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Personalisierte Brustkrebstherapie

Brustkrebs-Subtypen

Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde mit dem Medikament Tamoxifen die erste personalisierte Brustkrebstherapie eingeführt. Während eine Chemotherapie unspezifisch nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde Gewebe trifft, richtet sich die gezielte endokrine Therapie mit Tamoxifen nur gegen hormonsensible Brustkrebszellen.

Mit der Entwicklung neuer Substanzen, aber auch mit der Verbesserung des molekularen Verständnisses von Brustkrebs haben sich seit Anfang des Jahrtausends vielversprechende neue Therapieansätze ergeben. Einen wichtigen Meilenstein in Richtung personalisierte Brustkrebstherapie stellt die molekulare Klassifizierung der Brustkrebssubtypen dar [1, 2]. Mit der immunhistochemischen Beurteilung von Estrogen- und Progesteronrezeptor, der Bestimmung des HER2-Status sowie der Beurteilung der Proliferationsfraktion gelingt auch im klinischen Setting eine Einteilung in diese Subtypen: Luminal A, Luminal B, HER2-angereichert und triple-negativ. Damit eröffnete sich die Möglichkeit, subtyp-spezifische, zielgerichtete Behandlungen einzuführen.

Der häufigste Subtyp – Luminal A (ER/PR positiv, niedriges Grading und Proliferationsrate) – macht ca. 40–60 % aller Brustkrebsfälle aus. Dieser Subtyp zeigt eine niedrige Chemosensitivität, ist aber sehr sensitiv gegenüber endokriner Therapie, weshalb Luminal-A-Tumore in der Regel mit alleiniger endokriner Therapie behandelt werden.

Der Luminal-B-Subtyp (ER/PR positiv, hohes ­Grading und Proliferationsrate) ist hingegen nicht ausreichend mit einer Antihormontherapie behandelbar, sodass hier auch eine Chemotherapie zum Einsatz kommen muss.

Die Subgruppe der HER2-positiven Mammakarzinome war bis zur Einführung der Anti-HER2-gerichteten Substanzen eine schwierig zu behandelnde, aggressive Entität mit ungünstiger Prognose. Seit dem Jahr 2000 ist Trastuzumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen HER2, für die Behandlung des metastasierte HER2-positiven Mammakarzinoms zugelassen und seit 2006 liegt die Zulassung auch für die adjuvante Therapie beim frühen HER2-positiven Mammakarzinom vor. Zwischenzeitlich kommen noch weitere Anti-HER2-gerichtete Substanzen zum Einsatz, wie der Antikörper Pertuzumab oder das Antikörper-Drug-Konjugat T-DM1. Damit hat sich in den vergangenen 15 Jahren die Prognose von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom so stark verbessert, dass ihre Therapieerfolge mit den zielgerichteten Substanzen mindestens so gut sind wie die von Patientinnen mit weniger aggressiven Brustkrebstypen.

Eine nach wie vor schwierig zu behandelnde Subgruppe ist der triple-negative Brustkrebs (TNBC). Dieser zeichnet sich durch das Fehlen von HER2-Überexpression sowie Estrogen- und Progesteronrezeptoren aus. Damit steht hier vor allem die ungezielte Chemotherapie als Behandlungsoption zur Verfügung. In den letzten Jahren gibt es aber auch für diese Subgruppe interessante Entwicklungen. So zeigte die Keynote-522-Studie, dass bei TNBC der neoadjuvante Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab, einem PD-1-Inhibitor, zu einer signifikanten Verbesserung der pathologischen Komplettremissionsrate führte [3]. Die Ergebnisse bezüglich der Prognoseverbesserung stehen noch aus, weshalb noch kein standardmässiger Einsatz im neo-/adjuvanten Setting erfolgt. Immunonkologische Substan­zen, wie Pembrolizumab, aber auch Atezolizumab [4] werden jedoch bereits heute beim metastasierten TNBC eingesetzt, wenn eine PD-L1-Über­expression vorliegt.

Eine vielversprechende Substanz erhielt im April 2021 die volle Zulassung durch die FDA bei Patientinnen mit nicht resezierbarem, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten TNBC, die bereits mindestens zwei Therapielinien erhalten hatten. Sacituzumab Govitecan – ein Antikörper-Drug-Konjugat – zeigte sowohl im progressionsfreien als auch im Gesamtüberleben einen signifikanten Vorteil (medianes OS 12.1 Monate mit Sacituzumab Govitecan vs 6.7 Monate mit Chemotherapie; hazard ratio 0.48; P<0.001) [5]. Die Substanz besteht aus einem Antikörper, der gegen das humane Trophoblast cell-surface antigen 2 (Trop-2) gerichtet ist, welches in der Mehrzahl der Mammakarzinome exprimiert wird, gekoppelt an SN-38 (einen Topoisomerase I Inhibitor). Damit stehen jetzt endlich auch im Bereich des TNBC zielgerichtete Substanzen zur Verfügung.

