Forum

Genetik bei gynäkologischen Krebserkrankungen – Implikationen für die klinische Praxis

Die Sensibilität für hereditäre Mammakarzinome hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Doch auch Genitalmalignome können genetisch bedingt sein. Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über dieses Thema geben.

Die Tumorgenetik hat unser Verständnis für Krebserkrankungen in den vergangenen Jahren massgeblich verändert. Diese Entwicklung setzt sich laufend fort. Wir wissen mittlerweile, dass spontan aufgetretene, vererbte oder durch externe Noxen (z. B. High-risk-HPV-Infektionen) verursachte Mutationen Auslöser von Krebserkrankungen darstellen können.

Etwa 5 % aller Endometriumkarzinome und ca. 15 % aller Ovarialkarzinome treten nach unserem heutigen Wissen aufgrund einer erblichen Prädisposition auf. Frauen mit einer familiären Vorgeschichte von Eierstockkrebs (eine Verwandte ersten Grades) haben bereits ein bis zu vierfach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber Frauen ohne familiäre Vorbelastung.

Die häufigsten erblichen Syndrome, mit denen wir in der Gynäkologie konfrontiert sind, sind BRCA-assoziierte Erkrankungen (Mammakarzinom, Ovarial-/Tubenkarzinom) sowie das Lynch-Syndrom (Endometriumkarzinom). Seltener sind das Peutz-Jeghers-Syndrom, das Cowden-Syndrom und das Li-Fraumeni Syndrom.

Die Entdeckung von Genen, die Frauen für gynäkologische Krebserkrankungen prädisponieren, hat die Patientinnenbetreuung erheblich verändert. Aufklärung, genetische Beratung und Testung, engmaschige Überwachung und risikoreduzierende Massnahmen für Risikopatientinnen gehören mittlerweile zu unserem klinischen Alltag.

Testen - wen und warum?

Während zu Beginn dieser Entwicklung vor allem die Beratung und Testung aufgrund einer auffälligen Familienanamnese erfolgten, nimmt heute die sogenannte Reflex-Testung erkrankter Frauen einen immer grösseren Stellenwert ein: die Testung erkrankter Frauen unabhängig von der Familienanamnese, z. B. aufgrund von speziellen Tumoreigenschaften (z. B. high-grade seröse Tuben-/Ovarialkarzinome, Endometriumkarzinome mit Ausfall von Mismatch-Repair (MMR)-Proteinen, triple-negative Mammakarzinome etc.). Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch das Aufkommen zielgerichteter Therapien begünstigt, für die genetische Veränderungen prädiktive Marker für ein Therapieansprechen darstellen.

In diesen Fällen hat die Testung einen unmittelbaren Einfluss auf die Therapieplanung. Beispiele sind der Einsatz von PARP-Inhibitoren bei BRCA-mutationsassoziierten Ovarialkarzinomen oder von Immuncheckpointinhibitoren bei Endometriumkarzinomen mit MMR-Defizienz.

Auch die Anwendung molekulargenetischer Analysen an Tumormaterial (next generation sequencing, NGS) kann Anlass für genetische Beratung und Testung darstellen, wenn genetische Veränderungen am Tumor das Vorliegen einer Keimbahnmutation suggerieren. NGS Analysen werden in zunehmendem Masse durchgeführt, ebenfalls insbesondere um nach prädiktiven Markern für zielgerichtete molekulare Tumortherapien zu suchen.

