Neuigkeiten bei der Detektion des Endometriumkarzinoms
Martin Widschwendter, geboren 1968, arbeitete nach seiner Ausbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universität Innsbruck 2001 am Norris Comprehensive Cancer Center in Los Angeles (USA) und hat im Anschluss das erste in Österreich zertifizierte Brustgesundheitszentrum mitbegründet und geleitet. 2005 wechselte er an das University College in London (UCL), wo er eine Ausbildung als Spezialist in gynäkologischer Onkologie absolvierte und eine große Forschungsgruppe aufgebaut hat, die sich mit der Rolle der Früherkennung, Risikoprädiktion und Prävention von Brust- und gynäkologischen Krebserkrankungen befasst. Von 2010 bis 2020 leitet er das UCL Department of Women’s Cancer. 2017 bekam er als erster österreichischer Arzt den „Advanced Grant“, die höchste Auszeichnung des European Research Council (ERC). Seit 2020 leitet Martin Widschwendter das vom Land Tirol gegründete Institut für Prävention und Screening (EUTOPS) in Hall in Tirol, das auch in Kooperation mit der Universität Innsbruck umgesetzt wird. Neben seiner Professur am UCL und einer Gastprofessur am Karolinska Institutet in Stockholm hat Martin Widschwendter hier seit Januar 2020 eine Professur für Krebsprävention und Screening inne. Die Forschungsarbeit von Martin Widschwendter konzentriert sich auf die Früherkennung, Risikoprädiktion und Prävention von Krebs und hier vor allem auf gynäkologische Malignome und Brustkrebs.
Prof. Michael Mueller: Lieber Professor Widschwendter, vielen Dank, dass Sie bei diesem Interview mitmachen. Warum interessieren Sie sich für die Diagnostik des Endometriumkarzinoms?
Prof M. Widschwendter: Das Endometriumkarzinom ist das häufigste gynäkologische Malignom, und besonders besorgniserregend ist die rasch ansteigende Inzidenz der nicht-endometrioiden Korpuskarzinome, die eine schlechtere Prognose haben.
Gibt es derzeit ein Screening-Verfahren für das Endometriumkarzinom?
Nein, ein spezifisches Screening für das Endometriumkarzinom existiert bislang nicht und nur in 3–13 % der Fälle mit postmenopausaler Blutung besteht tatsächlich ein Endometriumkarzinom.
Und bei abnormen Blutungen in der Prämenopause?
In der Prämenopause sind nur ca. 0.5 % der Blutungen durch ein Endometriumkarzinom bedingt.
Was sind denn die Folgen einer verzögerten Diagnose eines Korpuskarzinoms?
Eine Verzögerung der Diagnose hat bei Korpuskarzinomen, wie bei anderen Malignomen, direkte Auswirkungen auf das Überleben. Beispielsweise würde eine Verzögerung der Diagnose und Therapie um nur einen Monat in England zu 10, 81 und 117 zusätzlichen Todesfällen pro Jahr durch Zervix-, Ovarial- und Korpuskarzinome führen. Eine Verzögerung von sechs Monaten würde zu 75, 464 und 939 zusätzlichen Todesfällen pro Jahr führen.
Welche Methoden empfehlen die derzeitigen Leitlinien zur Diagnose eines Endometriumkarzinoms bei abnormer Blutung?
Die aktuellen awmf-S3-Leitlinien empfehlen bei abnormaler Blutung eine klinische Untersuchung, Zytologie und transvaginale Ultraschalluntersuchung. Diese Verfahren sind jedoch subjektiv und stark vom Erfahrungsstand der Untersucher abhängig.
Was sind die Einschränkungen dieser diagnostischen Methoden?
Eine klinische Untersuchung kann beispielsweise ein Zervixkarzinom erkennen, jedoch nicht ein Endometriumkarzinom. Die Zytologie hat bei symptomatischen Frauen eine Sensitivität von nur 45 % für die Detektion des Endometriumkarzinoms. Mittels transvaginaler Sonographie wird die Endometriumsdicke erfasst, jedoch variiert die Detektionsrate bei unterschiedlichen Ethnien und die Spezifität ist mit Werten zwischen 25.7 % und 42.1 % eher gering.
Wie könnte die Diagnostik des Endometriumkarzinoms verbessert werden?
Es braucht einen Test, der einfach durchzuführen ist und automatisiert rasch analysiert werden kann und verlässliche Resultate gibt. Dieser Test sollte eine dem Ultraschall vergleichbare Sensitivität haben, aber eine deutlich verbesserte Spezifität aufweisen.
Gibt es denn so einen Test?
Ja, es gibt einen neuen Test, den WID-qEC, auch WID-easyTest genannt. Die exzellenten Resultate des Tests wurden kürzlich im Lancet Oncology veröffentlicht.
Können Sie uns mehr über diesen Test erzählen?
Der WID-qEC Test wurde von Herzog C. und Mitarbeiter primär am UCL entwickelt und im J Clin Oncol publiziert. Er basiert auf der Analyse der DNA-Methylierung in zervikovaginalen Abstrichen. Zwei Regionen der Gene ZSCAN12 und GYPC sind beim Vorhandensein eines Karzinoms vollständig methyliert. Der Test zeigt eine hohe Sensitivität und Spezifität und ist für einen raschen Durchsatz klinischer Proben geeignet.
Wie effektiv ist der WID-qEC Test in der Praxis?
In der oben erwähnten Studie, von Evans et al. letztes Jahr im Lancet Oncology publiziert, wurde der Test an ≥45 Jahre alten Frauen mit abnormalen Blutungen validiert. Der Test zeigte eine Sensitivität von 91 % und eine Spezifität von 97 %, was deutlich besser ist als die Ergebnisse des transvaginalen Ultraschalls. Der WID-qEC Test könnte die Anzahl unnötiger operativer Eingriffe drastisch reduzieren.
Was könnten die praktischen Implikationen der Einführung des WID-qEC Tests sein?
Frauen mit einem positiven WID-qEC Test sollten schnell einer histologischen Diagnose und entsprechenden Therapie unterzogen werden. Im Gegensatz dazu können Frauen mit einem negativen Test vorerst konservativ behandelt und überwacht werden. Insgesamt könnte der Test die Rate unnötiger operativer Eingriffe um über 90 % reduzieren und somit die Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms erheblich verbessern.
Herzlichen Dank für dieses spannende Interview, wir sind gespannt auf die Einführung dieses wichtigen Tests!!!