Wussten Sie schon

Langzeitmorbidität und Mortalität nach peripartaler Cardiomyopathie / Genetische Beratung durch ChatGPT / Assoziation zwischen nächtlicher Hitzewallung und M. Alzheimer? Verhinderung von Polyspermie / Hilfsmittel bei HWI zur Verhinderung von Katheterisierungen / Uterusmyomen bei Frauen mit afrikanischer Abstammung / Covid-Infektion in der Frühschwangerschaft / Einfluss auf das Lipidprofil bei Einnahme von Aromataseinhibitoren / Hämatogene Metastasierung des Mamma-Ca: beim Schlafen?

... dass Frauen nach peripartaler Cardiomyopathie (PPCM) eine sehr hohe Langzeitmorbidität und Mortalität aufweisen und sich der linken Ventrikel auch nach zehn Jahren nur in 76 % der Fälle erholt?

Jackson AM et al. EHJ 2023;44: 5128–41

Kommentar
Das ist eine grosse, retrospektive Studie, welche Frauen nach PPCM definiert als linksventrikuläre ­Dysfunktion mit einer EF ≤ 50 % oder einer qualitativen ­systolischen Dysfunktion, nachdem vorbestehende Herzprobleme ausgeschlossen wurden. Die ­Inzidenz in Schottland liegt bei 1:4950. Es konnten 225 Frauen eingeschlossen werden. 82 % wurden postpartal diagnostiziert und 30 % mussten auf die Intensivstation verlegt werden. Risikofaktoren sind Adipositas, Gestationshypertonie, Präeklampsie, PPH, Multiparität und Mehrlingsschwangerschaften. Diese Risikofaktoren zeigen, dass es Frauen sind, welche chronisch oder akut einer übermässigen kardiovaskulären Belastung ausgesetzt sind. 8% der Frauen sind innerhalb von 8.3 Jahren verstorben und 75 % mussten aus verschiedenen Gründen mindestens einmal hospitalisiert werden. Auch die Kinder dieser Frauen zeigen eine fünffach höhere Mortalität als Kontrollen und 3.3-fach höhere kardiovaskuläre Morbidität.

Luigi Raio

… dass ChatGPT eine genaue genetische Beratung für gynäko­logische Krebsarten durchführen kann?

Die Genauigkeit von ChatGPT Version 3.4 wurde bei der Beantwortung gängiger Fragen zu ­Gentests und Beratung bei gynäkologischen Krebserkrankungen bewertet. Vierzig Fragen, die sich auf genetische Beratungsrichtlinien und spezifische genetische Störungen bezogen, wurden durch gynäkologischen Onkologen ­formuliert. ChatGPT lieferte ­korrekte und umfassende Antworten auf 82,5 % der Fragen, 15 % waren korrekt, aber nicht umfassend, und 2,5 % waren teilweise falsch. Keine Antwort war völlig falsch. In der Kategorie der genetischen Beratung beantwortete ChatGPT alle Fragen mit 100 % Genauigkeit und umfassenden Antworten. Bei spezifischen genetischen Erkrankungen lag die Genauigkeit bei 88,2 % für erblichen Brust- und Eierstockkrebs und bei 66,6 % für das Lynch-­Syndrom. Die Studie kommt zum Schluss, dass ChatGPT eine nützliche Ressource für Patienten sein kann, die Informationen über genetische Beratung suchen (Patel JM et al., Gynecol Oncol 2024;183: 115–9). 

Kommentar
Im klinischen Alltag könnten Betroffene jedoch mehr Input von gynäkologischen Onkologinnen und Onkologen für die Aufklärung über genetische Syndrome benötigen.

Michael D. Mueller

… dass das Auftreten nächtlicher Hitzewallungen mit einem erhöhten Risiko für M. Alzheimer assoziiert sein könnte?

In einer Studie zeigten sich Assoziationen mit Beta-Amyloiden, die in der Pathogenese der Demenz eine Rolle spielen (Thurston RC et al., AJOG 2024; 230(3): 342E1–342E8

Martin Heubner

… wie die Eizellen verhindern, dass sie von mehreren Spermien befruchtet werden (Polyspermie)?

Nach der Fertilisation einer Eizelle durch eine Samenzelle verhärtet sich die Eihülle (Zona pellucida, ZP). Ein Eindringen weiterer Spermatozoen wird somit verhindert. Forschende der Karolinska Universität in Schweden weisen nun nach, dass dies mit einer Abspaltung der N-Terminal Region (NTR) des Glykoproteins (ZP2) zu tun hat. Dies führt zu einer ­ausgedehnten Verkettung der ZP-Filamente mit anderen Molekülen, was zu einer Verhärtung der ZP führt und weiteren Spermatozoen so das Eindringen verwehrt (Nishio, S et al., Cell 2024;187: 1440–9). (Abb 1.)

Kommentar
Verschiedene Mutationen in ZP-Genen wurden mit Infertilität ­assoziiert und immer mehr solcher Mutationen werden entdeckt. Diese neuen Erkenntnisse könnten die Sterilitätsursache: „Nicht penetrierbare Eizellen“ aufklären helfen.

Michael K. Hohl

… dass Frauen afrikanischer Abstammung häufiger eine Mutation in der Untereinheit 12 des Mediatorkomplexes aufweisen als Frauen kaukasischer Abstammung?

