Endometriumprotektion in der Hormonersatztherapie
Im Rahmen der kombinierten HRT bei nicht hysterektomierten Frauen ist eine ausreichende Gestagendosis zur Prävention einer Endometriumpathologie unumstritten. Wie man das mikronisierte Progesteron MP dosieren sollte und ob die Wirkung als Kombinationspartner im Rahmen einer bioidentischen Hormonersatztherapie HRT ausreichend ist, wollen wir im Folgenden beleuchten.
Mit potenten synthetischen Gestagenen wie Norethisteronacetat NETA oder Medroxyprogesteronacetat MPA in fixen Kombinationspräparaten wurde über lange Zeit sowohl eine gute Blutungskontrolle als auch eine hohe Endometriumsicherheit sowohl in der kontinuierlichen als auch in der sequenziellen HRT erreicht (1).
Häufig handelte es sich um orale Kombinationspräparate mit bioidentischem oder equinem Östrogen. Anwenderinnenfehler waren unter diesen Therapieregimen selten. Aufgrund des erhöhten Thromboembolierisikos der oralen Östrogentherapie wurden transdermale Therapien mit bioidentischem Östrogen in den letzten Jahren immer häufiger gewählt.
Wie verhält es sich mit dem bioidentischen Progesteron MP, welches mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat? Im Vergleich zu synthetischen Gestagenen hat MP ein günstigeres Risikoprofil bzgl. des Mammakarzinoms und von Thromboembolischen Ereignissen gezeigt (2, 3). Ähnliches konnte für Dydrogesteron DYD als Retroisomer von MP gezeigt werden (1). Bezüglich optimaler Blutungskontrolle und endometrialer Sicherheit haben sich die synthetischen Gestagene allerdings seit vielen Jahren bewährt.
Eine bioidentische Therapie liegt im Trend und wird aktuell von gut informierten Patientinnen teilweise gezielt gewünscht. Je nach Alter, Vorgeschichte und Nebendiagnosen kann diesem Wunsch entsprochen werden, aber vor allem muss die gewählte Therapie nach dem aktuellen Wissen eine sichere Therapie sein.
Generell
hat die Gestagengabe folgende Ziele:
1. Vermeidung einer
Endometriumpathologie
2. kontrolliertes
Blutungsprofil mit regelmässigen Blutungen bei der sequenziellen Therapie und
mit einer Amenorrhoe bei der kontinuierlichen Gabe
3. geringe
Nebenwirklungen oder solche, die gezielt genutzt werden können
MP ist in der Schweiz oral, vaginal oder transdermal verfügbar. In früheren Publikationen wurde die endometriale Sicherheit von MP unterschiedlich bewertet. Teils wurde ein erhöhtes Risiko gefunden, teils wurde die Sicherheit über fünf Jahre einer oralen Therapie in Kombination mit einer Östrogentherapie als sicher eingestuft (4, 5). Auch die aktuellen Leitlinien beurteilt das MP nach wie vor kritischer als synthetische Gestagene. (6)
Ein aktueller Review hat die Sicherheit von MP und von diversen anderen Gestagenen mit ihren unterschiedlichen Applikationswegen erneut beurteilt (7).
Zu MP wurden elf RCTs an postmenopausalen Frauen ausgewertet. Diese elf Studien zeigen ein sehr heterogenes Bild sowohl in Bezug auf die Dosis und den Applikationsweg des Progesterons als auch für die Dosis und Art des kombinierten Östrogens (orales CEE, orales Östradiol, transdermales Östradiol). Das Progesteron wurde meist oral, selten intramuskulär, vaginal oder transdermal appliziert und sowohl sequenziell als auch kontinuierlich verabreicht. Sieben Studien verwendeten Progesteron oral, hiervon zwei Studien kontinuierlich kombiniert und drei Studien sequenziell. Die Studienlänge variierte von einem Monat bis zu fünf Jahren, die endometriale Sicherheit wurde in zehn von elf Studien mit einer Biopsie am Anfang und am Ende der Studie überprüft.
