Endokrinologie

Woman on Fire

Das Sachbuch „Woman on Fire“ von Sheila de Lix (Abb. 1) hat es in die Spiegel-Beststellerliste für Sachbücher geschafft. Das Interesse an der Menopause ist gross und die Frauen sind glücklicherweise immer besser informiert.

Derzeit befinden sich in der Schweiz etwa eine Million Frauen zwischen 45 und 58 Jahren in den Wechseljahren. Etwa 60 % dieser Frauen haben behandlungsbedürftige Symptome. Ihre Beschwerden reichen von den klassischen Hitzewallungen über Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, vaginale Trockenheit zu Libidoverlust. Die Bandbreite und Ausprägung der Symptome sind gross.

Was können wir diesen Frauen nun anbieten? Insbesondere, jedoch nicht ausschliesslich auf die Möglichkeit einer Testosterontherapie möchten wir in diesem Artikel eingehen.

Initial steht eine genaue Erhebung der Symptome im Vordergrund. Welche Symptome sind für die Frau besonders belastend? Mit dem Menopause Rating Scale (MRS) (1) können die Symptome standardisiert erhoben werden (Abb. 2).

Auf einen Hormonstatus bzw. die Bestimmung von FSH im Serum kann bei typischer Symptomatik bei Frauen über 45 Jahren verzichtet werden. Wenn die Patientin mindestens ein Jahr keine vaginale Blutung mehr hatte (und auch keine Eingriffe, welche eine Amenorrhö verursachen), spricht man von der Menopause. Auch bei hysterektomierten Frauen über 45 Jahren mit typischen vasomotorischen Beschwerden braucht es keine FSH-Bestimmung (2).

Ist die Patientin jedoch unter 45 Jahren oder gar unter 40 mit vasomotorischen Beschwerden und Zyklusveränderungen sollte ein Hormonstatus gemacht ­werden (2).

Falls eine Hormonanalyse durchgeführt wird, sollte diese im Serum erfolgen. Hormonanalysen im Speichel erlauben aktuell keine ausreichende sensitive und ­spezifische Analytik. (3)

Hormonersatztherapie (HRT)

Eine sehr weitgehende Verunsicherung fast aller ­Patientinnen, aber auch der Ärzteschaft durch die „WHI“-Studie hat ein mehrheitlich negatives Licht auf eine Hormonersatztherapie geworfen. Über 20 Jahre später ist diese zum grössten Teil durch zahlreiche weitere Erkenntnisse „rehabilitiert“ worden. So ist eine differenzierte Betrachtungsweise möglich. Das Informationsbedürfnis der Betroffenen ist dadurch sicher noch grösser geworden.

Alle Patientinnen sollten über hormonale und nicht-hormonale Therapieoptionen aufgeklärt werden.

Bei der Hormonersatztherapie (HRT) fragen die ­Patientinnen häufig nach bioidentischen Hormonen. Hierbei handelt es sich um Substanzen, welche die gleiche chemische und molekulare Struktur aufweisen wie die vom menschlichen Körper produzierten ­Hormone, zum Beispiel Östrogen, Progesteron oder Testosteron. Daneben stehen die klassischen synthetischen Hormone wie Dydrogesteron, Medroxyprogesteron oder Norethisteron. Essenziell wichtig ist, dass Frauen mit einer Gebärmutter zum Endometriumsschutz eine kombinierte HRT aus Östrogen und einem Gestagen erhalten. (4) Dies kann auch lokal geschehen (z. B. Mirena-IUD).

Eine HRT mit bioidentischen Hormonen erfolgt klassischerweise mit einer transdermalen Gabe von Estradiol, entweder als Gel oder als Patch plus-Progesteron bei Frauen mit Gebärmutter. Bei Schlafstörungen empfehlen wir das Progesteron abends per os. (Tabelle 1)

Alternativen zur HRT

Auch Frauen mit Kontraindikationen für eine HRT oder solchen, welche keine Hormone einnehmen möchten, können wir etwas anbieten.

Nichtmedikamentös
Die körperliche Aktivität sollte in der Peri- und Postmenopause gefördert werden, insbesondere da sie auch für die langfristige Gesundheit Vorteile bietet. Es gibt wenige Studien dazu ob Ausdauersport die vasomotorischen Beschwerden senken kann. Im Vergleich zur HRT ist der Sport sicherlich unterlegen (2). Somit sollte die sportliche Betätigung nicht als Akuttherapie gesehen werden, sondern al langfristige Präventionsstrategie.

