Forum - Komplementärmedizin und Brustkrebstherapie

Unter dem Begriff Komplementärmedizin wird eine Vielzahl diverser Verfahren zusammengefasst, welche zusätzlich und häufig parallel zur konventionellen Medizin Anwendung finden. Dazu gehö-ren unter anderem Therapiesysteme, wie die traditionelle chinesische Medizin (TCM) mit u. a. Aku-punktur und Akupressur, nicht medikamentöse Therapieformen, wie Mind-Body-Medizin und Yoga, aber auch der Einsatz einzelner Nahrungsergänzungskomponenten (z. B. Vitamin C oder Selen) und die Misteltherapie.

Über die letzten 30 Jahre hat sich der Anteil an Patienten/-innen, die komplementär-medizinische Angebote im Rahmen einer Krebstherapie nutzen, deutlich erhöht. Einer Metaanalyse aus dem Jahr 2012 zufolge steigerte sich dieser Anteil von ca. 25 % in den 1970er Jahren auf mehr als 30 % in den 1990er Jahren auf bis zu 49 % nach dem Jahr 2000 [1]. Unter Brustkrebs­patientinnen ist der Anteil von Frauen, die komplementärmedizinische Ansätze zusätzlich zur Standardkrebstherapie nutzen, besonders hoch [2].

Aspekte der hohen Akzeptanz komplementärmedizinischer Methoden bei Brustkrebspatientinnen sind das Bedürfnis, zur Verbesserung ihrer allgemeinen Gesundheit aktiv beizutragen, der Wunsch, Nebenwirkungen der onkologischen Therapien zu reduzieren sowie ihr Immunsystem zu stärken. Dabei wird die Compliance mit den konventionellen Therapien äusserst selten negativ beeinflusst. Patientinnen, die Komplementärmedizin nutzen, sind in der Regel jünger, haben einen höheren Bildungsstatus und zeigen einen aktiveren Umgang mit der Erkrankung [3]. Auf der anderen Seite scheinen auch Frauen mit fortgeschrittener Erkrankung und stärker beeinträchtigter Lebensqualität eher komplementärmedizinische Angebote zu nutzen [2].

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich Brustkrebspatientinnen Informationen zu Komplementärmedizin wünschen, dass das Thema häufig aber nicht aktiv vom behandelnden Onkologen angesprochen wird. Patientinnen scheinen sich die Informationen aus dem Internet und von Freunden und Familie zu holen. Auch der Hausarzt spielt eine wichtige Rolle. Wichtig ist es, von Seiten der Onkologen/Gynäkologen hier aktiv Gesprächs- und Behandlungsangebote zu unterbreiten, um einerseits sinnvolle komplemen­tärmedizinische Therapieansätze zu integrieren und um andererseits zu verhindern, dass schädliche Therapien angewendet werden. Es ist wichtig zu wissen, ­welche zusätzlichen Substanzen, Vitamine, Spurenelemente etc. eingenommen werden, da es zu ungünstigen Wechselwirkungen mit der Antitumortherapie kommen kann.

Was sagen die Leitlinien?

Die deutsche Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie (AGO) hat Empfehlungen zur Komplementärmedizin in ihre Leitlinien integriert, die jährlich nach dem aktuellen Stand der Evidenz aktualisiert werden (https://www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma). Dort kommt v. a. den nicht-medikamentösen Massnahmen, wie Yoga, Akupunktur und Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), eine prominente Rolle zu. Für diese Verfahren liegt eine positive Evidenz vor, sie können mit der Antitumortherapie gut kombiniert werden und sie wirken sich auf verschiedene Aspekte der tumortherapie-assoziierten Nebenwirkungen günstig aus.

Medikamentöse komplementärmedizinische Therapien werden nur sehr eingeschränkt empfohlen. Das liegt einerseits an der mangelnden Evidenz für einen Nutzen der Substanzen und andererseits an deren Potenzial zu ungünstigen Interaktionen mit der Antitumortherapie. Gemäss AGO können beispielsweise Mistellektine erwogen werden zur Reduktion therapie-assoziierter Nebenwirkungen.

Aktuell beschäftigen sich einige Studien mit dem Effekt des Kurzzeitfastens auf die Chemotherapieverträglichkeit und es scheint hier positive Effekte zu geben [4]. Allerdings sind die vorhandenen Studien noch zu klein, als dass man generelle Empfehlungen ableiten könnte.

MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction)

Für die achtsamkeitsbasierte Stressbewältigung gibt es gute Evidenz, dass damit die Lebensqualität von Krebspatienten verbessert werden kann (Abb. 1). Verminderung von Stress, Angst und Depression einerseits, aber auch von Fatigue und Schlafstörungen andererseits, konnten durch MBSR nachgewiesen werden [5]. Das MBSR-Programm geht über 8 Wochen (2–3h pro Woche), hinzu kommen ein Achtsamkeitstag und tägliche Übungsaufgaben. Kurse werden z. B. über die Krebsliga angeboten. Ausgebildete Therapeuten sind auf der Homepage des MBSR-Verbandes der Schweiz zu finden (www.mbsr-verband.ch/kursangebote/lehrende/).

Yoga

In einer aktuellen Metaanalyse wurde gezeigt, dass Yoga v. a. bei Frauen nach Brustkrebstherapie einen grossen Effekt auf die Linderung von Fatigue-Symptomen (körperliche und kognitive Fatigue) hatte. Der Effekt unter einer noch laufenden Therapie war geringer ausgeprägt [6]. Auch ein Cochrane Review aus dem Jahr 2017 kommt zu dem Schluss, dass Yoga einen positiven Effekt hat für die Verbesserung der Lebensqualität, die Reduktion von Fatigue und Schlafstörungen sowie die Bewältigung von Depression und Angst [7]. Demzufolge wird Yoga auch in den AGO-Leitlinien empfohlen.

AGO-Empfehlungen und Evidenz für Mind-Body-Medizin/MBSR
AGO-Empfehlungen und Evidenz für Mind-Body-Medizin/MBSR

Akupunktur/Akupressur

Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren positive Evidenz für die Anwendung von Akupunktur zur Linderung therapie-assoziierter Nebenwirkungen geliefert. Zum einen kann Akupunktur chemotherapie-assoziierte Übelkeit und Erbrechen günstig beeinflussen, zum anderen wurde in einer randomisierten klinischen Studie auch gezeigt, dass Akupunktur aromataseinhibitor-assoziierte Arthralgien lindern kann [8]. Auch die schwierig zu behandelnden Hitzewallungen lassen sich durch Akupunktur verbessern [9]. Damit kommen auch die AGO-Empfehlungen zu einer positiven Bewertung für die Akupunktur als komplementäre Therapie (Abb. 3).

Fazit

Viele Brustkrebspatientinnen haben den Wunsch, ­Verfahren der Komplementärmedizin in ihre onkologische Therapie zu integrieren. Die nicht-medikamentösen Interventionen, wie MBSR, Yoga oder Akupunktur, sind mit positiver Evidenz belegt und werden in den deutschen AGO-Empfehlungen v. a. zur Behandlung von therapie-assoziierten Nebenwirkungen empfohlen. Vorsicht geboten ist bei den medikamentösen Ansätzen: hier kann es zu unerwünschten Wechselwirkungen mit der onkologischen Therapie kommen und die Evidenz bezüglich positiver Wirkungen ist häufig nicht erbracht.

Uns als betreuenden Gynäkologen/Onkologen obliegt es, die Patientinnen über Möglichkeiten und Grenzen der Komplementärmedizin zu beraten und sie bei Wunsch an entsprechend ausgerichtete und qualifizierte Sprechstunden zuzuweisen.

AGO-Empfehlungen und Evidenz für Mind-Body-Medizin/Yoga
AGO-Empfehlungen und Evidenz für Mind-Body-Medizin/Yoga
AGO-Empfehlungen und Evidenz für Akupunktur zur Behandlung von Nebenwirkungen
AGO-Empfehlungen und Evidenz für Akupunktur zur Behandlung von Nebenwirkungen

Literatur

1.   Horneber M. et al., Integr Cancer Ther. 2012; 11:187–203.
2.   Tautz E. et al., Eur J Cancer 2012; 48:3133–9.
3.   Molassiotis A. et al., Annals of Oncology 2005; 16:655–63.

4.   de Groot S. et al., J Exp Clin Cancer Res. 2019; 38:209.
5.   Elkins G. et al., Curr Treat Options Oncol. 2010; 128–40.

6.   Dong B. et al., Breast Cancer Res Treat. 2019; 177:5–16.
7.   Cramer H. et al., Cochrane Systematic Review – Intervention Version published: 03 January 2017. https://doi.org/10.1002/
14651858.CD010802.pub2

8.   Hershman D. L. et al., Jama 2018, 320:167–76. 4.
9.   Lesi G. et al., J Clin Oncol. 2016; 34:1795–802.

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