Unter einer HRT sollte die Inzidenz für eine Endometriumhyperplasie nach einem Jahr laut FDA bei unter 1 % liegen und laut EMA unter 2 %. Die Autorengruppe konnte hierzu eine ausreichende Sicherheit für die orale Progesterongabe für den Zeitraum von bis zu drei Jahren nachweisen. Vaginales MP in einer Dosis von 45 mg/d im sequenziellen Schema zeigte eine deutlich höhere Zahl von Hyperplasien (12,7 %) als die von der EMA oder FDA geforderte. Die empfohlene Dauer der MP-Applikation bei der sequenziellen HRT wurde im Review nicht genauer evaluiert.
Die
Autoren haben folgende Punkte für die endometriale Sicherheit unter MP formuliert:
Die Autoren haben weiter festgehalten, dass für synthetische Gestagene und vor allem NETA und MPA die meisten Studien vorliegen. MPA zeichnet sich durch eine hohe endometriale Sicherheit aus, die auch noch bis zu neun Jahren nach HRT-Stopp anhält. Da die Studienqualität insgesamt sehr heterogen ist, raten die Studienautoren generell dazu nicht von den Leitlinien abzuweichen und ansonsten immer über die Datenlagen aufzuklären.
In der Praxis wird die orale Progesterongabe bevorzugt. Dies nicht zuletzt aufgrund der sedierenden Wirkung des Progesterons, was als positive Nebenwirkung durch unsere Patientinnen wahrgenommen wird. Die vaginale Applikation wird durch den entstehenden Ausfluss als unangenehm empfunden und findet hauptsächlich in der Reproduktionsmedizin Anwendung.
Die Wahl der Progesterondosis hängt von der gewählten Östrogendosis und dem Applikationsweg ab. Für die transdermale E2-Gabe sollte bei Frauen mit einem höheren Risiko für ein Endometriumkarzinom die höhere Gestagendosis gewählt werden (8, 9). Bei der Wahl der Gestagendosis ist es daher wichtig, die gesamte gynäkologische und internistische Anamnese der Patientin zu erfassen und einzubeziehen. Eine Therapie mit einem synthetischen Gestagen kann für dieses Patientinnenkollektiv, je nach Nebendiagnosen, dann die bessere Wahl sein.
Über die Dauer der sequenziellen Progesterongabe sind die Angaben für die verschiedenen Gestagene ebenfalls uneinheitlich (7) und schwanken über 10–14 d/Zyklus. Pragmatisch ist daher für MP aufgrund der geringeren transformierenden Wirkung eine Gabe von 14 d/Zyklus zu empfehlen. Das dem MP sehr ähnliche DYD wird in einem oralen sequenziellen Schema (FemostonÒ) ebenfalls für 14 d appliziert.
Eine HRT wird in den meisten Fällen nicht nur für ein bzw. für drei Jahre, sondern teilweise über viele Jahre angewendet. Die langfristige Sicherheit wurde in den vorliegenden Studien allerdings nicht untersucht. Generell ist die lange Latenzzeit bis zur Entwicklung eines Endometriumkarzinoms bekannt. Daher sollten in der Routine eine vaginale Sonographiekontrolle vor Therapiestart zum Ausschluss einer Pathologie durchgeführt werden gefolgt von einer Kontrolle nach drei Monaten zur Therapiekontrolle und anschliessend jährlichen Kontrollen. Bei auffälligen Befunden oder rezidivierenden Zwischenblutungen sollte im Zweifelsfall immer eine operative Abklärung mit Kürettage empfohlen werden.
