Für Sie kommentiert

Fertilitätserhalt bei Endometriumkarzinompatientinnen / Gestationsdiabetes-Screening und -therapie bei Mehrlingen / Offene vs. minimalinvasive radikale HE bei Zervixkarzinom im Frühstadium / Gelegenheitsappendektomie? Nein! / Schweizer Mammographie-Screening-­Programm „donna“ / Plazentahistologie im klinischen Alltag / Nutzen der Anti­biotikaprophylaxe nach Zytoskopie und Urodynamik / Abklärung bei sono­graphisch verdicktem Endometrium post­menopausal

Fertilitätserhalt bei Endometriumkarzinompatientinnen – Auch hier kommt es auf den molekularen Subtyp an!

Seit Langem werden bei jungen Frauen mit nicht abgeschlossener Familienplanung erfolgreich konservative, organerhaltende Therapien von frühen Endometriumkarzinomen (EC) oder atyptischer Endometriumhyperplasie (AH) durchgeführt. Eine Gestagentherapie ermöglicht oft den Organerhalt und die Umsetzung des Kinderwunsches. Doch wie sieht es auch in diesem Kontext mit den molekularen Subtypen des Endometriumkarzinoms aus, die aktuell eine immer wichtigere Rolle in der Planung z. B. der adjuvanten Therapie nach Operationen spielt? Insbesondere Patientinnen mit Tumoren mit hoher ­Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) und einer Defizienz der Mismatch-Repair-Enzyme (MMRd)?

Dieser Fragestellung wurde in einer Metaanalyse nachgegangen. Es konnten nur zehn retrospektive ­Studien mit insgesamt 66 Patientinnen eruiert werden. Die Follow-up-Zeit war sehr unterschiedlich und betrug teils nur drei Monate. Trotz dieser Einschränkungen sind die Ergebnisse durchaus deutlich. Die Komplettremissionsrate betrug 62 %, 41 % der Patientinnen entwickelten jedoch im Verlauf ein Rezidiv. Bei Patientinnen mit Lynch-Syndrom (N = 12) erschien die Rezidivrate sogar fast doppelt so hoch (Zhang T et al., EJOG 2024; 302:177–83).

Kommentar
Es erstaunt nicht, dass die dMMR/MSI-H-Tumore auch im Kontext des Fertilitätserhalts prognostisch problematisch sind. Wichtig ist daher, auch in so frühen Stadien an die Bestimmung dieser Parameter zu denken! In vielen Zentren gehören sie mittlerweile erfreulicherweise zum Standard.

Martin Heubner

Gestationsdiabetes-Screening und -therapie bei ­Mehrlingen: Vergleichbar mit Einlingen?

Berechtigte Frage! Wir brauchen den 75 g oGTT praktisch universell und flächendeckend, wie im Expertenbrief 81 der SGGG weiterhin empfohlen wird (1). Das Screening nach Gestationsdiabetes (GDM) in der Schweiz wurde ja offiziell 2011 eingeführt und hat dazu geführt, dass die Prävalenz eines GDM von etwa 5 % vor 2008 auf beinahe 10 % angestiegen ist (2). Diese Empfehlungen wurden nach der Publikation der HAPO-Studie (3) – welche die Blutzuckernormwerte nüchtern, nach einer Stunde und nach zwei Stunden definiert hatte – nicht nur in der Schweiz, sondern von vielen (aber nicht allen) anderen Fachgesellschaften weltweit als Screeningverfahren übernommen. Interessant dabei ist die Tatsache, dass Schwangere mit Mehrlingen in der HAPO-­Studie eigentlich ausgeschlossen wurden. Das heisst, dass die zur Diagnose eines GDM verwendeten Normwerte eigentlich für Zwillinge nicht einfach so übernommen werden könnten. Wir haben es trotzdem gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken. Wieso bin ich hier wieder zu pointiert? Die Inzidenz von Zwillingsschwangerschaften hat in den letzten Jahrzehnten beinahe linear zugenommen. Das hat etwas mit dem steigenden maternalen Alter zu tun und auch mit der Reproduktionsmedizin. Letztere hat in den letzten Jahren durch verbesserte Stimulationsverfahren und durch die Einschränkung der Anzahl transferierter Embryonen etwas abgenommen. Die Geburtenzahl der Lebendgeburten in der Schweiz hat zwischen 2021 und 2023 um über 9600 Geburten abgenommen! (4) Mehrlinge sind kaum zurückgegangen und machen etwa 1,5 % der Geburten aus. Nun, Ma J et al. (5) ist der Frage nachgegangen, was für einen Einfluss das für Einlinge optimierte GDM-Screening auf Zwillingsschwangerschaften hat. Es wurden 1003 mono- und dichoriale Zwillinge in die Studie eingeschlossen. Die Prävalenz eines GDM lag bei 21,7 % und 11,7 % brauchten neben der Standardtherapie zusätzlich Insulin. Obwohl damit die Rate an Makrosomie gesenkt werden konnte, stieg diejenige der SGA-­Kinder an und es mussten mehr Kinder aus der GDM-Gruppe auf die Neonatologie aufgenommen werden. Interessanterweise galt das v. a. für die dichorialen Zwillinge (Tabelle 1). Die Mutter profitiert kaum von der Diagnose und der „Optimierung“ der metabolischen Situation (Tabelle 2).

