Fitness und männliche Fertilität: Masshalten! / Was wünschen sich Personen, die für eine Drittlinientherapie bei OAB infrage kommen? / Neurologische Störungen und Zustand nach Präeklampsie / Nervenschonende OP bei tief infiltrierender Endometriose / Erfolgreiche Pessartherapie bei Urogenitalprolaps / Angiogene Faktoren bei kleinen Feten / Axillachirurgie bei Brustkrebs – erste Ergebnisse des INSEMA Trials
Man hat immer vermutet, dass körperliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die Spermienqualität hat wegen positiver metabolischer und endokrinologischer Effekte. Eine Verschlechterung durch übermässige Aktivität soll durch eine Störung der hypothalamisch-hypophysären Achse, vermehrten oxydativen Stress und chronisch entzündliche Prozesse vermittelt werden.
Die vorliegende Untersuchung, die Teil der grossen FAST-Studie ist (Fertilità, Ambiente, Alimentazione, STile di Vita) ist eine prospektive randomisierte Studie mit 143 Probanden, die den Einfluss unterschiedlicher physischer Aktivitätsstufen und Spermienqualität über einen achtmonatigen Zeitraum untersuchte.
Die Autoren fanden eine inverse U-förmige Korrelation bei normalgewichtigen, abstinenten, gesunden jungen Männern (18–23 Jahre alt). Das Kollektiv hatte eine mediane PA (Physische Aktivität) von 1966 MET (Metabolic Equivalent Task/Minute/Woche).
Eine mässige PA (600–2999 MET/Min/Woche) führte zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der progressiven Spermienmotilität und zu einem Trend zur Verbesserung der Morphologie.
Eine niedrige PA hingegen (<600 MET/Min/Woche) und eine hohe PA (> 3000 MET/Min/Woche) verschlechterten beide die Motilität signifikant und mit einem Trend zur Verschlechterung der Morphologie (Donato F et al., Fertil. Steril 2025; 123:88–96).
Kommentar
Der
Vorteil dieser Studie ist ihre prospektive Natur und eine homogene junge,
gesunde Population. Ein Nachteil war, dass nicht alle „confounding factors“
berücksichtigt wurden (Einfluss von Stress, Schlaf, Essen, Testisvolumen).
Man
erklärt die U-förmige Korrelation als Phänomen „Hormesis“ (wenig und
viel = negativ). Während man bei mässiger Aktivität eine Verbesserung der Zirkulation,
Erniedrigung des oxydativen Stresses und hormonelle Normalfunktion postuliert,
soll exzessive Aktivität den oxidativen Stress, eine Störung der
hypothalamisch-hypophysären Achse und erhöhte Kortisonspiegel zur Folge haben.
Die negativen Auswirkungen übermässiger körperlicher Aktivität bei Frauen
beruhen auf ähnlichen pathophysiologischen Mechanismen. Nicht untersucht worden
ist, ob körperliche Aktivität auch einen signifikanten Einfluss bei bereits
pathologischen Spermiogrammen hat.
Es
macht Sinn, die Partner unserer Kinderwunschpatientinnen über diesen
Zusammenhang aufzuklären und zu körperlicher Aktivität zu motivieren.
Ein
weiteres Argument für Sport mit Mass.
Michael K. Hohl
Nach der konservativen Therapie mit Anticholinergika, Betamimetika und Blasentraining kommen bei Patientinnen mit überaktiver Blase (OAB) und Versagen die Drittlinientherapien infrage.
Prinzipiell stehen dafür Botox (BTX-A), perkutane Nervenstimulation (PTNS) oder sakrale Neuromodulation(SNM) zur Verfügung.
Eine kürzliche Option ist der implantierbare tibiale Nervenstimulator (ITNS). Die hier vorliegende Online-Befragung von Patienten, die für eine Drittlinientherapie infrage kommen, sollte die Bevorzugung der PatientInnen nach Einführung der ITNS analysieren.