Eine weitere Möglichkeit zur Detektion pathogener Mutationen könnte zukünftig auch ein bevölkerungsbasiertes Screening darstellen. Wir wissen, dass mehr als 50 % der Trägerinnen pathogener BRCA-Mutationen durch eine rein auf der Familienanamnese-basierte Risikoabschätzung übersehen werden. Die Durchführung von bevölkerungsbasierten Screenings wird daher diskutiert. Die Bewertung des Kosten-Nutzenverhältnisses ist jedoch komplex. Durch ein grossangelegtes Screening könnte mittels verbesserter Früherkennung und Prävention ohne Zweifel eine Reduktion der Krebs-Inzidenz und -Mortalität erreicht werden. Andererseits dürfen die hohe psychosoziale Belastung von Genträgerinnen, die Möglichkeit falschnegativer oder falschpositiver Ergebnisse (oder auch Detektion genetischer Varianten unklarer Signifikanz, VUS), drohende Überdiagnostik und Übertherapie, Kosten und Ressourcen sowie auch datenschutzrechtliche und ethische Erwägungen in diesem Kontext nicht ausser Acht gelassen werden.

Welcher Grund auch immer den Anlass für eine ­genetische Untersuchung darstellt, die umfassende Beratung über Konsequenzen für die Patientin/Ratsuchende als auch ihre Familie ist eminent wichtig und nach dem Gendiagnostikgesetz in der Schweiz obligat. Das Wissen um genetische Veränderungen kann bereits erhebliche Auswirkungen auf die Patientin und/oder ihre Familie haben. Intensivierte Früherkennungsmassnahmen oder gar präventive operative Eingriffe bergen neben ihrem unbestreitbaren Nutzen auch gesundheitliche Risiken – physischer und psychischer Natur. Einflüsse auf das Körperbild, eine frühzeitige Menopause mit allen hiermit assoziierten Problemen, Einflüsse auf Fertilität und Familienplanung und nicht zuletzt eine hohe psychosoziale Belastung gesunder Genträgerinnen müssen im Rahmen von Beratungen immer in Betracht gezogen werden.

Nach unserem heutigen Wissen gehen bis zu 10 % aller Krebserkrankungen auf genetische Prädispositionen zurück. Deshalb sind Strategien zur frühzeitigen Erkennung und Behandlung sporadisch auftretender Krebserkrankungen weiterhin von Bedeutung.

Hereditäres Brust- und Eierstockkrebssyndrom (HBOC)

Die meisten erblichen Veranlagungen für Eierstockkrebs beruhen auf pathogenen BRCA Mutationen. Mit einer Inzidenz von 1:500 (BRCA1) respektive 1:700 (BRCA2) sind diese verhältnismässig häufig. 0.3 % der Schweizer Bevölkerung sind BRCA Mutationsträger/-innen. Mehrere an Brustkrebs erkrankte Frauen in der Familie, das kombinierte Vorkommen von Brust- und Eierstockkrebs, frühe Mammakarzinome (<40 Jahre), beidseitige Mammakarzinome, Mammakarzinome bei Männern oder ­spezielle Tumorcharakteristika (TNBC) des Mammakarzinoms in der Familien- und/oder Eigenanamnese können hinweisend auf das Vorliegen eines HBOC Syndroms sein.

Es gibt jedoch auch weitere Gene, die in diesem ­Kontext relevant sind. Unter anderem bergen auch pathogene Mutationen der Gene RAD51C, RAD51D, BRIP1 und PALB2 ein zumindest moderates Krebs­risiko für Ovarial-/Tubenkarzinome. Physiologisch sind all diese Gene an DNA-Reparaturmechanismen beteiligt. Mutationen können zu einer eingeschränkten Funktion der homologen Rekombination (HR) führen, die eine der beiden Hauptmechanismen zur Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen darstellt. Etwa 15–25 % der Brust- und Eierstockkrebserkrankungen stehen mit Mutationen in diesem Reparaturweg in Zusammenhang.

Bei einer pathogenen BRCA1-Mutation besteht ein lebenslanges Risiko von 55 bis 72 % für das Auftreten von Brustkrebs und von 39 bis44 % für einen Eierstockkrebs. Bei BRCA2-Trägerinnen liegt das Lebenszeitrisiko für Brustkrebs bei 45–69 % und für Eierstockkrebs bei 11–17 % (bis zum Alter von 80 Jahren).

