinen Hinterwand. Alle 37 Patientinnen waren nach Durchführung der Therapie (Hysterektomie 64,5 % die restlichen Behandlungen erfolgten in Form einer Myomenukleation, UAE, GnRH, AI) hinsichtlich der gestörten Miktion wieder komplett beschwerdefrei. Der dem Harnverhalt zu Grunde liegende Pathomechanismus ist nach Ansicht der Autoren am häufigsten auf eine myombedingte Achsenabweichung der Zervix nach ventro-cranial zurückzuführen, die letztlich zu einer Kompression der proximalen Urethra bzw. des Blasenhalses führt. Genau dieser Pathomechanismus erklärt auch den Harnverhalt im Rahmen einer Sakkulation.
Clara Q. Wu et al., Urinary retention and uterine leiomyomas: a case series and systematic review of the literature. Int. Urogynecol. J. 2015; 26:1277–1284.