Die freien Kombinationen ermöglichen viel Flexibilität, können allerdings auch zu Anwendungsfehlern führen mit konsekutiven Blutungsstörungen und nicht ausreichender Endometriumprotektion. Patientinnen vergessen teilweise die Einnahme des Progesterons und erhöhen die Östrogendosis ohne Rücksprache mit ihrer behandelnden Fachperson. Teilweise wird das Therapieregime auch „auf Anraten“ von Bekannten geändert oder mit aus dem Ausland bezogenen Hormonpräparaten ergänzt.
Daher bieten die oralen Kombinationen mit ihrem fixen Applikationsschema auch Vorteile. Ab Sommer 2025 wird in der Schweiz die bioidentische kontinuierlich kombinierte HRT Bijuva® mit 1 mg Östradiol und 100 mg mikronisiertem Progesteron in Tablettenform verfügbar sein. Im Rahmen der Zulassungsstudien wurden verschiedene Dosierungen (50 mg, 100 mg und 200 mg MP) untersucht (10). Bei 100 mg Progesteron wurde im Studienkollektiv bei 281 Patientinnen nach einer Anwendungszeit von 12 Monaten eine Endometriumhyperplasie nachgewiesen und bei 97 % der Patientinnen kam es zu einer Amenorrhoe. Somit wurde eine hohe Sicherheit und gleichzeitig eine gute Blutungskontrolle nachgewiesen. Das Nebenwirkungsprofil entsprach einer Kombinationstherapie mit transdermalem E2 und oralem Progesteron und war somit gering. Patientinnen mit längerem Abstand zur Menopause und somit niedrigeren E2-Spiegeln erreichten schneller eine Amenorrhoe. Diese Beobachtung deckt sich andererseits mit der bekannten Tatsache, dass Frauen in der späten Perimenopause mit Restovaraktivität häufiger unter Blutungsstörungen im Rahmen einer HRT leiden.
Die neue orale Kombinationstherapie kann sich für Frauen eigenen, die ein niedriges Thromboembolisches Risiko haben beispielsweise nach längerer Einnahme einer oralen kombinierten Kontrazeption ohne Komplikationen. Viele dieser Patientinnen favorisieren die orale Therapie und werden wahrscheinlich auch die Einnahme von nur einem Präparat bevorzugen.
Literatur
1. The 2022 Hormone
Therapy Position Statement of The North American Menopause Society Advisory
Panel. The 2022 hormone therapy position statement of The North American
Menopause Society. Menopause 2022; 29(7):767–94.
2. AWMF-Leitlinien:
Peri-Postmenopause-Diagnostik und Intervention (Januar 2020), 015–062.
3. Stute P, Wildt L,
Neulen J, The impact of micronized progesterone on breast cancer risk: a
systematic review. Climacteric 2018; 21(2):111–122
4. Sjögren LL et
al., Hormone replacement therapy and the risk of endometrial cancer: a
systematic review. Maturitas 2016; 91:25–35
5. Stute P, Neulen
J, Wildt L, The impact od micronized progesterone on the endometrium: a
systemic review. Climacteric. 2016; 19(4):316–28
6. AWMF
S3-Leitlinien Endometriumskarzinom (September 2023) 032/034-02
7. Stute P, Wolff M
von, Vollrath S, Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2024; Jan;38(1):101815,
doi: 10.1016/j.beem.2023.101815. Epub 2023 Aug 22. Progestogens for endometrial
protection in combined menopausal hormone therapy: A systematic review
8. Römer T, Mueck
AO, Empfehlung zur Gestagenzugabe bei transdermaler Estradiolsubstitution,
Frauenarzt 2019; 60(5):316–9
9. Jang S, Risk
factors for atypical hyperplasia or endometrial cancer in premnopausal women
aged <45 years with abnormal bleeding, Eur J Obs Gyn Repro Biol
2024:302:288–93
10. Mirkin
S, Goldstin SR, Archer DF, et al., Endometrial safety and bleeding profile of a
17b-estradiol/progesterone oral softgel capulse (TX-001HR), Menopause 2020;
27(4):410–7