Akupunktur kann Frauen mit vasomotorischen Beschwerden empfohlen werden, da sie signifikant die Hitzewallungen senkt (5).

Medikamentös
Häufig und mit gutem Erfolg verwendet wird aus dem Bereich der Phytotherapie die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa, Cimifemin). Hierbei ist zu beachten, dass die volle Wirkung erst nach zwei bis drei Monaten eintritt.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Paroxetin sowie selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) wie Venlafaxin reduzieren signifikant Hitzewallungen. Startdosis ist hier 10 mg/Tag Paroxetin oder 37.5 mg/Tag Venlafaxin. Der Wirkungseintritt ist innerhalb der ­ersten zwei Behandlungswochen.

Eine Ganglion Stellatum-Blockade kann nach ­Therapieversagen o.g. Methoden bei Frauen mit ­starken vasomotorischen Beschwerden besprochen werden (5).

Seit Dezember 2023 ist der Neurokinin 3 Rezeptor Antagonist Fezolinetant (Veoza) zur Therapie von Hitzewallungen in der Schweiz erhältlich (6). Fezolinetant wirkt als Antagonist des NK3-Rezeptors im Thermoregulationszentrum des Hypothalamus. Er reduziert die vasomotorischen Beschwerden um ca. 65 % und es ist mit einem Wirkungseintritt nach zirka einer Woche zu rechnen. Die tägliche Dosis Fezolinetatn beträgt 45 mg. Kontraindikationen sind mittlere und schwere Leberinsuffizienz sowie gleichzeitige Einnahme von CYP1A2-Inhibitoren. Laut FDA sollen vor Therapiebeginn und nach 3, 6 und 9 Monaten die Transaminasen und Bilirubin bestimmt werden (7). Patientinnen mit bestehendem oder früherem Mammakarzinom wurden in den aktuell vorliegenden Studien mit Fezolinentant nicht untersucht. Somit gibt es für diese ­Patientinnen aktuell noch keine Daten zur Sicherheit des Einsatzes der Therapie. Dies gilt insbesondere für Patientinnen unter antihormoneller Therapie. Die ­Entscheidung, diese Patientinnen zu behandeln, sollte individuell erfolgen (8).

Testosterontherapie bei menopausalen Frauen

Die Testosterontherapie erfährt neben der klassischen Hormonersatztherapie zunehmende Aufmerksamkeit.

Androgene

Androgene werden im Ovar, in der Nebennierenrinde und peripher, vor allem im Fettgewebe, aus steroidalen Vorstufen produziert (Abb. 3).

Die Hauptandrogene im Blutkreislauf sind Androstendion und Dehydroepiandrosteron (DHEA) bzw. Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA-S), welche als relativ schwach potente Androgene gelten, sowie ­Testosteron und Dihydrotestosteron (DHT). Letzteres ist das potenteste Androgen (9).

Die Androgenproduktion bei Frauen variiert mit dem Alter. Während der Pubertät steigt sie an, im weiteren Lebensverlauf nimmt sie langsam bis auf etwa 50 % des Maximalniveaus ab (10).

Die Androgensynthese im Ovar wird durch LH stimuliert. Postmenopausal hohe LH-Spiegel führen zu ­relativ stabilen Testosteronspiegeln. Im Gegensatz zur ovariellen Östrogenproduktion, welche nach der Menopause (manchmal auch in der Perimenopause) rasant abfällt. Insgesamt kommt es in der Menopause zu einem relativen Übergewicht der Androgene, auch wenn die Androgenspiegel, absolut gesehen, nicht erhöht sind (11) (Abb. 4).

Testosteron

Der Hauptvertreter der Androgene ist in der Menopause das Testosteron. Da es ein lipophiles Steroidhormon ist, bindet es sich an Proteine, insbesondere an das sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) und an Albumin. Dadurch ist nur etwa 1–2 % des Testosterons frei und aktiv. Der freie Androgenindex (FAI), der aus dem Verhältnis von SHBG und Gesamttesto­steron berechnet wird, liefert eine zuverlässige Aussage über die freien Androgene (12).

Der Östrogenmangel in der Postmenopause führt zu einer Abnahme der SHBG-Bildung in der Leber. Somit kann freies Testosteron in der Menopause höher ausfallen.