Bekanntlich ist die Inzidenz von Uterusmyomen bei Frauen afrikanischer Abstammung höher als bei Frauen kaukasischer Abstammung. Erstere haben auch häufig mehr Myome und in einer früheren Lebensphase als Letztere. In einer Multi-omics-Analyse wurden die molekularen Unterschiede von Uterusmyomen zwischen Frauen afrikanischer Abstammung (n = 42) und Frauen kaukasischer Abstammung (n = 47) untersucht. In den Myomen von Frauen mit afrikanischer Abstammung konnten mehr Mutationen der Untereinheit 12 des Mediatorkomplexes (MED12) nachgewiesen werden. Im Vergleich zu Myomen des Wildtyps gingen diese Myome auch mit einer verstärkten Fibrose einher und waren grösser (Bateman NW et al., doi.org/10.1016/j.ajog.2024.04.051).

Kommentar
Protein-kodierende Gene werden von der RNA-Polymerase II abgelesen, dem zentralen Enzym der Genexpression. Der sogenannte Mediatorkomplex bildet die Brücke zwischen transkriptionellen Regulatoren und dieser RNA-Polymerase II. Solche Studien vertiefen das Verständnis der Myom-Entwicklung und werden in Zukunft auch gezieltere medikamentöse Therapien ermöglichen.

Michael D. Mueller

… dass eine Covid-Infektion in der Frühschwangerschaft das Risiko eines fetalen situs inversus erhöhen kann, zumindest in China?

(Wang Y et al., N Engl J Med; 2023: 389;18)

Kommentar
Von Januar bis Juli 2023 wurden 56 Fälle diagnostiziert. Im Vorjahr waren es 18 Fälle in zwölf Monaten. Die Erklärung dieser deutlichen Zunahmen der Inzidenz von Lateralisierungsfehlbildungen korrelierte stark mit der Epidemiologie der Covidinfektion in diesen chinesischen Regionen. Auch wenn eine virale vertikale Covid-Transmission in der Frühschwangerschaft noch Gegenstand von Spekulation ist, kann die SARS-Cov-2-induzierte maternale Inflammation den Lateralisierungsprozess beim Embryo stören. Mir ist nicht bekannt, dass wir in der Schweiz eine ähnliche Inzidenz verzeichnet haben.

Luigi Raio

… dass die Einnahme von Aromataseinhibitoren das Lipidprofil ungünstig beeinflussen kann?

Bereits mehrere Studien haben einen solchen Effekt gezeigt. In einer aktuellen Metaanalyse (acht randomisierte Studien) konnte dies am Beispiel von Exemestan erneut bestätigt werden. Bei signifikanter Erhöhung des LDL-Cholesterins sinkt gleichzeitig das HDL-Cholesterin. Östrogene haben bekanntermassen einen günstigen Einfluss auf das Lipidprofil, sodass die Ergebnisse nicht überraschen. Eine Sensibilisierung für diesen Effekt ist jedoch, insbesondere bei langen Therapiedauern >5 Jahre, sicher begrüssenswert (Yang LJ et al., Eur Jour Obst&Gyn and Reprod Biol 2024; 295: 25–33).

Martin Heubner

… dass die hämatogene Metastasierung des Mamma-Ca sich beim Schlafen intensiviert?

Forschende der Universität Basel und der ETH Zürich publizierten ihre Untersuchungen an Frauen und Mäusen im Nature (Diamantopoulos, Z et al Nature 2022–607: 160 50).
Zirkulierende Tumorzellen (CTC) wurden im Blut von Frauen mit Mammakarzinom jeweils um 4 Uhr morgens und 10 Uhr morgens, das heisst in der Ruhephase und Aktivphase des Tages, entnommen. 21 Patientinnen hatten ein Frühstadium (keine Metastasen), neun waren im Stadium IV (metastasiert). CTC wurden in 78,3 % während der Ruhephase festgestellt, hingegen nur 22 % in der Aktivphase (Abb. 1).

Diese Erkenntnisse wurden an vier Mäusemodellen getestet, wobei menschliche Mamma-Ca-Zellen in die Mäuse verpflanzt wurden. Nachdem der transplantierte Tumor Wachstum zeigte, wurde auch bei den Mäusen CTC zirkadian untersucht. 90 % der CTC fanden sich während der Ruhephase (Blutentnahme durch Punktion der Mäuseherzen) alle vier Stunden. Die CTC’s zeigten ein klares zirkadianes Muster (Abb. 2).

Im Weiteren zeigte die Mäusestudie, dass CTC’s in der Ruhephase ein hohes Metastasenpotenzial nachwiesen, diejenigen der Aktivphase jedoch praktisch keins.

Kommentar
Überraschende Erkenntnisse, die sicher durch weitere Untersuchungen bestätigt werden sollten. Falls eine zirkadian sich abspielende Tumorzellabsonderung tatsächlich vorhanden ist, hätte dies wahrscheinlich praktische Auswirkungen. Zum Beispiel müsste dann eine Chemotherapie besser nachts gegeben werden. Viele Fragen noch offen! Zum Beispiel, ob dies auch für andere Karzinome zutrifft.

Michael K. Hohl

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen
loading