Eingeschlossen konnten in die Befragung 485 TeilnehmerInnen, wovon 62,5 % weiblich waren. Vor Befragung erhielten die TeilnehmerInnen noch zusätzliche Informationen über die eher neuere Therapie des ITNS.
Ein Drittel hatte bereits eine medikamentöse Therapie ausprobiert, 10,3 % bereits eine Drittlinientherapie ausprobiert. Mit Information über ITNS bewerteten die Teilnehmenden die für sie attraktivste Therapie wie folgt: 27.6 % BTX-A, 19.2 % PTNS, 7.8 % SNM und 19.2 % ITNS. Die Anzahl derjenigen, die sich gar nicht für eine Drittlinientherapie interessierten, ging um 4.7 % zurück (Kapur A et al., Shifts in patients preference of third line overactive bladder therapy after introduction of the implantable nerve stimulator, Neurourol Urodyn 2024; 43[4]:959–66).
Kommentar
Offenbar
finden Personen mit OAB, denen eine Drittlinientherapie vorgeschlagen wird,
die implantierbare Version der Tibialis anterior-Stimulation interessant und
attraktiv. Sie unterscheidet sich durch geringeren Zeitaufwand und geringere
Invasivität von SNM. Aktuell ist ITNS hier noch nicht zugelassen, sondern
gerade erst in den USA. Etwas überraschend fand ich, dass nur ein Drittel zuvor
eine medikamentöse Therapie ausprobiert hatten, was hier in der Schweiz gemäss
Vorgaben eine Bedingung für eine Drittlinientherapie ist.
Annette Kuhn
Nun, wir haben in den letzten Jahrzehnten gelernt, dass hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, speziell die Präeklampsie, als eine Komplikation einer subklinischen, vorbestehenden kardiovaskulären Störung interpretiert wird, welche durch die Schwangerschaftsbelastung manifest wird, und dass diese Frauen ein lebenslang erhöhtes Risiko haben, an kardiovaskulären Erkrankungen zu versterben (Abb. 1). Diese Erkenntnis ist auch unseren Kollegen der inneren Medizin und den Kardiologen bewusst geworden und wir erleben eine zunehmende Sensibilisierung für diese Assoziation auch in deren Fachzeitschriften. In anderen Worten, wir Geburtshelfer werden auch wahrgenommen! Das ist gut so. Je mehr sich andere medizinische Fachrichtungen (nicht nur Nephrologen) mit dieser Problematik auseinandersetzen, desto mehr lernen wir und desto wichtiger ist es, die Frauen zu sensibilisieren, eine langfristige Nachsorge zu organisieren und Massnahmen zur Gesunderhaltung zu planen.
Nun, das wissen wir alles aus vielen Artikeln in der FHA aus den letzten Jahren. Es gibt aber eine Fachrichtung, welche offenbar auch aufmerksam geworden ist auf eine Häufung von Symptomen aus deren Fachgebiet und Zustand nach hypertensiven Komplikationen in der Schwangerschaft. Es sind die Neurologen. Das erstaunt mich nicht unbedingt, da eine schwere Hypertonie, inflammatorische Prozesse im ZNS, Hirnödem oder Infarkte doch auch Spuren hinterlassen können. Natürlich kommt diese Erkenntnis aus dem schwedischen Geburtenregister. Diese nordischen medizinischen Register sind wirklich eine Quelle von Informationen, welche ihresgleichen suchen. In einer kürzlich erschienenen Studie publiziert im JAMA konnte gezeigt werden, dass Primigravidae mit Zustand nach hypertensiven Komplikationen in der Schwangerschaft (Gestationshypertonie, Präeklampsie und Eklampsie) signifikant häufiger innerhalb von Monaten oder Jahren (Follow-up bis 15 Jahre) nach der ersten Geburt an Migräne, Kopfschmerzen, Epilepsie, Schlafstörungen und mentaler Erschöpfung leiden (Abb. 2). Insgesamt war das Risiko gegenüber normotensiven Schwangerschaften ca. 30–70 % höher, wobei die stärkste Assoziation zwischen Eklampsie und späterer Epilepsie gefunden wurde (Friis T et al., JAMA Neurol, 23, 2024).