So kann eine orale Östrogentherapie die SHBG-Konzentration erhöhen und damit die Konzentration des freien Testosterons senken.

Bei Libidoverlust wird eine transdermale Östrogengabe bevorzugt, die einen geringeren Effekt auf SHBG hat (13).

SHBG wird ebenfalls durch Trijodthironin (T3) stimuliert, somit kann eine Hypothyreose in der Postmenopause zu einer relativen Hyperandrogenämie und ­entsprechend zu Kopfhaarverlust und Hirsutismus führen. Ebenso kann bei Diabetes mellitus aufgrund hoher Insulinkonzentrationen eine Reduzierung des SHBGs auftreten, was ebenfalls zu einer erhöhten Verfügbarkeit von freiem Testosteron führen kann (14).

Unter den Optionen der Hormonersatztherapie bietet Tibolon ebenfalls eine gute Alternative. Als selektiver Estrogenrezeptormodulator (SERM) wirkt Tibolon nicht nur an den Östrogenrezeptoren, sondern auch an den Androgenrezeptoren, was eine androgene Wirkung ermöglicht.

DHEA

Dehydroepiandrosteron (DHEA) ist hauptsächlich ein Produkt der Nebenniere. Die Regulation dessen unterliegt dem adrenokortikotopen Hormon (ACTH). DHEA schwankt somit nicht mit dem Zyklus und zeigt eine kontinuierliche Abnahme mit den Lebensjahren.

DHEA fungiert als Vorläufer für die periphere Synthese potenterer Androgene, es kann davon sowohl Testosteron wie auch Östrogen gebildet werden. Wenn es lokal in Form eines vaginalen Präparats angewendet wird (z. B. Intrarosa®), kann es direkt auf die Vaginalschleimhaut wirken und ist ebenso effektiv wie ­Estriolpräparate zur Bekämpfung der vulvovaginalen Atrophie (15).

Testosterontherapie

Auch wenn einer Testosterontherapie eine Vielzahl an positiven Wirkungen zugeschrieben wird, ist die Behandlung der Hypoactive Sexual Desire Disorder (HSDD) bei postmenopausalen Frauen die einzige On-label Indikation (11).

Erwiesen ist, dass Androgene das sexuelle Verhalten modulieren: Libido, Erregungs- und Orgasmusfähigkeit können signifikant gesteigert werden. In dieser Indikation bleibt die Testosterontherapie ein Off-label-Use (2) (Abb. 4).

Die Datenlage einer Testosterontherapie bei prämenopausalen Patientinnen ist generell unzureichend.

Bei der Evaluation sexueller Probleme sollte besonderes Augenmerk auf vaginale Trockenheit gelegt werden, da Dyspareunie häufig die Ursache für ­Libidoverlust oder eingeschränkte Orgasmus- und Erregungsfähigkeit ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass hinter Libidoverlust oft komplexe Faktoren wie Beziehungsprobleme, gesundheits- und soziokulturelle Aspekte stehen können, wobei eine psycho- oder sexualtherapeutische Behandlung hilfreich sein kann. Nach gründlicher Evaluation kann bei Verdacht auf Testosteronmangel eine Testosterontherapie als ­off-label-Behandlungsoption angeboten ­werden (13).

Allgemein gilt, dass zur Diagnostik einer HSDD (oder sexuellen Beschwerden) per se eine routinemäßige ­diagnostische Testosteronbestimmung nicht zwingend erforderlich ist.

Im Falle eines Therapieentscheids wird jedoch empfohlen, vor Therapiebeginn das Gesamttestosteron, SHBG und den freien Androgenindex (FAI) zu bestimmen. Eine Bestimmung des freien Testosterons ist nicht sinvoll (16).

Bei einem niedrigen Ausgangs-SHBG-Spiegel besteht schnell die Gefahr einer Überdosierung.

Wenn der Testosteronspiegel bereits vor Therapiebeginn im oberen Normbereich liegt, ist ein Therapieversuch wenig sinnvoll. Kontraindiziert ist der ­Therapiestart bei erhöhten Androgenwerten oder wenn bereits Androgenisierungserscheinungen vorliegen.

Für Frauen wird eine Testosterondosis von 300 µg/d transdermal empfohlen. Diese kann in ausgewählten Apotheken als Magistralrezeptur hergestellt werden. (Abb. 5.)