Diese Studie zeigt klar, dass wir bei den Mehrlingen und insbesondere bei den dichorialen Zwillingen vorsichtig sein müssen, den energetischen Bedarf durch eine strenge Diät/Insulintherapie allzu stark zu drosseln. Eine andere diagnostische oder therapeutische (angepasste Ernährungsberatung, gute Überwachung der Gewichtszunahme) Intervention ist hier vonnöten.

Literaturangaben
1. 81_Screening_und_Management_der_Gestationsdiabetes_deutsch.pdf (sggg.ch)
2. Aubry EM et al., Diabetes Res Clin Pract. 2021; 175:108830
3. Metzger BE et al., N Engl J Med, 358 (2008), pp. 1991–2002
4. Geburten (admin.ch)
5. Ma J et al., BMC Pregnancy and Childbirth (2024) 24:770, https://doi.org/10.1186/s12884-024-06970-6

Luigi Raio

LACC-Studie: Schlussanalyse der Gesamtüberlebensrate beim Vergleich offener versus minimalinvasiver radikaler Hysterektomie bei Zervixkarzinom im ­Frühstadium

Ziel der Studie war es, das Gesamtüberleben zwischen offener und minimal-invasiver radikaler Hysterektomie zu vergleichen, wobei die Teilnehmer über einen Zeitraum von 4,5 Jahren beobachtet wurden. Das primäre Ziel war die Bewertung, ob die minimal-invasive Chirurgie in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) der abdominalen radikalen Hysterektomie nicht unterlegen ist. Sekundäre Endpunkte umfassten das Gesamtüberleben. Die Stichprobengröße basierte auf einem DFS von 90 % nach 4,5 Jahren und einer Nichtunterlegenheitsgrenze von 7,2 % für die minimal-invasive Chirurgie.

Insgesamt wurden 631 Patienten eingeschlossen: 319 wurden der minimal-invasiven und 312 der offenen Chirurgie zugewiesen. Von diesen unterzogen sich 289 (90,6 %) Patienten der minimal-invasiven und 274 (87,8 %) der offenen Chirurgie. Nach 4,5 Jahren betrug das DFS in der Gruppe der minimal-invasiven Chirurgie 85,0 % und in der Gruppe der offenen Chirurgie 96 % (Unterschied –11,1; 95 %-KI, –15,8 bis –6,3; P = 0,95 für Nichtunterlegenheit). Die minimal-invasive Chirurgie war mit einer niedrigeren DFS-Rate im Vergleich zur offenen Chirurgie assoziiert (Hazard Ratio [HR], 3,91 [95 %-KI, 2,02 bis 7,58]; P <0,001). Die Rate des Gesamtüberlebens nach 4,5 Jahren betrug 90,6 % gegenüber 96,2 % für die minimal-invasive bzw. die offene Chirurgie (HR für Tod jeglicher Ursache 2,71 [95 %-KI, 1,32 bis 5,59]; P = 0,007). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass aufgrund der höheren Rückfallrate und des schlechteren Gesamtüberlebens bei minimal-invasiver Chirurgie die offene Methode als Standardbehandlung angesehen werden sollte (Ramirez P et al., JCO, DOI: 10.1200/JCO.23.02335).