In Bern pflegen wir schon seit mindestens 25 Jahren Frauen mit Zustand nach Präeklampsie in ein Nachsorgeschema einzubinden. Die Erkenntnis dieser vorgestellten, populationsbasierten Registerstudie wird meine/unsere Aufmerksamkeit sicher auch auf diese Problematik lenken.
Luigi Raio
Eine aktuelle Studie der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern untersuchte Blasenfunktionsstörungen nach der chirurgischen Behandlung tief infiltrierender Endometriose (DIE).
Bei 51 Patientinnen wurde vor und sechs Wochen nach der Operation eine urodynamische Untersuchung durchgeführt, um zu analysieren, ob die Blasenfunktion durch die Erkrankung oder den chirurgischen Eingriff beeinträchtigt wird.
Die Ergebnisse zeigen, dass bereits vor der Operation bei 20 % der Patientinnen Blasenfunktionsstörungen vorlagen. Nach dem Eingriff blieben die Werte weitgehend stabil: Der maximale Harnfluss veränderte sich kaum (22,1 ml/s vor der OP vs. 21,5 ml/s nach der OP) (siehe Abb. 3), während der Blasenkontraktionsindex leicht sank. Eine signifikante Verschlechterung der Blasenfunktion konnte nicht festgestellt werden. Gleichzeitig verbesserten sich typische Endometriose-Symptome wie Dysmenorrhoe, chronische Bauchschmerzen und Dyspareunie signifikant nach der Operation.
Besonders auffällig war, dass Patientinnen, die zusätzlich eine Hysterektomie oder eine Darmresektion erhielten, stärkere Veränderungen der Blasenfunktion zeigten. Daher wird bei diesen Patientinnen eine postoperative sonografische Messung des Blasenrestharns empfohlen, um mögliche Funktionsstörungen frühzeitig zu erkennen. Eine routinemäßige urodynamische Untersuchung vor der Operation ist jedoch nicht erforderlich (Villiger AS et al., J. Clin. Med. 2024; 13, 7367).
Kommentar
Die
Studie unterstreicht die Bedeutung der nervenschonenden Chirurgie bei
DIE-Patientinnen und zeigt, dass der Eingriff die Blasenfunktion nicht
beeinträchtigt, dafür aber bestehende Beschwerden lindert.
Michael D. Mueller
Pessare können für Patientinnen mit urogenitalem Prolaps eine gute Option sein. In einer prospektiven Studie mit über 200 Patientinnen wurde untersucht, welche Faktoren mit einem Abbruch/Scheitern der Pessartherapie assoziiert sind.
Die Patientinnen wurden nach 1, 6 und 12 Monaten nachverfolgt. Insgesamt verwendeten nach 12 Monaten noch 60 % aller Patientinnen weiterhin ein Pessar. Die Zufriedenheitsrate dieser Patientinnen war hoch (90%), die langfristige weitere Therapie für fünf Jahre oder länger war für 86 % vorstellbar. 40 % der Patientinnen hatten nach einem Jahr die Pessartherapie abgebrochen, die wiederholte Expulsion war der häufigste Grund hierfür. Folgende Faktoren waren mit einem Therapieabbruch assoziiert: ein jüngeres Patientinnenalter, Status nach Prolapsoperation, eine ausgeprägte Rektozele und eine hohe Symptomlast durch den Prolaps (erhoben mit einem standardisierten Fragebogen). Als anatomische Faktoren waren ein weiter genitaler Hiatus und eine kurze Vagina mit einem Therapieabbruch assoziiert (Pizzoferrato AC et al., EJOG 2025 ; 306: 47–53
Kommentar
Nach
wie vor stellt die Pessarversorgung eine gute Behandlungsoption für viele
Patientinnen mit urogenitalem Prolaps dar. Die meisten in der Studie
aufgeführten Faktoren für einen Therapieabbruch überraschen nicht. Die hohe
Akzeptanz der Patientinnen für eine langfristige Pessartherapie ist
eindrücklich. Als Fazit könnte man sagen: wenn eine Patientin nach einem Jahr
zufrieden ist, sieht sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Pessar als mögliche
längerfristige Therapieoption.
