19. St. Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC) – 12.–15. März, Wien
Die 19. St. Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC) fand vom 12. bis 15. März 2025 im Austria Center Vienna statt und versammelte über 3000 Delegierte aus mehr als 90 Ländern. Die Konferenz bot ein umfassendes Update zu allen relevanten Aspekten der Behandlung des frühen Brustkrebses und beinhaltete hochkarätige Vorträge sowie Diskussionen zu aktuellen Kontroversen.
Zu den diskutierten Themen gehörten unter anderem:
Ein zentrales Thema war die Bewertung des klinischen Nutzens von Liquid Biopsies, insbesondere im Hinblick auf die Identifizierung von Patientinnen mit erhöhtem Rezidivrisiko. In diesem Zusammenhang betonte Prof. Dr. Wolfgang Janni von der Universität Ulm, dass Liquid Biopsies ausserhalb klinischer Studien derzeit nicht empfohlen werden. Er wies jedoch darauf hin, dass Ergebnisse aus solchen Studien die Berücksichtigung zugelassener Behandlungsoptionen beeinflussen könnten. Zudem unterstrich er die Bedeutung laufender Interventionsstudien, um evidenzbasierte Behandlungsstrategien in diesem sich entwickelnden Bereich sicherzustellen.
Ein Schwerpunkt lag auf der individuellen Anpassung der Therapie an die jeweilige Patientin. Prof. Dr. Nadia Harbeck vom Comprehensive Cancer Center der Ludwig-Maximilians-Universität München betonte die Bedeutung der personalisierten Behandlung und stellte fest, dass die Entscheidung zwischen Eskalation und Deeskalation der Therapie von spezifischen Tumorcharakteristika und dem Ansprechen auf die Behandlung abhängt. Die Diskussionen auf der Konferenz verdeutlichten die kontinuierlichen Bemühungen, die Behandlung von HER2-positivem frühem Brustkrebs zu optimieren und individuell auf die Bedürfnisse der Patientinnen abzustimmen. Auch Möglichkeiten der Deeskalation bei niedrigem Risiko werden zukünftig weitere Beachtung finden.
Ein besonderes Augenmerk lag auf der Integration von KI in die klinische Praxis, um die Genauigkeit der Diagnostik zu erhöhen und personalisierte Behandlungsansätze zu fördern.
Ein herausragendes Beispiel war die Präsentation einer Studie aus Shenzhen, China, die ein KI-gestütztes automatisiertes Brustultraschallsystem mit der herkömmlichen Handultraschalldiagnostik verglich. Diese realitätsnahe Untersuchung zielte darauf ab, die Effektivität und Zuverlässigkeit von KI-Systemen in der Brustkrebsfrüherkennung zu bewerten. Zudem wurden auf der Konferenz die Herausforderungen und Chancen des Einsatzes von KI in der klinischen Praxis diskutiert. Experten betonten die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die Integration von KI-Technologien in bestehende Diagnose- und Behandlungsmethoden zu optimieren und deren Nutzen für Patientinnen zu maximieren.Diese Diskussionen unterstreichen das wachsende Interesse und die Bedeutung von KI in der modernen Brustkrebsmedizin, mit dem Ziel, Diagnostik und Therapie kontinuierlich zu verbessern.
Ein zentrales Anliegen war die Berücksichtigung der Langzeittoxizitäten, die bei jüngeren Patientinnen aufgrund intensiverer und längerer Behandlungen oft ausgeprägter sind. Dr. Cynthia Villarreal-Garza aus Monterrey, Mexiko, betonte die Notwendigkeit, diese toxischen Nebenwirkungen proaktiv zu identifizieren und zu adressieren, da sie in der Nachsorgephase häufig übersehen werden. In der Sitzung „Addressing the needs of young breast cancer patients“ wurde spezifisch auf die besonderen Anforderungen und Herausforderungen jüngerer Patientinnen eingegangen, wobei Aspekte wie Fruchtbarkeit, Karriere und psychosoziale Unterstützung im Vordergrund standen. Die Sitzung „Minimizing the burden of cancer treatments: more tailoring for early breast cancer“ konzentrierte sich darauf, wie Behandlungen individuell angepasst werden können, um Nebenwirkungen zu reduzieren und die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern. Der Vortrag von Mafalda Oliveira vom Vall d’Hebron University Hospital, Barcelona, Spanien, traf einen entscheidenden Punkt: Es geht nicht nur darum, leistungsstarke neue Therapien zu haben, sondern auch sicherzustellen, dass sie den Patientinnen tatsächlich sinnvoll helfen. In der Ära der Präzisionsonkologie ist es von entscheidender Bedeutung, ein Gleichgewicht zwischen Wirksamkeit und Toxizität herzustellen und dabei auch die Kosten zu berücksichtigen. Dr. Oliveira betonte auch die Bedeutung von Biomarkern für die Auswahl der richtigen Patientinnen, die Vermeidung von Überbehandlungen und die optimale Nutzung der verfügbaren Ressourcen. Diese Diskussionen unterstreichen das Bestreben der Konferenz, patientenzentrierte Ansätze zu fördern und die Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen durch massgeschneiderte Behandlungsstrategien zu verbessern.
Prof. Dr. Armando E. Giuliano wurde mit dem diesjährigen St. Gallen Breast Cancer Award ausgezeichnet. Eine Ehrung, die seine bedeutenden Beiträge zur Brustkrebsforschung und -behandlung würdigt. Als Pionier auf dem Gebiet der Brustkrebschirurgie entwickelte Prof. Giuliano die Sentinel-Lymphonodektomie, die seit Anfang der 2000er Jahre die axilläre Lymphonodektomie bei klinisch nodal-negativen Patientinnen abgelöst hat und damit – bei gleicher onkologischer Sicherheit – zu einer Reduktion postoperativer Komplikationen wie Lymphödeme und Bewegungseinschränkungen geführt hat. Er leitete ausserdem die Z0011-Studie der American College of Surgeons Oncology Group. Diese zeigte, dass auch bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom und ein bis zwei positiven Seninel-Lymphknoten auf eine vollständige axilläre Dissektion verzichtet werden kann, ohne die Überlebensrate negativ zu beeinflussen. Die Verleihung des St. Gallen Breast Cancer Award an Prof. Giuliano unterstreicht die Anerkennung seiner lebenslangen Arbeit, die nicht nur die chirurgische Behandlung von Brustkrebs revolutioniert, sondern auch die Lebensqualität zahlreicher Patientinnen weltweit verbessert hat.
Der Höhepunkt der Konferenz war die renommierte St. Gallen Konsensus-Sitzung, geleitet von Harold Burstein vom Dana-Faber-Cancer Institute in Boston. Bei diesem wohl grössten Tumorboard der Welt (wie es Dr. Burstein bezeichnete) formulierten achtzig internationale Expertinnen und Experten Empfehlungen für die Behandlung von frühem Brustkrebs. Auch sechs Experten aus der Schweiz sassen im diesjährigen Konsensuspanel. Die Konsensus-Empfehlungen werden in den kommenden Monaten veröffentlicht und dienen als Leitlinien für die klinische Praxis weltweit.
Die SGBCC 2025 unterstrich erneut ihre Bedeutung als zentrale Plattform für den Austausch neuester Forschungsergebnisse und die Entwicklung praxisrelevanter Leitlinien in der Brustkrebsbehandlung.