Auflösung Sonoquiz 01/25

Bilaterale, kongenitale Katarakt

Im vorgestellten Bild (FHA 1/25) sieht man anstelle der typischen Linsendarstellung (echogener Ring mit echoleerem Zentrum) beidseits eine echoreiche „double ring“-Struktur innerhalb der Orbitae. Dieser Befund lässt den Verdacht auf eine bilaterale kongenitale Katarakt aufkommen. Zur ätiologischen Abklärung erfolgte eine Amniozentese. Die maternalen Serologien sowie die PCR-Diagnostik aus Fruchtwasser auf Röteln, Cytomegalievirus, Toxoplasmose und Herpes-simplex-Viren ergaben keinen Hinweis auf eine infektiöse Genese. Auch die quantitative Fluoreszenz-PCR (QF-PCR) sowie eine chromosomale Mikroarray-Analyse waren unauffällig.

Es wurde eine weiterführende Trio-Exomsequenzierung durchgeführt. Hierbei ergab sich der Nachweis einer heterozygoten Missense-Variante im CRYGC-Gen (c.398T>C; p.[Leu133Pro]), die gemäss ACMG-Kriterien als „wahrscheinlich pathogen“ eingestuft wurde. Die Variante war in den elterlichen DNA-Proben nicht nachweisbar, sodass von einer De-novo-Entstehung beim Fetus ausgegangen wurde. Das CRYGC-Gen kodiert für das Gamma-C-Kristallin, ein strukturell essenzielles Protein der Augenlinse. Heterozygote Mutationen in diesem Gen sind mit isolierten kongenitalen Katarakten assoziiert, extraokuläre Manifestationen sind in der Regel nicht beschrieben. Somit wurde die Diagnose eines isolierten Katarakt-Syndroms (CTRCT2) gestellt. Im Verlauf erfolgte ein präpartales ophthalmologisches Konsil. Der weitere Schwangerschaftsverlauf war unauffällig mit gutem Intervallwachstum des Feten im unteren Perzentilenbereich. In der 38. Schwangerschaftswoche Geburt eines Mädchens (Geburtsgewicht 2670 g, P10; Länge 47 cm, P12; KU 32,5 cm, P5). Fünf Wochen postnatal erfolgte die Linsenabsaugung bds. mit Vitrektomie durch die Ophthalmologen (Abb. 1)

Die kongenitale bzw. fetale Katarakt beschreibt eine angeborene Trübung der Augenlinse, die bereits intrauterin bestehen kann und eine der führenden Ursachen für kindliche Sehbehinderungen und Erblindung darstellt. Ihre Inzidenz liegt bei etwa 1–6/10 000 Lebendgeburten in Industrieländern und bei etwa 5–15/10 000 Lebendgeburten in den ärmsten Regionen der Welt. Es ist ein heterogenes Krankheitsbild mit vielfältigen Ursachen (Tabelle 1). Sie kann isoliert oder im Rahmen systemischer Erkrankungen und in Assoziation mit anderen intra- oder extraokulären Anomalien auftreten. Bilaterale Katarakte sind dabei häufiger mit systemischen Erkrankungen assoziiert, während unilaterale Formen meist isoliert auftreten.

Die fetale Linse kann sonographisch bereits in der 13.–14. Schwangerschaftswoche als echogener Ring mit echoleerem Zentrum im Ultraschall dargestellt werden. Bei Vorliegen einer Katarakt zeigt sich typischerweise eine echogene Trübung innerhalb der Linse. Je nach Ausmass und der Lokalisation der Trübung lassen sich unterschiedliche sonographische Erscheinungsbilder differenzieren, darunter eine vollständig dichte echogene Linse, fokale hyperechogene Flecken oder das charakteristische „double ring“-Zeichen. Differenzialdiagnostisch müssen andere intraokuläre Pathologien berücksichtigt werden, insbesondere ein persistierender hyperplastischer primärer Glaskörper (PHPV) (Abb. 2C), ein Retinoblastom oder intraokuläre Blutungen. Linsenpathologien sind sehr oft mit Mikro- und Makroophthalmie assoziiert.

Die Diagnose einer fetalen Katarakt sollte immer Anlass zu einer erweiterten sonographischen Feindiagnostik geben, um assoziierte Fehlbildungen auszuschliessen. Zu den häufigsten begleitenden Auffälligkeiten zählen eine Mikrophthalmie und Anomalien des Herzens oder Zentralnervensystems. Zusätzlich müssen eine infektiologische Abklärung (TORCH Serologien) und eine genetische Diagnostik (je nach Befundkonstellation bis zur Trio-Exomsequenzierung erweitert) erfolgen. Eine präpartale ophthalmologische Beratung der werdenden Eltern ist essenziell, um die postnatale Versorgung frühzeitig zu planen. Die Behandlung der kongenitalen Katarakt erfolgt in der Regel durch eine chirurgische Entfernung der Linse, meist im Alter von vier bis sechs Lebenswochen, um das Risiko einer irreversiblen Amblyopie oder eines Sehverlusts zu minimieren.

Der funktionelle Langzeitverlauf ist wesentlich von der zugrundeliegenden Ätiologie und dem Vorliegen begleitender Anomalien abhängig. Bei isolierten Kataraktformen stellt der Zeitpunkt der Diagnose und Intervention einen entscheidenden Prognosefaktor dar. Früh erkannte und adäquat behandelte Katarakte zeigen in vielen Fällen ein gutes visuelles Outcome. Trotzdem wird die Mehrzahl der isolierten kongenitalen Katarakte bislang erst postnatal diagnostiziert. Die gezielte sonographische Untersuchung der fetalen Linse im Rahmen des Anomalie-Screenings könnte die pränatale Erkennungsrate verbessern und somit das Management sowie den funktionellen Verlauf positiv beeinflussen.

Literatur
  1. Qin Y et al. Prenatal Diagnosis of Congenital Cataract: Sonographic Features and Perinatal Outcome in 41 Cases. Ultraschall Med. 2022 Dec; 43(6):e125–e134. doi: 10.1055/a-1320-0799
  2. Honavar SG, et al. Congenital cataract: etiology, morphology, and management. Indian J Ophthalmol. 2019; 67(9):1340–50. doi: 10.4103/ijo.IJO_1166_18
  3. Kagan KO et al. Fetal eye ultrasound: Normal anatomy, abnormal findings, and clinical impact Ultraschall in Med 2024; 45:450–74
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