Martin Heubner
Diese Frage ist zentral und beeinflusst unser Management erheblich. Wir wissen alle aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, ein „kleines Kind“ mit unseren diagnostischen Möglichkeiten wie Ultraschall, Doppler, CTG oder klinisch über den Symphysen-Fundusabstand zu erkennen. Das gilt ganz speziell für die späten Formen der „kleinen Feten“ in Terminnähe (>37 Wochen). Was diese Diskussion erheblich erschwert, ist die zusätzliche Grenzziehung zwischen den konstitutionell kleinen Kindern, welche auch als SGA (Small for Gestational Age) bezeichnet werden, und den eigentlichen Feten, welche einer Plazentainsuffizienz ausgesetzt sind, den IUWR’s (IntraUterine WachstumsRestrition). Die SGA haben ein niedriges Risiko für intrauterine oder postnatale Komplikationen, während die nutritiv kleinen Feten ein hohes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko aufweisen. Diese Schwierigkeit rührt eigentlich auch daher, dass SGA eigentlich eine epidemiologische Bezeichnung ist und streng genommen nichts über dessen Ätiologie aussagt.
Nun, zur Vereinheitlichung der Definition und des Managements v. a. von IUWR oder auch FGR (Fetal Growth Restriction) wurden viele Leitlinien publiziert, welche auch regelmässig überarbeitet werden.1–3 Diese definieren die Pathologie anhand des geschätzten fetalen Gewichts (EFW, EstimatedFetalWeight nach Hadlock), dem Abdomenumfang (AU) alleine oder der Wachstumsdynamik. Das Vorgehen hingegen richtet sich nach den feto-plazentaren, zerebralen, venösen und uterinen Dopplerparametern und dem Gestationsalter bei Diagnosestellung.
Als SGA wird eine Biometrie <P10 mit normaler Hämodynamik definiert und IUWR entweder <P10 mit auffälliger Hämodynamik (AREDF, PI NSA >P95) oder AU/EFW <P3. Man ist immer wieder ernüchtert, wenn man erfahren muss, wie gut unsere biometrischen Befunde ein tatsächliches Geburtsgewicht <P10 vorauszusagen vermögen. Eine Metaanalyse aus 21 Studien zeigte, dass in einem Niederrisikokollektiv ein geschätztes Gewicht (oder AU) <P10 nur in 38 % ein tatsächliches Geburtsgewicht <P10 vorhersagte.3 Das ist gleich zu verstehen, wie das Screening nach Trisomie 21 im ersten Trimenon. Je besser wir die Population beschreiben können, desto höher ist der Vorhersagewert eines positiven Screeningresultates. Diese Vorhersage ist auch abhängig vom Zeitpunkt der Untersuchung. Üblicherweise indizieren wir einen Schall in einer Risikopopulation meist zwischen 28 und 32 Wochen. Es konnte aber gezeigt werden, dass die Prädiktion eines Geburtsgewichtes <P10 und <P3 höher war, wenn man den Schall zwischen 35+0 und 36+6 Wochen plante (<P10: 38 % vs. 46 % und <P3: 52 % vs. 65%).4, 5 Wenn schon die Diagnose nicht einfach ist, so ist dessen Management nicht minder. Es ist nicht jedermanns Sache, Doppleruntersuchungen in verschiedenen fetalen Strömungsgebieten durchzuführen und auch zu interpretieren. Vor allem bei den „preterm“ kleinen Feten (32–37 Wochen) und den „term“-Fällen (>37 Wochen) ist es weiterhin nicht so klar, welche Parameter man nehmen soll, um die Entbindung zu indizieren.