Kommentar
2018 führte die Veröffentlichung der LACC-(Laparoscopic Approach to Cervical Cancer)-Studie, einer prospektiven randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie zur Bewertung der offenen versus minimalinvasiven radikalen Hysterektomie, zu einem Paradigmenwechsel in der chirurgischen Therapie des frühen Zervixkarzinoms. Insbesondere nach epidemiologischen Studien, die bestätigten, dass die minimalinvasive radikale Hysterektomie bei Frauen mit Zervixkarzinom im Stadium IA2 oder IB1 nach FIGO 2009 mit einer kürzeren Gesamtüberlebenszeit als offene Eingriffe verbunden war, wurde festgelegt, dass die offene radikale Hysterektomie ab Stadium IA2 der standard-operative Eingriff für Zervixkarzinome ist. Klinische Studien umfassen häufig mehrere Endpunkte, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgewertet werden. Der erste Bericht, der typischerweise auf dem primären Endpunkt basiert, wird häufig veröffentlicht, bevor wichtige geplante co-primäre oder sekundäre Analysen vorliegen.

Der finale Bericht der LACC-Studie verglich nun das Gesamtüberleben (OS) und das krankheitsfreie Überleben (DFS) nach minimal-invasiver (MIS) versus offener radikaler Hysterektomie bei frühem Zervixkarzinom. Die Studie zeigte, dass die MIS mit einer 3,9-fach höheren Rezidivrate und einer 2,7-fach höheren Mortalitätsrate assoziiert war.

Zusätzliche Analysen ergaben, dass Tumoren ≥2 cm und das Fehlen einer Konisation vor der Operation das Risiko für Rezidive und Todesfälle nach MIS erhöhten. Beispielsweise war die Rezidivrate bei Patienten ohne Konisation fünfmal höher als bei denen, die eine offene Chirurgie durchliefen. Die Ergebnisse von Studien ­können jedoch unterschiedlich interpretiert werden. Der finale Bericht der LACC-Studie bestätigt, dass bei Tumoren <2 cm und durchgeführter Konisation vor der Operation das Risiko für Rezidive und Todesfälle nach MIS nicht erhöht war. Bereits 2020 stellten wir fest, dass die präoperative Konisation bei Patienten mit einem Tumor <2 cm eine potenziell schützende Rolle spielt (Casarin I et al., JMIG 2021).

Michael Mueller

When in doubt, don’t take it out!

Bei akuter Appendizitis wurde in jüngster Zeit die Antibiotika-Therapie als Alternative zur Appendektomie propagiert (CODA Collaborative, N. Engl. J. Med 2020; 383:1907).

Falls bei Verdacht auf Appendizitis doch laparoskopiert wird und man dann eine „blande“ Appendix findet, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es zur sogenannten Gelegenheitsappendektomie kommt. Früher, bei der abdominalen Hysterektomie ,ein sehr populäres Vorgehen, um ein sog. nutzloses, höchstens zu Komplikationen führendes Organ zu entfernen.

Neuere Erkenntnisse zeigen nun aber, dass die Appendix keineswegs so wertlos ist, wie man lange meinte.

Der Wurmfortsatz als intestinaler Schutzmechanismus

Der blind endende Wurmfortsatz ist nicht bei allen Säugetieren vorhanden (Hunde und Katzen haben keinen), jedoch bei Primaten und Nagern. Die Appendix kommt in verschiedenen Grössen und Formen vor und soll mindestens neununddreissig Mal in verschiedenen Evolutionsschritten unabhängig voneinander entwickelt worden sein. Zum ersten Mal wohl vor bereits 80 Millionen Jahren. Französische Forscher fanden bei der Analyse von 258 Säugetierspezies, dass das Vorhandensein einer Appendix mit einem längeren Überleben verbunden war (Colart, N. K. et al., J Anatomy 2020; 239:1157). Als Erklärungsversuch gilt die Erkenntnis, dass mit vorhandener Appendix seltener schwere Diarrhoen vorkommen (Colart, N. K., Scientific Reports 2023; 13:15879). Beim Menschen kam in einer Matched-Studie eine non-thyphoidale Salmonelleninfektion signifikant häufiger bei Appendektomierten vor (Wu, D. et al., J. Clin Med 2021; 10:1466).