Die transdermale Anwendung soll an Körperstellen erfolgen, wo ein verstärktes Haarwachstum ästhetisch nicht relevant ins Gewicht fällt. Gut geeignete Anwendungsstellen sind zum Beispiel die Wade oder der Oberschenkel.

Eine transdermale Gabe von 300 µg Testosteron pro Tag wird als sicher eingestuft.

Im Gegensatz zur oralen Testosterongabe hat eine transdermale Gabe keinen negativen Einfluss auf den Lipidhaushalt.

Ebenfalls wurden keine negativen Effekte auf das ­kardiovaskuläre System oder die Endometriumdicke festgestellt. Langzeitdaten zum Mammakarzinomrisiko liegen zwar nicht vor, jedoch sollte eine kurzzeitige Therapie das Risiko nicht erhöhen. Von einer Testosterontherapie bei St. n. Mammakarzinom wird abgeraten.

Eine Therapieüberwachung sollte das Gesamttestosteron, SHBG und den FAI umfassen, um supraphysiologische Dosen zu vermeiden. Die Überwachung wird initial nach 6 und nach 12 Wochen empfohlen. Sind die Werte stabil eingestellt, kann die Überwachung seltener, beispielsweise alle 6 Monate, erfolgen.

Eine Verbesserung des klinischen Bilds ist nach ungefähr 6–12 Wochen zu erwarten. Wenn keine Besserung nach 6 Monaten spürbar wäre, sollte die Therapie abgesetzt werden.

Häufigste Nebenwirkungen einer Testosterontherapie sind Akne/Seborrhö oder vermehrte Körper-/Gesichtsbehaarung. Falls die monitorisierten Blutwerte durchgehend im physiologischen Bereich liegen, treten im Regelfall keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.

Alopezie, Klitoromegalie oder Stimmveränderungen gehören zu den schwerwiegenderen, aber seltenen Nebenwirkungen (16, 17).

Die Risiken und Nutzen müssen individuell betrachtet werden.

Literatur
1. Heinemann LA, Potthoff P, Schneider HP. International ­versions of the Menopause Rating Scale (MRS). Health Qual Life Outcomes. 2003 Jul 30;1:28. doi: 10.1186/1477-7525-1-28. PMID: 12914663; PMCID: PMC183844
2. S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-062l_S3_HT_Peri-Postmenopause-Diagnostik-Interventionen_2021-01.pdf
3. Fiedler, GM. Sinn und Unsinn von Speicheltests auf Hormone. Gynäkologische Endokrinologie 2017;15: 171–5 (https://doi.org/10.1007/s10304-017-0124-4)
4. SGGG Expertenbrief No 42: „Aktuelle Empfehlungen zur menopausalen Hormon-Therapie“
5. SGGG Expertenbrief No 51 „Nicht-hormonelle Therapie von menopausalen Hitzewallungen“
6. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/authorisations/new-medicines/veozatm-filmtabletten-fezolinetantum.html
7. https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2023/216578s000lbl.pdf
8. https://compendium.ch/product/1601543-veoza-filmtabl-45-mg/mpro
9. Dietrich, K, Ludwig, M. 2020. Reproduktionsmedizin. ­Springer, S. 55–7
10. Simon, JA. Estrogen replacement therapy: effects on the endogenous androgen milieu. Fertil. Steril 2002; 77–82
11. Weidlinger, S. Die Menopause und ihre Auswirkungen auf Haut und Haare. Gynäkol. Endokrinol 2023, S. 290–7.
12. Burger, HG. Androgen production in women. Fertil. ­Steril.2002: S. 3–5
13. Schwenkhagen, A, Schaudig, K. Hormonsprechstunde. ­Frauenarzt 2023. S. 528–32
14. Dittrich, R. Assoziation von subklinischer Hypothyreose und Insulinresistenz bei Patientinnen mit Hyperandrogenismus – Hypothyreose und Hyperandrogenismus. Geburtshilfe Frauenheilk. 2008: S. 68
15. Stute, Die Rolle von vaginalem DHEA bei der Behandlung des genitourinären Syndroms der Menopause. Menopause 2022, S. 87–100
16. Davis, SR. Global Consensus Position Statement on the Use of Testosterone Therapy for Women. CONSENSUS 2019 S. 429–34
17. Weidlinger, S. Testosteron bei verringerter Libido in der Postmenopause. Rosenfluh 2024, S. 32–3

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