Für Sie kommentiert

«Endometrial scratching» eine unnötige Begleitmassnahme bei der in vitro Fertilisation.

Eine frühere Cochrane-Metaanalyse kam zum Schluss, dass ein sogenanntes «Endometrial scratching» (E.S.) (z. B. mit einer Pipelle) eine nachfolgende IVF begünstigt (höhere Schwangerschafts-und Geburtsraten insbesondere bei Frauen nach Implantationsversagen) (Nastri, C. O. et al. Cochrane Database Syst. Rev. 2015;3: CD009517-CD009517).

Nun zeigt eine grosse, aufwändige, prospektive, randomisierte Multizenterstudie schlüssig, dass E.S. keine Verbesserung bringt (weder im Frisch- noch Auftauzyklus, weder bei Frauen im ersten IVF-Zyklus oder bei der Subgruppe mit St. n. Implantationsversagen). Ausser vielleicht ein wenig Schmerzen bei der Durchführung (Durchschnittlicher Pain-Score 3.5) 180 von 690 (26.1 %) in der E.S.-Gruppe hatten nach E.S. eine Lebendgeburt gegenüber 176 von 674 (26.1 %) in der Kontrollgruppe: «match nul».
Die Arbeit wurde im Topjournal, New England Journal of Medicine veröffentlicht. (Lensen, S. et al.: A randomised trial of endometrial scratching before in vitro fertilisation, N. Engl. J. Med. 2019; 380:325–334).

Kommentar

Weshalb besprechen wir diesen Artikel, der wohl am ehesten Fertilitätsspezialisten interessieren mag? Zum einen ist er ein Beispiel dafür, dass oft erst grosse, prospektive, randomisierte Studien eine verlässliche ­Antwort auf eine gestellte Frage geben. Metaanalysen hingegen sind heute «in». Im vorliegendem Fall, hat die angesehene Cochrane-Analyse dazu geführt, dass «endometrial scratching» weltweit (Kosten pro Fall geschätzt 200–500 $) breit angewendet wurde (Lensen, S. et al. Endometrial scratching for subfertility: everyone’s doing it. Hum. Reprod. 2016; 31:2141–44).
Metaanalysen haben das Problem, dass sie oft auf kleineren, manchmal methodisch problematischen Einzelstudien aufbauen. Einer meiner Lehrer, meinte: «Fancy statistics can not improve the quality oft the raw data»: so viel zum Modetrend
«big data».
Im weiteren ist der Wunsch, die Ergebnisse nach IVF zu verbessern, ein fruchtbares Feld für sogenannte
«ad ons» für welche (fast alle der vielen) aber die Evidenz fehlt.
Wahrscheinlich gar nichts bringen z. B.:

  • Antioxidativa
  • Aspirin
  • Embryo glue
  • Intralipid-Infusionen
  • Quad-Therapie,

welche mit nicht unerheblichen Kosten, die die Paare selbst begleichen müssen, verbunden sind. Eine kritische Haltung der Ärzteschaft gegenüber solcher Polypragmasie ist sicher angebracht.
Michael K. Hohl

Ist jede vaginal-operative Entbindung mit einem ­erhöhten Langzeitrisiko für spätere Inkontinenz ­vergesellschaftet?

Jede vaginale Geburt geht mit einem gewissen Becken­bodentrauma einher. Ein besonderes Risiko stellt aber bekanntermassen die vaginal operative Entbindung dar. Ob und wie sich diese Entbindungsform auf das langfristige Risiko einer Urin-Inkontinenz auswirkt, wurde in einer aktuellen gross angelegten retrospektiven Studie evaluiert. Mehr als 13.000 Frauen, die mindestens einmal vaginal entbunden wurden, befragte man mit Hilfe von validierten Fragebögen zu Symptomen von Stress- und Urge-Inkontinenz.

12.7 % aller Frauen gaben Symptome von Stressinkontinenz an, 8.4 % die einer Urge-Inkontinenz. Bei Frauen unter 50 J. war eine Forzepsentbindung mit einem signifikant erhöhtem Risiko für eine Stressinkontinenz ver­gesellschaftet (OR 1.42, CI 1.09–1.86), 5 % mehr Frauen als in der Vergleichsgruppe waren davon betroffen. Für eine Vakuumentbindung stellte sich kein erhöhtes Risiko im Vergleich zur vaginalen Spontangeburt dar. Bei Frauen über 50J. konnte kein signifikanter Einfluss des Entbindungsmodus auf das Risiko für Stress- oder Urge-Inkontinenz festgestellt werden (Tähtinen et al., AJOG Feb. 2018; 220:2).

