FHA Persönlich

Durchblick

Als ich neun war, stellte man fest, dass das Kind eine Brille braucht. Zu diesem Zeitpunkt war die Auswahl an Kinderbrillen übersichtlich. Ich hasste das violette Ding von ganzem Herzen. Die Anzahl von Brillen, die damals beim Reiten, beim Spielen, beim Herumtoben zu Bruch gingen, kann nur geschätzt werden, war aber sehr hoch. Meine armen Eltern wurden den Gang zum Optiker gewöhnt und haben sich nur selten beklagt.

Als ich allmählich älter wurde, kamen die ersten Kontaktlinsen ins Visier und zwischen dem 17. und ca. 40. Lebensjahr gab es – ausser im Nachtdienst oder bei längeren Flügen – nichts anderes für mich. Ich war sehr erleichtert, mich nicht mit Brillengestellen, Glasvarianten etc. auseinandersetzen zu müssen, kein Beschlagen bei Regen, bei Kälte, alles war bestens.

„Die Brille“ gab es nur als Ausweichvariante. Zum Tauchen gab es sogar eine Taucherbrille mit geschliffenen Gläsern, mit der die Sicht hervorragend war – famos!

Irgendwann schlug dann leider das Alter zu, und ich brauchte zusätzlich zur Kontaktlinse eine LESEBRILLE, um die beginnende Unflexibilität der eigenen Linse – und ich rede hinsichtlich der Unflexibilität NUR von der Linse! – zu kompensieren.

Ich weiss nicht, wer von Ihnen je in den Genuss einer Lesebrille gekommen ist. Es ist die Hölle.

Sprechstunde? Brille auf, Brille ab, Brille auf, Brille ab, Brille wo???

OP? Gleitsichtbrille? Lesebrille? Lupenbrille? – Letzteres manchmal bei schwierigen, meist urethralen Situationen. Ansonsten: der Horror.

Eine andere Lösung muss her, ade Kontaktlinse oder allenfalls zum Sport. Sonst: Gleitsichtbrille. Die Art der Gläser war wohl offensichtlich und nicht verhandelbar. ABER: jetzt war ich wieder vor die Qual der Wahl eines anständigen Gestells gestellt.

Zum Glück hatte sich seit meiner Kindheit die Auswahl der Gestelle deutlich gebessert, was es aber irgendwie nicht einfacher machte. Die Vorstellungen, was eine schöne Brille ist, gingen zwischen mir und meinem Mann deutlich auseinander, nicht ganz überraschend.

Die Materialien wurden kreativer. Holz, Horn, Metall – eher nicht, rahmenlos – iiiih! oder Plastik, alles verfügbar, aber manchmal etwas einfallslos. Hmmmm …

Es musste sein, also nun, man suche sich etwas Passendes aus und das war irgendwie mein Problem, ich fand keine richtig coole Brille. Die verfügbaren Modelle erfüllten ihren Zweck, aber nicht wirklich meine Vorstellungen von einer perfekten Brille.

Bis – ja bis! – meine gute Freundin Sonja mir den Tipp einer Optikerin in Bern gab, die nach eigenen Entwürfen Brillen machen kann.

Es war die Offenbarung.

Ich kam mit einigen von mir gezeichneten Entwürfen, die meinen Vorstellungen von einer „richtigen“ Brille entsprachen, Corinne bastelt aus Pappe den Prototyp, der dann auf meine Nase, Ohren und selbstverständlich den Augenabstand angepasst wird.

Ich kann aus verschiedenen Hornplatten auswählen, welche Farbe, welche Maserung, welche Bügel, welche was auch immer, das gute Stück geht in Produktion und nach 3–5 Wochen halte ich sie dann in der Hand: Die Unikat-Brille, die exakt meinen Vorstellungen und meiner Nase entspricht.

Die erste Brille dieser Art hat mittlerweile zahlreiche Schwestern bekommen in allen Variationen des buntesten Schwarz-Weiss, Braun oder Schwarz-Schwarz und ich liebe sie alle!

Seitdem trage ich wieder extrem gerne Brillen. Sie passen IMMER perfekt, ich kann sie je nach Lust und Laune variieren, die Sicht ist adlermässig gut, kein Auf und Ab mehr. Zum Sport bleiben – ungern! – die Linsen.

Ansonsten: Brille yes!

Vor einigen Wochen hatten wir per Video den Deutschen Urogyn-Kongress, bei dem ich einen Vortrag zum Thema Demenz hatte. Ich bin nicht sicher, ob der Inhalt des Vortrages so eingeschlagen hat, die Brille jedenfalls hat es. Ich bekam am nächsten Tag ein E-Mail von der Gattin eines Teilnehmers, die ihrem Mann beim Vortrag über die Schulter geschaut hatte und meine Brille bemerkte. Sie schrieb mir einige bewundernde Worte und fragte mich, welche Marke dieses gute Stück denn sei. Wahrscheinlich war sie etwas enttäuscht, dass diese Brille keine gewerbliche Marke ist, nur Kuhn’scher Eigenentwurf; ich jedenfalls freue mich über solche Kommentare ungemein.

Fazit: Brille sicher wieder JA, Durchblick gewährleistet!

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