Nun, eine spanische Gruppe hat kürzlich eine Arbeit mit dieser Thematik in nicht minder als der renommierten Zeitschrift Nature Medicine publiziert.6 Das Ziel dieser prospektiv randomisierten Arbeit war es zu zeigen, dass der Einsatz der Angiogenesefaktoren sFlt-1 und PlGF und dessen Ratio nicht schlechter ist als der feto-maternale Doppler v. a. in der Differenzierung zwischen SGA und IUWR am Termin (>37 Wochen) und in dessen Management. Wir haben in den letzten Jahren zunehmend gelernt, diese Angiogeneseparameter in der Risikoevaluation für hypertensive Komplikationen in der Schwangerschaft zu gebrauchen. Wenigen ist bekannt, dass sie auch im Screening und zur Risikostratifizierung von kleinen Feten sehr nützlich sein können.7 Die spanischen Kollegen haben ihre Studie aufgebaut wie im beiliegen Schema dargestellt (Abb. 4). In beiden Gruppen hatte sie klare Kriterien für eine sofortige Entbindung definiert. In der Interventionsgruppe war sFlt-1/PlGF ≥38 ein zusätzliches für die sofortige Entbindung. Und tatsächlich, sFlt-1/PlGF war nicht schlechter (auch nicht besser!) als EFW und Doppler, um einer neonatalen Azidose oder einer Sectio wegen suspektem CTG bei kleinen Feten nach 37 Wochen vorzubeugen. Diese Arbeit reiht sich ein in viele weitere in unserem Fachgebiet, welche zeigen, dass unser Handwerk zunehmend durch Laboruntersuchungen ersetzt wird. Kann sein. Diese Arbeit hat meines Erachtens aber schon einige Besonderheiten, welche mich stutzig machen. Man kann aus den Patientinnencharakteristika z. B. nicht herauslesen, wie viele der Kinder bei Geburt tatsächlich <P10 waren. Was auch verwunderlich ist, ist die Inzidenz einer Präeklampsie in diesem Hochrisikokollektiv. Die hatten lediglich 2,4 % Präeklampsien!? Auch die Sectiorate war phänomenal niedrig, lediglich 8%!? Ich weiss auch nicht, wieso sie eine sFlt-1/PlGF-Ratio von ≥38 genommen haben. Dieser Wert wurde verwendet, um die prognostische Aussagekraft für die Entwicklung einer Präeklampsie bei Frauen mit klinischen und/oder labormässigen Hinweisen einer imminenten Präeklampsie zu erhöhen.8 Aber vielleicht bin ich nur etwas allzu kritisch. Aber so wie es ausschaut, können wir damit einige unnötige Interventionen sparen wie z. B. zu frühe Einleitungen, weil das Kind geschätzt <P10 ist. Vielleicht hatten sie deswegen weniger Sectiones.
Literatur
1. Gordijn SJ et
al., Ultrasound Obstet Gynecol 2016; 48:333–9
2. ISUOG Practice
Guidelines: diagnosis and management of small-for-gestatinal-age fetus and
fetal growth restriction. Ultrasound Obstet Gynecol 2020; 56:298–312
3. Kehl S et al.,
Fetale Wachstumsrestriktion. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Level,
AWMF-Registernummer 015/080, Oktober 2024)
4. ISUOG Practice
Guidelines: performance of third-trimester obstetric ultrasound scan.
Ultrasound Obstet Gynecol 2024; 63:131–47
5. Caradeux J et al.,
Am J Obstet Gynecol 2019; 220:449–59.e19.
6. Mendoza M et al.,
Nature Medicine 2025; https://doi.org/10.1038/s41591-024-03421-9
7. Gaccioli, F. et
al., Lancet Child Adolesc. Health 2 2018; 569–81
8. Zeisler H. et
al., N Engl J Med. 2016; 7; 374:13–22. doi: 10.1056/NEJMoa1414838. PMID:
26735990
Luigi Raio
Bisher war es unklar, ob auf ein chirurgisches axilläres Staging im Rahmen einer brusterhaltenden Therapie verzichtet werden kann, ohne das Überleben zu beeinträchtigen.