Ein Refugium für Bakterien

Nach einer Diarrhoe kann das Kolon mit dem gesundheitsfördernden Mikrobiom aus der durch die Diarrhoe nicht betroffenen, „geschützten“ Appendix rasch neu besiedelt werden, da diese eine dicke Schicht gesundheitsfördernder Darmbakterien, z. B. Butyricicoccus und Barnesiellen, enthalten. Appendektomierte hatten ein weniger diverses Mikrobiom (Cai, S. et al., Front Microbiota 2021-122024).

Immunologische Aspekte

Die Appendix beherbergt besonders viele sogenannte M-Zellen. Bei einer Darminfektion mit invasiven ­Bakterien und Viren präsentieren M-Zellen diese den abwehrenden T-Lymphozyten. ­Dieses Phänomen erklärt möglicherweise, weshalb Appendektomierte ein um 46 % höheres Risiko für IBS (Colon irritabile) haben sollen, welches wiederum mit einem geringeren Gehalt von Butyricicoccus-­Bazillen (günstige Darmbakterien) assoziiert ist.

Die Assoziation Appendektomie häufigeres Colon Karzinom ist jedoch umstritten. Das gleiche gilt für ein niedrigeres Parkinsonrisiko be4i Appendektomierten.

Zusammengefasst ist die Appendix wahrscheinlich kein nutzloses Organ, was für seine Erhaltung (z.B. Anti­biotika-Therapie bei leichteren -itis-Fällen) und gegen eine Gelegenheitsappendektomie spricht.

Michael K. Hohl

„Brustkrebspatientinnen, die am Schweizer Mammographie-Screening-Programm ‚donna‘ teilnehmen, ­überleben länger“

Die Studie untersuchte die Überlebensraten von Frauen mit Brustkrebs (BC), der innerhalb oder ausserhalb des Mammografie-Screening-Programms (MSP) „donna“ diagnostiziert wurde. Dabei haben die Autoren Daten des MSP mit den entsprechenden Krebsregistern zusammengeführt, um BC-Fälle innerhalb (screening-diagnostiziert und Intervallkarzinome) und ausserhalb des MSP zu kategorisieren. Es wurden Tumorstadien, Tumoreigenschaften und Überlebensraten analysiert. Zudem wurden mithilfe von Cox-Regressionsmodellen Hazard-Ratios geschätzt, um Unterschiede zwischen den Gruppen zu berücksichtigen, und die Überlebensraten für Lead-Time-Bias korrigiert.

Zwischen 2010 und 2019 wurden in den Schweizer Kantonen St. Gallen und Graubünden 1057 invasive und in-situ BC-Fälle innerhalb und 1501 ausserhalb des MSP identifiziert.

  • Innerhalb des MSP traten häufiger Tumore im ­Stadium I auf (46,5 % vs. 33,0 %; p <0,01).
  • Die Tumoren waren im Durchschnitt kleiner (19,1 mm vs. 24,9 mm; p <0,01) und es gab weniger Rückfälle und Metastasen (6,7 % vs. 15,6 %; p <0,01).
  • Die 10-Jahres-Überlebensrate betrug 91,4 % bei Frauen im MSP und 72,1 % bei Frauen ausserhalb des MSP (p <0,05). Der Überlebensvorteil war geringer, wenn Frauen mit gleichen Tumorstadien verglichen wurden.
  • Lead-Time-korrigierte Hazard-Ratios für das MSP, angepasst an Alter, Tumorgrösse und den Ki-67-Proliferationsindex, zeigten signifikante Vorteile: 0,550 (95 % CI 0,389–0,778; p <0,01) für das Gesamtüberleben und 0,469 (95 % CI 0,294–0,749; p <0,01) für das brustkrebsbezogene Überleben.

Kommentar
Frauen, die am MSP „donna“ teilnahmen, hatten signifikant höhere Überlebensraten (gesamt und brustkrebsbezogen) als Frauen, deren Brustkrebsdiagnose im ­gleichen Zeitraum ausserhalb des Programms erfolgte. Damit konnte nun erstmals mit Schweizer Daten gezeigt werden, dass Mammographie-Screening auch in der Schweiz zur signifikanten Reduktion der Mortalität führt. Es ist zu hoffen, dass sich auf dem Boden dieser (und existierender internationaler) Daten auch diejenigen Kantone zu einem Mammographie-Screening-Programm entschliessen, die ein solches für die Frauen in ihrem Kanton noch nicht anbieten.