Kommentar

Die aktuelle Untersuchung wurde zwar retrospektiv durchgeführt, sie ist jedoch durch die hohe Anzahl eingeschlossener Patientinnen durchaus aussagekräftig. Auch wenn die Datengenerierung mittels Fragebögen methodisch als nicht besonders exakt kritisiert werden könnte: es handelt es sich um ein patientinnenorientiertes Instrument, welches im Sinne eines patient reported outcome die von der Patientin wahrgenommenen Symptome erfasst. Die Ergebnisse bestätigen letztlich die aktuelle Praxis: Forzepsentbindungen werden immer seltener durchgeführt. Die Anwendung des Vakuums scheint dagegen, zumindest hinsichtlich des Risikos einer späteren Urin-Inkontinenz, ein sicheres und probates Mittel zu sein.
Martin Heubner


„Effects of bilateral salpingo-oophorectomy on menopausal symptoms and sexual functioning among women with a BRCA1 or BRCA2 mutation“

Die prophylaktische beidseitige Adnexektomie wird BRCA-Mutationsträgerinnen ab dem 40. Lebensjahr empfohlen, um das durch eine BRCA-Mutation stark erhöhte Ovarialkarzinom-Risiko zu senken. Die Autoren um Elisabeth Hall haben 140 BRCA-Mutationsträgerinnen nach einer Adnexektomie nachbeobachtet und hinsichtlich Lebensqualität, menopausaler Symptome und Sexualfunktion untersucht.

Dazu beantworteten die Frauen Fragebögen vor der Operation sowie 1 und 3 Jahre nach dem Eingriff. Unter den 140 Frauen waren 93 prämenopausal und 47 postmenopausal. Bei den prämenopausalen Frauen führte die Adnexektomie nach 3 Jahren zu einer signifikanten Verschlechterung klimakterischer Symptome und auch zu einer Verminderung der Sexualfunktion. Allerdings zeigte sich keine Beeinträchtigung der gesamthaft betrachteten Lebensqualität. Eine HRT konnte die Symptome verbessern, jedoch nicht komplett eliminieren. Postmenopausale Frauen berichteten 3 Jahre nach Adnexektomie ebenfalls von einer Verschlechterung sowohl der menopausalen Symptomatik als auch der Beeinträchtigung der Sexualfunktion und der Gesamtlebensqualität. Ins­gesamt waren die Symptome aber geringer ausgeprägt als bei den prämenopausalen Frauen.

Kommentar

Bei BRCA-Mutationsträgerinnen kommt es nach einer prophylaktischen Adnexektomie zur einer Verschlechterung sowohl von menopausalen Symptomen als auch der Sexualfunktion unabhängig vom Menopausenstatus. Diese Verschlechterung war – erwartungsgemäss – ausgeprägter bei Frauen, die vor Erreichen der natürlichen Menopause operiert wurden. Gesamthaft gaben die prämenopausalen Frauen jedoch keine Verschlechterung ihrer Lebensqualität nach der Adnexektomie an. Die HRT verbesserte die Symptome, konnte sie jedoch nicht komplett auflösen.
Auch in Bezug auf die hier nicht untersuchten Aspekte von Knochengesundheit sowie kognitiver Funktion, sollten prämenopausale, nicht an Mammakarzinom erkrankte BRCA-Mutationsträgerinnen nach einer prophylaktischen Adnexektomie eine HRT erhalten.

Literatur
Hall E. et al. Gynecologic Oncology. January 2019. Volume 152, Issue 1, Pages 145–150.
Cornelia Leo


Therapie der Nykturie: Macht der Einsatz von anti­diuretischem Hormon Sinn?

Nykturie ist für die Betroffenen und uns als behandelnde Ärzte eine Herausforderung. Für die Patientinnen bedeutet Nykturie häufig eine sehr gestörte Nachtruhe mit Nichterreichen des mindesten Erholungsschlafes von vier Stunden und konsekutiv das Gefühl am nächsten Morgen, völlig unerholt aus dem Bett zu steigen.