Strategien zur Risikoreduktion

Frauen mit pathogenen BRCA1/2-Mutationen sollten in spezialisierten Sprechstunden betreut werden, in denen eine individualisierte Beratung erfolgt. Neben den Konsequenzen einer Testung für die Patientin und deren Familienangehörige sollten in der Beratung auch die Erkennung von Symptomen sowie Massnahmen zur Risikoreduktion und deren Folgen diskutiert werden. Bei jungen Frauen mit offener Familienplanung kann eine fertilitätsmedizinische Beratung ebenfalls sinnvoll sein. Ein individualisierter Betreuungsansatz, der die individuelle Situation der Ratsuchenden berücksichtigt, ist entscheidend.

Überwachung/Früherkennung bei Eierstockkrebs

Mehrere gross angelegte Studien aus Grossbritannien konnten zeigen, dass eine intensivierte Früherkennung (basierend auf Ultraschall und Biomarkern) nicht ­ausreichend ist, um das Auftreten fortgeschrittener Ovarial-/Tubenkarzinome zu vermeiden.

Daher gilt die risikoreduzierende beidseitige Salpingo-Oophorektomie (RRBSO) nach wie vor als Goldstandard bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen. Metaanalysen zeigen eine Risikoreduktion des Ovarial-/Tubenkarzinomrisikos um ca. 81 %.

In 3–5 % werden im Rahmen solcher Operationen auch inzidentelle Karzinome oder intraepitheliale Karzinome (seröses intraepitheliales Karzinom, STIC) diagnostiziert.

Das Entstehen sogenannter primärer Peritonealkarzinome nach prophylaktischer bilateraler Salpingoovarektomie ist leider dennoch möglich und in der Literatur beschrieben. Aktuelle Daten lassen aber vermuten, dass es sich in diesen Fällen zu einem grossen Teil um initial nicht diagnostizierte Fälle von STIC handelte. STIC-Läsionen messen in der Regel nur wenige Millimeter und können daher schnell übersehen werden. Im Falle risikoreduzierender Operationen bei BRCA-Mutationsträgerinnen wird die Tube daher im Sinne eines Ultrastagings aufgearbeitet (SEE-FIM Protokoll: Sectioning and Extensively Examining the Fimbriated End of the Fallopian Tube). Im Falle eines STIC besteht ein relevantes Risiko für das spätere Auftreten einer Peritonealkarzinose (10.5 % innerhalb von fünf Jahren), es sollte daher eine besondere Überwachung dieser Patientinnen erfolgen. Eine adjuvante Therapie wird bei Nachweis einer isolierten STIC-Läsion nicht empfohlen. Ohne den Nachweis eines STIC ist das Risiko des Auftretens einer späteren Peritonealkarzinose deutlich geringer (0.3 % innerhalb von fünf Jahren).

Der Operationszeitpunkt sollte individuell festgelegt werden. Bei BRCA1-Mutationen ist die RRBSO bereits zwischen 35 und 40 Jahren empfohlen, da das Krebsrisiko bei diesen deutlich früher steigt. BRCA2-Mutationsträgerinnen empfiehlt man die RRBSO ­zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr. Frauen mit Mutationen in RAD51C, RAD51D, BRIP1 und PALB2 können etwas später die RRBSO durchführen lassen, hier lautet die Empfehlung frühestens ab dem 45. Lebensjahr. Auch das früheste Auftreten einer ­allfälligen Krebserkrankung in der Familie sollte berücksichtigt werden. Ebenso muss die Familienplanung hierbei mit in Betracht gezogen werden.

Risiken der vorzeitigen Menopause wie kardiovaskuläre Risiken sowie ungünstige Auswirkungen auf ­Knochengesundheit und Sexualität müssen ausführlich mit den betroffenen Frauen diskutiert werden.

Eine gleichzeitige Hysterektomie wird gemäss aktueller Leitlinien nicht empfohlen. Gerade bei BRCA1-Mutationen ist das Risiko für ein Endometriumkarzinom etwa dreifach höher als bei Nicht-Genträgerinnen, v. a. auch der aggressive seröse Subtyp wird häufiger diagnostiziert. Eine Hysterektomie kann individuell diskutiert werden, insbesondere da dann auch eine Östrogenmonotherapie zum Hormonersatz infrage kommt.

