Eine besondere Inguinalhernie
Eine 24-jährige Patientin wird mit der Verdachtsdiagnose eines im Leistenkanal inkarzerierten/fixierten Ovars durch die Hausärztin zugewiesen. Dort war die Patientin aufgrund eines inguinalen Tastbefundes vorstellig geworden. Ein extern durchgeführtes MRI bestätigt den Verdacht auf ein im linken Leistenkanal liegendes Ovar bei rechtsseitig orthotopem Ovar. Die Nieren wurden beidseits als unauffällig beschrieben, das übrige innere Genitale wurde im MRI nicht beurteilt.
Bei der Anamnese der erst seit Kurzem in der Schweiz lebenden Patientin stellt sich heraus, dass nebst dem geschilderten Befund eine primäre Amenorrhoe besteht, im Ausland seien diesbezüglich bereits Abklärungen erfolgt, die Hormonwerte seien normal, die Gebärmutter sei jedoch nicht angelegt. Vaginaler Geschlechtsverkehr sei nicht möglich. Bei der Untersuchung zeigen sich normale sekundäre Geschlechtsmerkmale, äusseres Genitale unauffällig, blind endende Vagina unmittelbar hinter dem Hymenalsaum. Das linke Ovar kann im Leistenkanal palpiert und gut mittels Sonographie dargestellt werden. Im Gesamtkontext ergibt sich die Verdachtsdiagnose eines Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-(MRKH)-Syndroms.
Zunächst erfolgte die interdisziplinäre Besprechung des Falls einschliesslich der MRI-Bilder mit einem Kollegen der Viszeralchirurgie. Klinisch und bildmorphologisch bestätigte sich der Verdacht auf eine Inguinalhernie. Es wurde eine gemeinsame Operation mit laparoskopischer Translokation des linken Ovars mit anschliessender Pexierung sowie die Sanierung der inguinalen Bruchpforte besprochen.
Intraoperativ bestätigt sich der V. a. ein MRKH-Syndrom. Das rechte Ovar liegt orthotop, die distale Tube mit Fimbrientrichter ist angelegt, am Ursprung des Lig. Rotundum stellt sich eine kleine myomatriane Knospe dar, der Uterus fehlt. Das linke Ovar liegt vollständig fixiert retroperitoneal im Leistenkanal und kann schrittweise stumpf mobilisiert und nach intraabdominal transloziert werden. Die Bruchpforte wird mittels Mesh verschlossen. Nach Entfernung von bindegewebigen Strukturen kann das Ovar schliesslich vollständig dargestellt werden, auch hier stellt sich unmittelbar kaudolateral eine myometriane Knospe sowie ein Tubenanteil dar. Es erfolgt die Pexierung am lateralen Beckenwandperitoneum.
Die Patientin erholt sich nach dem Eingriff rasch. Es erfolgt ein ausführliches Gespräch über die Möglichkeiten einer Neo-Vagina-Anlage im weiteren Verlauf. Die Patientin möchte sich diesbezüglich bedenken, aktuell besteht keine Partnerschaft. Auch das Thema Kinderwunsch wird angesprochen, Uterustransplantation, Leihmutterschaft und Adoption werden als Optionen dargelegt.
Literatur
Mohanty HS et al., A rare case of adult ovarian hernia in
MRKH syndrome, BJR Case Rep. 2017
Dau Y et al., Hernia uterine inguinale associated with
Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser syndrome: Three case reports and literature
review. Medicine (Baltimore) 2023
Kumar A et al., Case of mullerian agenesis presenting as
bilateral inguinal hernia with left sided irreducibility in a 21 years old
female: A rare case report. International Journal of Surgery Case Reports 2023