Als wir in der Redaktionskonferenz über das „Thema“ zu dieser Ausgabe der FHA diskutiert haben, habe ich mich etwas transportieren lassen von diesem neuen Konzept des „4. Trimesters oder Trimenon“ – wie es auch genannt wird – im Leben einer Frau. Dabei war mein Fokus eher auf die Assoziation zwischen Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie und Gestationsdiabetes und kardiovaskulären sowie metabolischen Erkrankungen später im Leben.
Ich hatte vergessen, dass ich mich schon vor längerer Zeit und im Verlauf meiner FHA-Aktivitäten als „geburtshilflicher Editor“ bereits viele Male und auch intensiv mit dieser Interaktion zwischen Schwangerschaft und längerfristiger Gesundheit von Mutter bzw. Frau oder Kind auseinandergesetzt habe. Dass die Schwangerschaft nicht nur eine Belastung für die Frau, sondern auch ein Belastungstest für ihre zukünftige Gesundheit darstellt, ist nun weitgehend in unser Denken und Handeln eingeflossen, hoffe ich. Als Hausärzte der Frau sollten wir dieser Rolle auch gerecht werden und die Informationen und Erfahrungen aus den Geburten und Schwangerschaften zur Risikostratifizierung für die längerfristige Gesunderhaltung durch Prävention und Lifestyle-Anpassungen nutzen. Ein Leitmotiv unserer Präeklampsie-Nachsorgesprechstunde ist, die Frau zu motivieren, sich gesund zu verhalten, um längerfristig ihr Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten tief zu halten. Diese Motivation ist wichtig und wir sind überzeugt, dass auch die Kinder von diesem Verhalten profitieren und der Mann passiv ebenfalls. Somit schaffen wir es, über die Mutter positiv auf die Gesunderhaltung der Familie und letztendlich Gesunderhaltung der Gesellschaft zu wirken. Damit habe ich eigentlich schon alles gesagt, was mir am Herzen liegt. Zu wenig, zu einfach. Muss noch etwas ausholen und dieses 4. Trimenon in einem weiteren Kontext sehen!
Der Begriff „Trimester“ kommt vom Lateinischen „tri-“ (drei) und „-mensis“ (Monat), bedeutet also wörtlich „Dreimonatszeitraum“. Da die Schwangerschaft nach dem Gregorianischen Kalender etwa neun Monate dauert, war es naheliegend, diesen Prozess in drei Abschnitte zu unterteilen. Diese Einteilung hat sich in der Praxis bewährt und ist tief in der medizinischen Terminologie verankert. Die drei Trimester spiegeln wichtige Phasen der fetalen Entwicklung wider. Das erste Trimester dauert von 0–12 Wochen, das zweite von 13 bis 26 Wochen und das dritte von 27 bis 40 Wochen. In diesen Phasen kommt es zu wichtigen fetalen Veränderungen welche von der Organbildung zum raschen Wachstum, zur Gewichtszunahme, Reifung der Organe und Positionierung des Fetus für die Geburt charakterisiert sind. Diese Dreiteilung macht es Medizinern und werdenden Eltern einfacher, den Verlauf der Schwangerschaft zu strukturieren und zu verstehen. Wie bereits erwähnt, hat die breite Akzeptanz des Gregorianischen Kalenders zusätzlich dazu beigetragen, dass diese Einteilung in drei Trimester akzeptiert wurde und zu standardisierten Vorgehensweisen und Empfehlungen geführt hat. Natürlich gibt es auch andere Gesellschaften mit anderen Zeitmessungen. So wird in der traditionellen chinesischen Medizin die Schwangerschaftsdauer oft als zehn Mondmonate beschrieben. Ein Lunarmonat entspricht dem Zeitraum, den der Mond braucht, um einmal die Erde zu umkreisen, also 29,5 Tage. Zehn Lunarmonate entsprechen somit etwa 295 Tagen, was ziemlich nah an den 280 Tagen der durchschnittlichen Schwangerschaft liegt. Die Äthiopier berechnen den Geburtstermin manchmal auf Grundlage eines anderen Kalendersystems, das nicht mit dem Gregorianischen übereinstimmt. In einigen Teilen Indiens wird eine Schwangerschaft als zehn Monate à 28 Tage betrachtet, während in der jüdischen Tradition (Hebräischer Kalender) sie oft in 271 Tagen (neun Monate und sieben Tage) berechnet wird, basierend auf Überlieferung.
Der Begriff „4. Trimenon“ wird in der Regel spezifisch für die Zeit unmittelbar nach der Geburt verwendet, um die ersten drei Monate im Leben eines Neugeborenen und die Anpassungsphase der Frau, der Eltern zu beschreiben. Zurückkommend auf meinen einleitenden Abschnitt ist es zunehmend anerkannt, dass diese Phase der Anpassung, des Wachstums und der Bindung oft länger dauert. Viele Eltern und Experten sehen das vierte Trimenon als eine flexible Phase, die sich über das erste halbe Jahr oder sogar bis zum ersten Geburtstag des Kindes erstrecken kann. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass sowohl die physische als auch die psychische Anpassung des Körpers nach der Schwangerschaft und Geburt und das Leben mit einem Neugeborenen ein Prozess ist, der für die Frau und jede Familie unterschiedlich lange dauern kann. Diese Anpassungen können gestört sein und wir kennen spezifische Krankheitsbilder, welche in diesem 4. Trimenon zu erwarten sind bzw. wir dafür sensibilisiert sein müssen. Wir wissen, dass das „Schwanger werden“, die Schwangerschaft austragen und die Geburt sehr sensible Phasen im Leben der Frau, des Paares und der Familie darstellen. Regelwidrige Verläufe in den ersten drei Trimenons können das 4. Trimenon negativ beeinflussen oder Hinweise für zu erwartende Komplikationen sein.
Wenn man das 4. Trimenon so beschreibt, scheint es nicht auch für die Lebensphasen, die auf das Ende der fruchtbaren Jahre folgen, gedacht zu sein. Mit dem Einsatz der Reproduktionsmedizin muss das Verständnis des 4. Trimenons auch in die Zeit nach dem biologisch gebärfähigen Alter ausgedehnt werden.
Löst man den Begriff „4. Trimenon“ von seiner physischen Bedeutung und verwendet ihn als eine Metapher für eine Lebensphase nach dem gebärfähigen Alter, könnte er symbolisch für eine Zeit der Anpassung, des Wachstums und der Neuorientierung der Identität stehen. Das Lösen von traditionellen Rollen (z. B. Mutterschaft) lässt neue Aspekte der Persönlichkeit und neue Lebensziele entdecken. In diesem Sinne könnte das „4. Trimenon“ als eine Art „zweites Erwachsenwerden“ oder „neues Kapitel“ im Leben verstanden werden, das nach der Menopause beginnt.
Ich weiss nicht, wieso die Zahl 4 wichtig ist. Wahrscheinlich hat es etwas mit unserer Verbundenheit mit den vier Jahreszeiten (siehe Titelbild, allegorische Interpretation der vier Jahreszeiten von Walter Cranes, 1845–1915), den etwa vier Wochen langen Lunarmonaten oder den vier Mondphasen, den vier Himmelsrichtungen, den vier Elementen der griechischen Philosophie, den vier Reitern der Apokalypse, den vier Grundrechenarten, den vier DNA-Basen etc. zu tun. Diese Vielfalt zeigt, wie tief die Zahl 4 in unser Verständnis der Welt eingebettet ist, sowohl in konkreten physischen Systemen als auch in abstrakten Konzepten und Symbolen. Damit schliesse ich diesen Exkurs in das 4. Trimenon.