Eskalation und Deeskalation

Ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Brustkrebstherapie ist die Deeskalation, aber – wenn nötig – auch die Eskalation von Systemtherapien. Die Entwicklung von Genexpressionstests, wie Oncotype DX oder Mammaprint, hat dazu geführt, dass einem grossen Teil von Patientinnen, nun mit guter Evidenz, eine Chemotherapie erspart werden kann. So zeigen die Daten der Tailor-X-Studie, dass nodal-negative Patientinnen mit einem hormonrezeptor-positiven Brustkrebs und einem Oncotype Recurrence Score unter 25 keinen Benefit einer zusätzlichen Chemotherapie haben [6]. Die beim San Antonio Meeting 2020 veröffentlichten Daten der RxPonder-Studie zeigen, dass dies auch auf postmenopausale Patientinnen mit 1–3 positiven Lymphknoten zutrifft [7].

Auf der anderen Seite können mit der Durchführung der Chemotherapie im neoadjuvanten Setting sowohl bei den TNBC als auch bei den HER2-positiven Mammakarzinomen zusätzliche Information hinsichtlich einer möglicherweise notwendigen postneoadjuvanten Eskalation der Therapie gewonnen werden. Abhängig vom Erreichen oder Nicht-Erreichen einer pathologischen Komplettremission wird die weitere Therapie personalisiert und im Falle eines TNBC-Subtyps eine Behandlung mit Capecitabine angeschlossen. Im Falle eines HER2-positiven Mammakarzinoms wird man hier anstelle einer adjuvanten Antikörpertherapie mit Trastuzumab (plus ggf. Pertuzumab) den Einsatz von T-DM1 empfehlen.

BRCA-assoziierte Mammakarzinome

Circa 5 % aller Mammakarzinome lassen sich auf Keimbahnmutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen zurückführen. Die durch diese Genmutationen hervorgerufene Beeinträchtigung der DNA-Reparatur­mecha­nismen lässt sich therapeutisch ausnutzen. Der Nutzen von PARP-Inhibitoren bei metastasierten Mammakarzinomen mit Keimbahn-BRCA-Mutation hinsichtlich der Verlängerung des progressionsfreien Überlebens wurde im OlympiaD Trial (Olaparib) und in der EMBRACA-Studie (Talazoparib) gezeigt [8,9]. Damit stellen die PARP-Inhibitoren nun eine weitere Therapie­option in dieser Subgruppe dar. Ganz aktuell wurden auf dem diesjährigen ASCO die Ergebnisse der Olympia-Studie vorgestellt: Der Einsatz von Olaparib im adjuvanten Setting führt zu einer signifikanten Verbesserung sowohl des invasiven krankheitsfreien (85.9 % in der Olaparibgruppe und 77.1 % in der Placebogruppe) als auch des fernmetastasen-freien Überlebens (87.5 % in der Olaparibgruppe und 80.4 % im Placeboarm). Im Olaparib-Arm traten auch weniger Todesfälle auf, das Gesamtüberleben war jedoch nach dem bisherigen kurzen medianen Follow-Up von 2.5 Jahren noch nicht signifikant verschieden, der Endpunkt ist bezüglich dieser Auswertung noch unreif [10]. Diese eindrücklichen Daten werden „practice-changing“ sein bei Patientinnen mit high-risk BRCA-assoziierten Mamma­karzi­nomen.

Tumoragnostische Therapien beim Mammakarzinom

Mit der Entwicklung zielgerichteter Substanzen macht es zunehmend Sinn, in metastasierten Mammakar­zinomen nach somatischen Mutationen zu suchen. Damit lassen sich molekulargenetisch definierte Therapieansätze finden, bei denen die zugrundeliegende Genmutation als Angriffspunkt eine entscheidendere Rolle spielt als der Tumorursprungsort. So kommt beim Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität der Einsatz von Pembrolizumab infrage, unabhängig davon, ob es sich um ein Kolonkarzinom, ein Endometriumkarzinom oder (ganz selten) um ein Mammakarzinom handelt. Der Nachweis einer PIK3Ca-Mutation im Tumorgewebe hingegen ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Therapie mit Alpelisib (PI3Ka-Hemmer). Die Solar-Studie hat die Wirksamkeit von Alpelisib beim metastasierten Mammakarzinom belegt [11]. Frühe Studien lassen aber auch einen Nutzen bei anderen soliden Tumorentitäten mit PIK3Ca-Mutation vermuten, klinische Studien laufen beispielsweise beim Kolon- und Endometriumkarzinom.

Literatur

  1. Perou CM, et al. Nature. 2000;406:747
  2. Sørlie T, et al. Proc Natl Acad Sci. 2001;98:10869–10874
  3. Schmid P et al. N Engl J Med 2020; 382:810-821
  4. Schmid P et al. N Engl J Med 2018; 379:2108-2121
  5. Bardia et al. N Engl J Med 2021; 384:1529-1541
  6. Sparano et al. N Engl J Med 2018; 379:111-121
  7. Kalinsky K et al. Presented at SABCS 2020. Abstract GS3-00.
  8. Robson M et al. N Engl J Med 2017; 377:523-533
  9. Litton J et al. N Engl J Med 2018; 379:753-763
  10. Tutt A et al. N Engl J Med 2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2105215
  11. André F et al. N Engl J Med 2019; 380:1929-1940
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