Reimer et al. haben das in der INSEMA-Studie untersucht. In dieser prospektiven, randomisierten Studie mit non-inferiorem Design wurde der Verzicht auf eine Sentinellymphodektomie (SLNE) mit der Standard-SLNE verglichen bei Patientinnen mit klinisch nodal-negativen invasiven T1- oder T2-Mammakarzinomen (Tumorgrösse ≤5 cm), bei denen eine brusterhaltende Operation (BET) geplant war. Um die Nichtunterlegenheit des Verzichts auf eine axilläre Operation nachzuweisen, musste die 5-Jahres-Rate des invasiven krankheitsfreien Überlebens mindestens 85% betragen und die obere Grenze des Konfidenzintervalls für die Hazard Ratio für invasive Erkrankung oder Tod musste unter 1,271 liegen.
Insgesamt wurden 5502 Patientinnen in einer 1:4-Ratio randomisiert (90% mit cT1 und 79% mit pT1). Die per-protocol-Gruppe, die in die Auswertung einging, umfasste 4858 Patientinnen; 962 hatten keine axilläre Intervention und 3896 erhielten eine SLNE. Alle Patientinnen mussten neben einer klinisch unauffälligen Axilla auch einen präoperativen axillären Ultraschall ohne Auffälligkeiten haben. Das mediane Follow-up lag bei 73.6 Monaten. Das geschätzte 5-Jahres invasive krankheitsfreie Überleben war 91.9% (95% KI, 89.9–93.5) bei den Patientinnen ohne SLNE und 91.7% (95% KI, 90.8–92.6) bei Patientinnen in der SLNE-Gruppe. Die Hazard Ratio lag mit 0.91 (95% KI, 0.73–1.14) unter der festgelegten Non-Inferiority-Schwelle.
Die Inzidenz von axillären Rezidiven war gering (1.0% in der Gruppe ohne SLNE vs. 0.3% in der SLNE-Gruppe). Todesfälle traten in 1.4% in der Gruppe ohne SLNE auf und in 2.4% in der SLNE-Gruppe. Das Gesamtüberleben lag bei 98.2% in der Gruppe ohne SLNE vs. 96.9% in der SLNE-Gruppe (HR 0.69; 95% KI 0.46–1.02). Die Analyse des Risikoprofils zeigte, dass Patientinnen ohne Axillachirurgie eine niedrigere Inzidenz von Lymphödemen, bessere Armbeweglichkeit und weniger Schmerzen hatten im Vergleich zu denjenigen, die eine SLNE erhielten.
Die Autoren schlussfolgerten, dass bei Patientinnen mit klinisch nodal-negativen Karzinomen im Stadium T1 und T2 der Verzicht auf eine SLNE nicht-inferior war gegenüber einer SLNE nach einem medianen Follow-Up von 6 Jahren.
Kommentar
Diese
grosse prospektiv-randomisierte Studie bestätigt die Daten der SOUND-Studie,
die auch zu dem Schluss kam, dass bei gut selektionierten Patientinnen auf ein
axilläres Staging verzichtet werden kann. Voraussetzung für den Verzicht auf
eine axilläre Intervention ist – neben der klinischen Beurteilung der
Axilla – ein unauffälliger präoperativer Ultraschall. 90% der Patientinnen
hatten Tumoren bis 2 cm Grösse, nur 11% der Patientinnen waren jünger als
50 Jahre, >90% der Patientinnen hatten HR-positive/HER2-negative
Karzinome und nur 3.6% hatten G3-Karzinome. Damit kann man den Verzicht auf ein
axilläres Staging mittels SLNE bei postmenopausalen Patientinnen über
50 Jahre mit Niedrig-Risiko-Karzinomen (T1, klinisch + sonographisch N0,
G1/G2, HR+/HER2neg, duktale Histogie) empfehlen.
Literatur
1. Reimer T. et al., Axillary Surgery in Breast Cancer – Primary Results of the INSEMA Trial. N Engl J Med 2025; 392:1051–64. DOI: 10.1056/NEJMoa2412063
Cornelia Leo