FHA sehr persönlich

Einbürgerung hier und dort …

Tatsächlich – ich bin vor einigen Jahren mehr oder weniger problemlos eingebürgert worden, nachdem ich in der Schweiz über 20 Jahre bereits gelebt und gearbeitet habe. Warum hat es solange gedauert? Ich bin ein wenig schwierig mit dem Besorgen von Papieren, Bescheinigungen und Dokumenten, die für diesen Prozess notwendig waren.

Dann aber war es soweit – ich bekam eine Einladung, mich mit einer Bescheinigung, dass ich meine Steuern bezahlt habe, und mindestens einer Stunde Zeit auf der lokalen Polizeidienststelle einzufinden. Tja – und diese Stunde Zeit bereitete mir etwas ­Kopfzerbrechen. Muss ich jetzt wissen, wie hoch die Dufourspitze ist oder wieviel Maizena in ein gutes Fondue gehört, fragte ich den Polizisten vorgängig telefonisch.

Er lachte und sagte: Nein, ich solle einfach mal ­kommen.

Mit schweissnassen Händen trat ich an. Der Herr bei der Polizei begrüsste mich freundlich, startete den Computer auf und sagte: „Ah ja, Sie sind vor 15 Jahren mal zu schnell gefahren!“ Ich erwiderte, dass ich dachte, das sei bereits gelöscht. Die Antwort war klar und einfach: „Ja ja, das ist bereits gelöscht.“?

Danach kamen Fragen, ob ich Mitglied im lokalen Frauenverein sei – nein, antwortete ich, und zum Glück fiel mir ein, dass ich Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und Mitglied der Kantonalen Ethikkommission sei, was zum Glück in Kombination mit meiner Spitalarbeit meine latente Zeitnot erklärte und den Frauenverein der Wichtigkeit enthob.

Die letzte Frage, die mit mehrfachen Beteuerungen, wie peinlich dem Polizisten diese Frage sei, war, ob ich Kontakte zum Rotlichtmilieu habe, die ich wahrheitsgemäss mit „Ja“ beantwortet habe. Der Polizist blickte in Unkenntnis meines Berufes leicht irritiert; als ich meinen beruflichen Hintergrund erklärte, entspannte sich die Lage und ich wurde erst einmal entlassen, um nach einiger Zeit den Bescheid der Einbürgerung zu bekommen und damit auch die Erlaubnis, einen Pass zu beantragen, beides per Brief und ohne formelle Zeremonie.

Ganz anders ein Freund, der sich in England nach Jahren einbürgern lassen wollte, ursprünglich aus Gaza stammend, verheiratet seit Jahren mit einer ­Engländerin.

Er musste sich einem Test über die englischen Kriege, die Frauen Heinrichs des VIII. und die parlamentarischen Besonderheiten unterziehen, den er glänzend bestand.

Monate nach dem bestandenen Test wurde er ins ­Rathaus für eine „citizenship ceremony“ eingeladen, dress code „formal“.

Ein eleganter Raum war hierfür vorgesehen, die Musikuntermalung bestand aus „Loch Lomond“ und „Wild Mountain Thyme“, um eine möglichst festliche Atmosphäre zu kreieren.

Vor dem Portrait der Queen neben der Union Flag wurden die Anwesenden von einer in Schwarz ­gekleideten Offizialsperson willkommen geheissen, die erklärte, dass man leider noch kein Portrait von Charles III. habe. Jeder der Anwesenden musste aufstehen und einen Eid leisten, von dem ich anzweifele, dass alle britischen Bürger ihn wirklich ablegen ­würden:

„I (insert name here) swear that on becoming a British citizen I will faithful and pledge true allegiance to his majesty King Charles III, his heirs and successors.“

Die Namen der neuen Bürger wurden verlesen, und jeder bekam seine Urkunde, und alle applaudierten.

Am Schluss hörten alle die britische Nationalhymne stehend, und es war ein bisschen wie die Atmosphäre auf alten Schwarzeiss-Fotos. Die Erfahrung dieser Einbürgerung war besonders – sowohl altmodisch als auch unzynisch positiv. In diesem Moment war es toll, ein Brite zu sein.

Mit der Urkunde bekam jeder der Anwesenden einen Willkommensbrief von James Cleverly, dem damaligen Home Secretary: „Communities in the United Kingdom are stronger due to wide range of diverse backgrounds and experiences that created them. We share fundamental values of integrity and fairness, adherence to the rule of law and order, commitment to democracy and our protection of freedom of speech.“ – Worte, die man von Politikern nicht so oft zu hören bekommt.

Die Unterschiede der Einbürgerungsriten sind evident, wir haben keinen König Charles III., und ich weiss nicht, wie ich es mit einem Eid auf Viola Amherd gehalten hätte, schliesslich ist mein Mann Solothurner und nicht Walliser, vermutlich hätte es Diskussionen um lokale und private Loyalitäten gegeben.

Trotz allem hat das englische Verfahren meinen ­grössten Respekt und meine Anerkennung.

Ich bin aber auch froh – trotz eher nüchterner Atmosphäre – hier eingebürgert zu sein, wo ich lebe und bin und nach vielen Jahren als „Auslandsdeutsche“ wieder wählen darf.

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