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Die überaktive Blase: Was gibt es Neues?1

Die überaktive Blase betrifft ungefähr einen von sechs Erwachsenen, aber nur knapp die Hälfte sucht Hilfe – wahrscheinlich liegt hier immer noch ein Tabu versteckt, obwohl es hier – ob mit oder ohne Inkontinenz – zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität, des Sozial- und Sexuallebens kommen kann. Personen mit überaktiver Blase stürzen einfacher, schränken selber ihre Bewegungsfreiheit ein und sind häufig auf der ständigen Suche nach einer Toilette, was im Freundeskreis und in der Familie zu Unverständnis, Aggressionen und sogar Hass führen kann – ein Grund, diesen Symptomkomplex ein wenig näher zu beleuchten.

Die Ätiologie der überaktiven Blase ist heterogen, ­deswegen ist auch der Therapieansatz nicht immer ganz einfach.

Entzündliche Prozesse wie rezidivierende Harnwegsinfektionen, neurogene Ursachen wie typischerweise MS, eine Obstruktion, eine Alterung der Harnblase und seltener auch Tumoren werden hier als ursächlich gefunden. Ein grosser Teil der Patientinnen, die wir sehen, hat jedoch keinen spezifischen Grund und wird als idiopathische überaktive Blase klassifiziert. (Abb. 1)

Auch Atrophie, Tumore des äusseren Genitale ­(Obstruktion) und Lichen sclerosus können zu solchen ­Blasenstörungen führen und sollten ausgeschlossen werden.

Die überaktive Blase gehört zu den Blasenspeicherstörungen. Sie zeichnet sich durch einen plötzlich ­auftretenden, dringenden Harndrang aus, obwohl die Harnblase nur wenig gefüllt ist. Dieser Harndrang kann mit oder ohne Inkontinenz auftreten.

Diagnostik

Die überaktive Blase wird meist über eine Ausschlussdiagnose festgestellt. Eine häufige Miktion mit nur geringen Mengen Urin, die Trinkhäufigkeit und die Trinkmengen können über ein Anamnesegespräch erste Hinweise geben. Ein Miktionstagebuch kann hierbei Aufschluss über die funktionelle Harnblasenkapazität, die Trinkmenge und die Art des Getrun­kenen geben.

Als weitere Basisdiagnostik empfiehlt sich eine Medikamentenanamnese, eine urogynäkologische klinische Untersuchung und eine Urindiagnostik zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes oder einer Bakteriurie und eine sonografische Restharnbestimmung.

Als weiterführende Diagnostik bei beispielsweise ­Therapieresistenz oder begleitender Hämaturie sind die Zystoskopie mit Zytologie und gegebenenfalls die Urodynamik.

Therapie

Die Therapie der überaktiven Blase ist in erster Linie konservativ , wenn diese operativ versagt.

1 Linie -> Verhaltensänderungen/Verhaltenstherapie
2 Linie -> Medikamentöse Behandlung
3 Linie -> Operative Behandlung
(Abb. 2)

Erstlinientherapie

1. Beckenbodentraining zur Linderung des Harndrangs
2. Verhaltenstherapie (Raucherentwöhnung, Gewichtsabnahme)*
3. Blasentraining
4. Behandlung der vulvovaginalen Atrophie; meist bereits in Kombination mit

Medikamentöser Therapie

Beta-3-Adrenergika (Mirabegron®) und Antimuskarinika (Vesicare®, Emselex®, Vesoxx®) sind die wichtigsten Optionen (siehe Tabelle 1).

Propiverin ist in zwei Dosierungen erhältlich und hat blasenrelaxierende und blasenentspannende Wirkungen. Die Datenlage ist hier gut für eine Verbesserung der Blasenkapazität und Reduktion der Drangprobleme.

Die Kombination von Anticholinergika (z. B. Vesicare®) und Betamimetika (Mirabegron®) ist möglich und führt gemäss Studien zu einer Wirkungsverstärkung bei ähn­lichem Nebenwirkungsprofil.

Wichtige Kontraindikationen von Anticholinergika:

Engwinkelglaukom, unbehandelte Harnretention oder Überlaufblase, schwere intestinale Obstruktion oder atonische Darmwand, Myasthenia Gravis, Tachykardie, schwere Herzinsuffizienz

Wichtige Kontraindikationen von Betmiga®:

Schwere, nicht behandelte Hypertonie (systolischer Blutdruck ≥180 mmHg und/oder diastolischer Blutdruck ≥110 mmHg)

Verordnung mit Vorsicht: Patienten mit anamnestisch bekannter QT-Verlängerung oder unter Einnahme von bekanntermaßen das QT-Intervall verlängernden Arzneimitteln (z.B Escitalopram)

Antimuskarinika und Demenz

  • Wenn eine anticholinerge Therapie nötig ist, bevorzugen Sie Medikamente mit vorteilhaften physikochemischen und pharmakodynamischen Eigenschaften und prospektiven klinischen Daten zu kognitiven Wirkungen (wie bei Solifenacin, ­Darifenacin und Trospium und Propiverin)
  • Oxybutyninpräparate sollten bei Personen > 65 Jahre vermieden werden
  • Mirabegron hat sich als sichere und gut verträgliche Behandlung für ältere OAB-Patienten erwiesen (Wagg et al 2014)

Es hat sich folgendes Therapieschema bewährt: Abb. 3

Also – was gibt es Neues?

– Propiverine ist in zwei verschiedenen Dosen für Erwachsene verfügbar und kann auftitriert werden

– Die Kombination von Anticholinergika mit Betamimetika (Mirabegron®) führt zu einer Wirkverstärkung bei ähnlichem Nebenwirkungsprofil

Literatur
Bei der Autorin erhältlich

1 Synonyme: hyperaktive Blase, Reizblase, Frequency-Urgency-Syndrom; Englisch: overactive bladder(OAB)
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