Bei älteren Patientinnen kommt eine erhöhte Sturzgefahr mit Folgeerkrankungen (Stürze, Frakturen etc.) dazu. Aus medizinischer Sicht stehen wir immer wieder vor der Frage, ob es sich um eine Folge von Herzinsuffizienz, Hypoproteinämie, gestörtem Trinkverhalten und/oder ­hyperaktiver Blase handelt.

Der Konsensusartikel (Karel Everaert Francois Hervé Ruud Bosch Roger Dmochowski Marcus Drake Hashim Hashim Christopher Chapple Philip Van Kerrebroeck Sherif Mourad Paul Abrams Alan Wein: International Continence Society consensus on the diagnosis and treatment of nocturia 19 February 2019 https://doi.org/10.1002/nau.23939) der Internationalen Kontinenzgesellschaft (ICS) gibt einen guten Überblick über notwendige Abklärungen und Therapieoptionen.

Eine wichtige Frage ist, wann wir neben oder nach Anticholinergika, lokaler Hormontherapie bei Atrophie, Blasentraining und Anpassen der Trinkgewohnheiten auch das antidiuretische Hormon einsetzen können.

Als minimale Abklärungen werden im Artikel ein Trink-Miktionsprotokoll, Anamnese und körperliche Unter­suchung gefordert, ich persönlich denke, dass eine Urin­analyse und Restharnbestimmung auch noch dazugehört. In der Anamnese sollten weitere Symptome für nutritive Faktoren und eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen ­werden.

    Kernaussagen

  • Eine Nykturie ist ab mehr als zweimal pro Nacht ­abklärungsbedürftig, wenn die Patientin vom Harndrang geweckt wird.
  • Nach Ausschluss von Begleiterkrankungen wie Herz- und Niereninsuffizienz, Schlafapnoe, Bein­ödemen und Polydipsie kann der Einsatz von Anticholingerika, Blasentraining, lokalen Östrogenen und antidiuretischem Hormon erwogen werden.
  • Bei letzterem muss der Serumnatriumspiegel überwacht werden.

Als „sichere Kandidaten“ für das antidiuretische Hormon (ADH) werden Patientinnen ohne Polydipsie, ausgeprägte Beinödeme, Herz- oder Niereninsuffizienz und Schlafapnoe klassifiziert, meines Erachtens sollte auch bei Patientinnen mit Hypertonie engmaschig monitorisiert werden.

Ein wichtiger Hinweis für die Praxis ist das Erfassen der Serumelektrolyte, insbesondere die Hyponatriämie ist ­gefürchtet. Das Konsensuspapier empfiehlt eine Kontrolle des ­Serumnatriums an Tag 3, 7 und nach einem Monat. Unbedingt gestoppt werden sollte das ADH bei einem Serumnatrium unter 130 mmol/L ohne Symptome und bei einem Serumnatrium von 130–135mmol/L bei ­symptomatischen Patientinnen. Das Konsensuspaper unterstützt den Einsatz von ADH bei Patientinnen mit Nykturie, um diese suffizient zu ­behandeln.

Ich kann mich dem nur anschliessen; in England ist das ADH schon seit vielen Jahren im weiten Einsatz für die Indikation der idiopathischen Nykturie; wir sind dies­bezüglich ein bisschen zu zurückhaltend, wenn die Indikation stimmt.

Wir erinnern uns – ein Nykturie bis zweimal pro Nacht ist als normal anzusehen, und zu diesen Toilettengängen zählen nur Situationen, wenn die Patientinnen durch den Harndrang geweckt wird, nicht wenn sie zum WC geht, weil sie nicht schlafen kann, der Mann bellt oder der Hund schnarcht – sorry, ich meinte das natürlich umgekehrt :-).

Bei einigen Patientinnen kann die Nykturie die Lebensqualität derart einschränken, dass eine Therapie indiziert ist; das antidiuretische Hormon hilft uns hier weiter. Für alle, die mehr im Detail interessiert sind, empfehle ich diese Guideline, die verschiedene bereits exisistierende Guidelines zusammenfasst.
Annette Kuhn

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