Eine Hormonersatztherapie (HRT) sollte in jedem Fall bereits präoperativ besprochen werden. Bei prämenopausalen Frauen ohne persönliche Brustkrebserkrankung wird eine HRT als sicher erachtet.

Lynch-Syndrom (LS)

Das Lynch-Syndrom, früher bekannt als hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC), wird autosomal-dominant vererbt. In der Allgemeinbevölkerung ist das Lynch-Syndrom weit weniger als BRCA bekannt, obwohl es bei bis zu 1 von 300 Personen auftritt und somit zu den häufigsten erblich bedingten Krebssyndromen gehört.

Frauen mit Lynch-Syndrom haben je nach zugrundeliegender Mutation ein Lebenszeitrisiko von bis zu 60 % für ein Endometriumkarzinom und bis zu 20 % für Ovarial-/Tubenkarzinom. Das Endometriumkarzinom ist der häufigste extra-kolorektale Tumor bei LS und tritt häufig vor einem kolorektalen Karzinom auf. Das Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms beträgt 15–90 %.

Die Ursache des Lynch-Syndroms sind Keimbahnmutationen in Genen der DNA-Mismatch-Reparatur oder der Verlust der Expression eines dieser Gene. Betroffene Gene sind MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2. Das Krebsrisiko, die Penetranz und das Erkrankungsalter variieren je nach spezifischer Mutation. Für die individuelle Risikoeinschätzung können Online-Tools eine wertvolle Hilfe darstellen (z. B. https://plsd.eu).

Das Lynch-Syndrom ist zudem mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl weiterer Tumoren assoziiert (Urothelkarzinome, Tumore des oberen GI-Traktes sowie des Pankreas und des Gehirns).

Seit einigen Jahren werden alle Endometriumkarzinomfälle auf Eigenschaften untersucht, die auf das Vorliegen eines Lynch-Syndroms hinweisen. Mittels immunhistochemischer Färbung des Tumorgewebes kann auf das Vorhandensein respektive den Verlust der Mismatch-Reparaturproteine getestet werden. Die Immunhistochemie hat eine Sensitivität von 80–100 % und eine Spezifität von 60–80 % für die Detektion eines Lynch-Syndroms. Alternativ kann molekulargenetisch die sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI) überprüft werden, die eine Sensitivität von ca. 92 % und eine Spezifität von 59 % aufweist.

Wenn diese Verfahren Hinweise auf ein Lynch-Syndrom ergeben und/oder die Familienanamnese der Patientin ein solches vermuten lässt, sollte die Patientin zur genetischen Beratung und Testung überwiesen werden. Die Bestätigung des Verdachts erfolgt durch die Keimbahntestung.

Risikoreduktion zur Vermeidung gynäkologischer Krebserkrankungen bei Frauen mit Lynch-Syndrom

Im Gegensatz zur Darmkrebs-Früherkennung ist ein Nutzen von Screening-Programmen für Endometrium- oder Eierstockkrebs bei LS nicht belegt. Dennoch sollten Mutationsträgerinnen entsprechend ­beraten werden. Die Beratung sollte alle Optionen der Risikoreduktion umfassen: Früherkennung, Lebensstilmanagement, hormonelle Chemoprävention und operative Massnahmen.

Lebensstilmanagement

Risikofaktoren für das Endometriumkarzinom stellen Alter, Übergewicht, Diabetes, Kinderlosigkeit, ­Tamoxifen-Therapie sowie die frühe Menarche/späte Menopause dar. Als einziger Faktor hiervon lässt sich das Übergewicht mit konsekutivem metabolischem Syndrom per Lebensstilintervention beeinflussen.