Literatur
Kuklinski D. et al., Breast Cancer Research 2024; 26:84, https://doi.org/10.1186/s13058-024-01841-6.

Cornelia Leo

Die Plazentahistologie im klinischen Alltag

Das ist doch so eine triviale und klare Sache mit der Plazenta und insbesondere, in welchen Situationen dieses enigmatische Organ zu den Pathologen geschickt werden muss. Nun, die AFMM (Akademie für Feto-Maternale Medizin) hat Jahre gebraucht, um erstens alle Player an den Tisch zu bekommen, welche sich damit auseinandersetzen und zweitens einen Artikel zu redigieren und zu publizieren. Das war Knochenarbeit, Vertreter der SGGG, der SGN (Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie) und der SGPath (Schweizerische Gesellschaft für Pathologie) zu motivieren und die verschiedenen Interessen zu kanalisieren. Nun, die Autoren haben es geschafft und dabei ein sehr brauchbares Paper herausgebracht, ­welches sowohl für Kliniker wie auch für Pathologen einen Goldstandard darstellen sollte. (1) Ich bin stolz, hier auch ein wenig mitgearbeitet zu haben. Jetzt könnte ich meine Ausführungen beenden und einfach empfehlen, den Artikel zu lesen und in der eigenen Klinik zu implementieren. Dabei sollte man auch dem/der eigenen Pathologen/-in diesen Artikel schmackhaft machen und die Qualität fordern, welche hier beschrieben und empfohlen wird. Da dieses Manuskript (1) sehr „pathologielastig“ ist, wird das sicher kein Problem sein für den/die Pathologen/-in. Das ist keine Kritik, sondern einfach eine Feststellung. Es ist klar, dass Störungen der Zottenreifung, Hinweise für eine Chorioamnionitis und/oder einer Funisitis oder Gerinnungs- und Implantationsstörungen das klinische Bild oft zu erklären vermögen und dafür braucht es einfach eine Gewebefärbung und ein Mikroskop, gelegentlich auch ein Elektronenmikroskop.

Was in diesem Manuskript (1) aber etwas kurz kommt, sind einfache und übergeordnete Konzepte der Plazentafunktion. So wurden am Schluss der erwähnten Arbeit (1) Tabellen abgebildet, welche das Plazentagewicht entsprechend dem Gestationsalter wiedergeben. Leider wurde sehr wenig darauf eingegangen. Das plazentare Gewicht und insbesondere die Ratio zwischen neonatalem Geburtsgewicht und dessen Plazentagewicht sind ein Surrogat der Effizienz bzw. korrelieren sowohl mit der Ausbildung des Zottenbaumes und mit der feto-plazentaren und uterinen Durchblutung. Diese Ratio ist somit ein Indikator der plazentaren Fähigkeit, eine adäquate Versorgung des Kindes aufrecht zu erhalten. Es besteht beinahe eine lineare Beziehung zwischen dem Geburtsgewicht und dem Plazentagewicht. Als Faustregel gilt eine Geburtsgewicht : Plazentagewicht-Ratio von 6:1 als normal. Ich will hier nicht zu weit ins Detail gehen, aber Störungen dieses Verhältnisses können nützlich sein, die histologischen Befunde zu relativieren. Dies gilt v. a. für die Fälle mit vermuteter Plazentainsuffizienz und/oder bei den „ungeklärten“ intrauterinen Todesfällen. Natürlich erklärt diese simple Mathematik nicht alle Probleme und subtilere mathematische Betrachtungen wie das sog. metabolic scaling oder Residuals können hilfreich sein, die Effizienz der Plazenta besser zu umschreiben. (2) Also, legen Sie Wert drauf, dass in den Gebärsälen das Plazentagewicht methodisch gut und reproduzierbar gemessen wird. Diese erwähnten Normkurven gelten nicht für formalinfixierte Plazentae. Für diese gibt es sogar eigene Normkurven. Obschon der Gewichtsunterschied vor und nach Fixation statistisch signifikant unterschiedlich ist (nach Fixierung schwerer), wird dies als klinisch irrelevant betrachtet. (3)

Literatur
1. Menter T, Swiss Med Wkly. 2024; 154:3929
2. Christians JK et al., Placenta. 2018; 68:52–8
3. Tambouret R et al., Am J Clin Pathol. 2019; 152(2):217–20

Luigi Raio

Brauchen wir wirklich nach Zystoskopien und ­Urodynamiken eine Antibiotikaprophylaxe?

