Sonoquiz Auflösung

Komplexe Nabelschnurumschlingung

Franziska Krähenmann aus Zürich hat richtig getippt. Ja, es waren Nabelschnurumschlingungen um den Hals. Im Bild (A) sieht man im Nackenbereich drei Nabelschnurquerschnitte. Im Bild (B) erahnt man die Halsumschlingungen und in den Bildern (C) und (D) kann man mittels Farbdoppler klar die Nabelschnur erkennen.

Als „komplexe“ Nabelschnurumschlingungen werden ≥3 Umschlingungen, aber auch ein Knoten oder die Kombination einer Nabelschnur mit singulärer Arterie mit einem Nabelschnurknoten und/oder irgendeiner Form von Umschlingung gezählt [1]. Mit den heutigen Ultraschallmaschinen ist es nicht mehr schwierig, Umschlingungen zu sehen. Meist sagen wir nichts, da wir die Frau nicht beunruhigen wollen. Die Inzidenz von Nabelschnurumschlingungen ist sehr hoch und werden bei den Termingeburten in 20–35 % beschrieben. Multiple Umschlingungen sind hingegen selten. Während ein- oder auch zweifache Umschlingungen harmlos und meist mit einem guten Ausgang der Schwangerschaft und Geburt assoziiert sind, wird in Situationen mit komplexen Umschlingungen ein höheres perinatales Risiko beschrieben. Neuere Studien zeigen, dass bis 20 % der intrauterin verstorbenen Feten Hinweise für eine gestörte umbilikale Blutzirkulation aufgewiesen haben. Eine grössere amerikanische Untersuchung an 496 intrauterinen Todesfällen konnte zeigen, dass 94 (19 %) Fälle eine Nabelschnurpathologie aufgewiesen haben. Davon waren 29 % Hals-, Körper- oder Schulterumschlingungen, 27 % Knoten, Torsionen und Strikturen und in 5 % war der Todesfall bedingt durch einen Nabelschnurvorfall [2]. Um eine solche umbilikale Durchblutungsstörung beweisen zu können, wurden entsprechende histopathologische Kriterien definiert. So macht der Nachweis einer Gefässektasie kombiniert mit Thrombosen in den Nabelschnurgefässen, in Gefässen der Chorionplatte und/oder der Stammvilli der Plazenta eine solche Disruption sehr wahrscheinlich.

Die nationale (SGUMGG) und auch die internationalen Fachgesellschaften (ACOG, ISUOG, SMFM) tun sich schwer mit dem Stellenwert der Nabelschnur im Rahmen der pränatalen Diagnostik. Meist steht, dass man die Anzahl Gefässe dokumentieren sollte und – falls möglich – auch die Insertionsstelle. In einer kürzlich erschienen, retrospektiven Studie wurde über das Outcome von 258 (Inzidenz 0.6 %) Fällen mit dreifacher Nabelschnurumschlingung berichtet. Nun, 1.9 % dieser Fälle sind intrauterin verstorben, knapp 10 % hatten postnatal einen tiefen (<7) 1- und 5-Minuten-Apgar-Score bei einer vaginal-operativen Entbindungsrate von beinahe 18 %. 12 % der Fälle zeigten eine intrauterine Wachstumsrestriktion [4]. Eine statistische Aufarbeitung dieser Arbeit hat gezeigt, dass eine 3-fache Umschlingung einen eigenständigen Risikofaktor für einen ungünstigen perinatalen Ausgang darstellt. Andere Studien konnten dies bestätigen, und auch die intrapartalen Zeichen für „fetal distress“ (path. CTG, Mekoniumabgang, Notfallsectio) sind in diesen Situationen erhöht [5]. Diese Zeichen sprechen eine klare Sprache und sind Hinweise für akute, venöse Obstruktion. Die Feten haben dabei nicht die gleichen kompensatorischen Mechanismen wie z. B. die arterielle Redistribution bei Plazentainsuffizienz. Solche höhergradigen Umschlingungen weisen auch eine höhere Rate von echten Nabelschnurknoten auf [6]! Das verwundert mich gar nicht. Achten Sie mal auf die Art der Windungsarchitektur von Nabelschnüren bei Halsumschlingungen! Meist – und wie auch im vorliegenden Fall – weisen diese wenige oder kaum Windungen auf (hypocoiled bzw. uncoiled). Solche Nabelschnüre sind vulnerabler auf äussere Kompression, u. a. auch, weil sie weniger Wharton’sche Sulze aufweisen und die fehlenden arteriellen Windungen um die Vene diese nicht mehr schützen, speziell im dritten Trimenon. Dies trifft auch für Nabelschnüre mit singulärer Arterie zu, wo ich mir bei Umschlingungen ebenfalls Sorgen mache.

Es gibt keine einheitlichen Richtlinien über das Vorgehen in solchen Situationen. Ich bin der Meinung, dass die Frau informiert und die Schwangerschaften intensiver überwacht werden sollten, speziell ab 34 Wochen. Bei zusätzlich Hinweisen für eine Plazentainsuffizienz oder Oligohydramnie (oder auffälliger Hämodynamik oder CTG) wäre eine Entbindung auch vor 37 Wochen zu erwägen, sonst nach 37 Wochen. Eine ähnliche Argumentation wie für die Empfehlung der Entbindung in der 33. Woche bei Monoamnioten mit klassischen Nabelschnurumwicklungen.

Nun, unsere Klientin hat sich nicht beirren lassen durch unsere Ängste und hat mit 41 Wochen im Wasser geboren. Das Kind war normal schwer und hatte eine leichte perinatale Azidose und ein 5er-Apgar von 7. Das CTG war nicht pathologisch. Es wurden nur noch zwei Halsumschlingungen bei Geburt beschrieben, aber zusätzlich wurde ein echter Knoten gefunden. So kann es eben auch gehen.

Literatur

  1. Scherer D et al., Int J women health. 2020; 12:613–31
  2. Hammad IA et al., Obstet Gynecol. 2020; 135(3):644–52
  3. Parast MM et al., Hum Pathol. 2008; 39(6):948–53
  4. Scheiber H et al., Arch Gynecol Obstet. 2019; 300(2):279–83
  5. Hoh JK et al., J Obstet Gynaecol Res. 2012; 38(2):358–63
  6. Scherer DM et al., Ultrasound Obstet Gynecol. 2017; 50(3):404–5
Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen
loading