Hormonelle Prävention

Die orale Kontrazeption und das levonorgestrelhaltige Intrauterinpessar senken das Risiko für Endometrium- und Ovarialkarzinome in der Allgemeinbevölkerung. Obwohl ihr Nutzen bei LS nicht durch Studien belegt ist, kann ihre Anwendung diskutiert werden. Frauen sollten über Symptome von Endometrium- und Eierstockkrebs aufgeklärt werden. Auch wenn es keine nachgewiesene Wirksamkeit eines Screenings auf Endometriumkarzinom bei LS gibt, können ab einem Alter von 30 bis 35 Jahren (oder 10 Jahre vor dem jüngsten Krankheitsfall in der Familie) regelmässige transvaginale Ultraschalluntersuchungen mit ggf. Endometriumbiopsien diskutiert werden.

Chirurgische Risikoreduktion

Frauen mit LS kann eine prophylaktische Hysterektomie mit bilateraler Salpingo-Oophorektomie angeboten werden – in der Regel ab etwa 40 Jahren. Die genaue Altersgrenze richtet sich nach Art der Mutation (s. o., individuelle Risikoeinschätzung), familiärer Krankheitsgeschichte, Familienplanung und Kinderwunsch und individueller Präferenz. Eine anschliessende Hormonersatztherapie sollte bei vorzeitigem Menopauseneintritt zur Vermeidung von Morbidität und zur Erhaltung der Lebensqualität angeboten ­werden. Idealerweise erfolgt sie im Sinne einer transdermalen alleinigen Östrogensubsitution.

Seltene Syndrome in genetischen Sprechstunden für gynäkologische Krebserkrankungen

Cowden-Syndrom

Das Cowden-Syndrom ist selten (Inzidenz ca. 1:200 000) und gekennzeichnet durch das Auftreten multipler benigne Tumore (Hamartome) und ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten, darunter Mammakarzinom, Endometriumkarzinom, Schild­drüsenkrebs und kolorektales Karzinom. Das Lebenszeitrisiko für ein Endometriumkarzinom liegt bei etwa 30 %.

Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant. Mutationen betreffen das PTEN-Gen, welches funktionell ein Tumorsuppressorgen ist. Die Penetranz ist altersabhängig, ein überwiegender Teil der Betroffenen zeigt jedoch schon in sehr jungem Lebensalter (>20 Jahre) Symptome. Prophylaktische Operationen können angeboten werden; alternativ kann eine Überwachung individuell in Erwägung gezogen werden.

Li-Fraumeni-Syndrom

Das Li-Fraumeni Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbbare Erkrankung, die mit multiplen Tumoren einhergeht, welche oft im frühen Lebensalter auftreten. Die Inzidenz wird auf 1:500–1:20 000 geschätzt. Ursache des Syndroms ist in der Regel eine Keimbahnmutation eines Tumorsuppressors, des für das p53-Protein codierenden TP53-Gens. Das Risiko, bis zu einem Alter von 30 Jahren an einem Krebsleiden zu erkranken, beträgt 50 %. Insgesamt ist das Risiko für das Auftreten eines Karzinoms um das 24-fache gegenüber Nicht-Genträgern erhöht. Hirntumore, Nebennierentumore und Sarkome werden besonders häufig diagnostiziert. Auch das Mammakarzinomrisiko ist um das 36-fache erhöht.

Die Betreuung der Patientinnen muss individuell erfolgen, vor allem sollten intensivierte Früherkennungsmassnahmen ergriffen werden. Jährliche Ganzkörper-MRI und regelmässige Koloskopien werden unter anderem empfohlen. Auch eine intensivierte Brustkrebs-Früherkennung sollte stattfinden im Sinne eines jährlichen Mamma-MRI. Bei einem Lebenszeitrisiko von 80 bis 90 % für ein Mammakarzinom kann die bilaterale risikoreduzierende Mastektomie diskutiert werden. Weitere prophylaktische Operationen werden eher zurückhaltend diskutiert, da ihr Nutzen umstritten ist. Grundsätzlich gilt es, externe Noxen (auch Röntgenstrahlung, Strahlen- und Chemotherapien) bei Patientinnen mit Li-Fraumeni-Syndrom zu vermeiden, da diese das Risiko für weitere Tumorerkrankungen potenziell erhöhen.

Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)

Beim Peutz-Jeghers-Syndrom fallen Betroffene durch das Auftreten von Darmpolypen und stark pigmentierten Flecken auf Haut und Schleimhäuten auf. Diese Veränderungen treten meist bereits in den ersten Lebensjahrzehnten auf. Auch dieses Syndrom wird autosomal-dominant vererbt und ist ebenfalls selten (1:50 000 bis 1:200 000). Verantwortlich ist eine Mutation im STK11/LKB1-Gen, welches ebenfalls den Tumorsupressorgenen zugeordnet wird.

Das Lebenszeitrisiko für das Auftreten von Malignomen wird auf 85 % beziffert, neben Tumoren des Gastrointestinaltraktes treten auch Mammakarzinome, Keimstrang-Stroma-Tumore des Ovars und atypische Zervixkarzinome (z. B. im Sinne eines Adenoma malignum) vermehrt auf.

Letztere sind häufig HPV-negativ, sodass die konventionelle Zytologie einen hohen Stellenwert in der Früherkennung hat.

Fazit
Die Genetik spielt in der Früherkennung, Diagnose und Behandlung gynäkologischer Krebserkrankungen eine immer grössere Rolle. Insbesondere die Beratung und Betreuung gesunder Genträgerinnen ist herausfordernd. Mit den Fortschritten in der Genomforschung nähern wir uns zunehmend einer individualisierten Medizin.

Literatur

  1. Amirthanayagam A, Crawford R., Genetics in gynaeoncology: ­diagnostic and therapeutic implications. Obst Gyn and Reprod Med 2021 (32)
  2. Crosbie EJ, et al., The Manchester International Consensus Group recommendations for the management of gynecological cancers in Lynch syndrome. Genet Med 2019 (21)
  3. De Andrade KC et al., Cancer incidence, patterns, and genotype–phenotype associations in individuals with pathogenic or likely pathogenic germline TP53 variants: an observational cohort study. The Lancet Oncology 2021 (22:12)
  4. Gayther SA, Pharoah PDP, The inherited genetics of ovarian and endometrial cancer. Curr Opin Genet Dev 2010 (20)
  5. Marchetti C et al., Risk-reducing salpingo-oophorectomy: a meta-analysis on impact on ovarian cancer risk and all-cause mortality in BRCA 1 and BRCA 2 mutation carriers. BMC Womens Health. 2014 (14:150)
  6. Rebbeck T et al., Meta-analysis of risk reduction estimates associated with risk-reducing salpingo-oophorectomy in BRCA1 or BRCA2 mutation carriers. Meta-Analysis J Natl Cancer Inst 2009 (101:2)
  7. Steenbeek MP et al., Risk of Peritoneal Carcinomatosis AfterRisk-Reducing Salpingo-Oophorectomy: A Systematic Review and Individual Patient Data Meta-Analysis. J Clin Oncol 2022 (40)
  8. Stoll S. et al., Update Swiss guideline for counselling and testing for predisposition to breast, ovarian, pancreatic and prostate cancer. Swiss Med Wkly. 2021 (51)
  9. Sundar S et al., British Gynaecological Cancer Society/British Association of Gynaecological Pathology consensus for germline and tumor testing for BRCA1/2 variants in ovarian cancer in the United Kingdom. Int J Gynecol Cancer 2021 (31:272)
  10. NICE (DG42). Testing strategies for Lynch Syndrome in people with endometrial cancer, Oct 2021
  11. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®) Version 3.2025, National Comprehensive Cancer Network® (NCCN®), Genetic/Familial High-Risk Assessment: Breast, Ovarian, Pancreatic, and Prostate Version 3.2025 —NCCN.org
  12. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®) Genetic/Familial High-Risk Assessment: Colorectal, Endometrial, and Gastric Version 1.2025 —NCCN.org

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen
loading