Im Zeichen zunehmender und für mich sehr beunruhigender zunehmender Resistenzentwicklungen mache ich mir häufig Gedanken, an welchen Orten wir weiterhin Antibiotika einsparen können.

Die unkomplizierten Harnwegsinfekte sind das eine, bei denen wir zunehmend auf Alternativen wie ­Mannose und Phytotherapeutika bei recht guter Evidenz zugreifen sollten, die prophylaktische Gabe von Antibiotika bei Interventionen sind die andere grosse Gruppe, in der sich Antibiotika möglicherweise sparen lassen.

Harnwegsinfekte sind die häufigsten Komplikationen nach Urodynamiken und Zystoskopien, wobei in den vorhandenen Publikationen Raten von bis 20 % nach Zystoskopie und bis 28 % nach Urodynamiken angegeben werden.

Die aktuellen Guidelines empfehlen momentan keine Prophylaxe, dies allerdings aufgrund schwacher ­Evidenz.

Die vorliegende Studie untersucht die potenzielle Reduktion von Infekten nach Urodynamiken und Zystoskopien. Hierfür wurden bekannte modifizierbare Risikofaktoren periinterventionell optimiert.

In einer ersten Phase wurden212 Frauen eingeschlossen, Risikofaktoren für postinterventionelle HWI identifiziert und die Häufigkeit der HWI erhoben.

In einer zweiten Phase wurden 210 Frauen identifiziert und prophylaktische Massnahmen durchgeführt: Diese bestehen aus routinemässigen Urinkulturen vor der Intervention, und es wurde auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet, die im ersten Teil der Studie zwei Drittel erhalten hatten.

Es gab hier keine Veränderung der Häufigkeit von HWI, wohl aber weniger antibiotikabedingte Nebenwirkungen (p = 0.001).

Darüber hinaus wurde kein signifikanter Unterschied der Gesamtinzidenz von HWI in beiden Gruppen ­festgestellt.

Kommentar
Diese intelligente Studie zeigt eine deutlich niedrigere Rate von Harnwegsinfekten als in älteren Studien. Die Risikoidentifizierung führte zu keiner Senkung der Infekte.
Wir können daraus schliessen, dass wir guten Gewissens auf eine Antibiotikaprophylaxe bei Urodynamiken und diagnostischen Zystoskopien verzichten können und damit antibiotikabedingte Nebenwirkungen und hoffentlich Resistenzen vermeiden können.
Liegen prädisponierende Faktoren wie beispielsweise immer wieder rezidivierende Infekte oder eine Immunsuppression vor, können wir eine Antibiotikaprophylaxe diskutieren.

Annette Kuhn

Sonographisch verdicktes Endometrium ­postmenopausal – ab wann lohnt sich die Abklärung?

Durch die häufige Verwendung des transvaginalen Ultraschalls werden immer wieder Zufallsbefunde bei asymptomatischen Frauen erhoben, unter anderem ein verdicktes Endometrium. Es gibt unterschiedliche ­Studienresultate zur Interpretation dieser Befunde und auch die AWMF-Leitlinie beschäftigt sich mit diesem Thema. Hier wird aufgrund bisheriger Daten die ­Diskussion einer histologischen Abklärung ab einer Dicke von 11 mm empfohlen.

Eine aktuelle retrospektive Studie mit knapp 600 ­Patientinnen kommt zu dem Schluss, dass ein Cut-off-Wert von 8 mm statistisch am besten abschneidet. Bei Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes, arterieller Hypertonie oder suspekter Vaskularisation ist eine Abklärung bereits bei unter 8 mm zu diskutieren (Wang J et al., EJOG 2024; 302:104–10).

Kommentar
Jede Analyse wird vermutlich zu einem etwas anderen Cut-Off-Wert kommen, bei der Interpretation der Befunde sollte die persönliche Erfahrung des/der Untersuchenden sicher nicht unterschätzt werden.

Martin Heubner

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