Wussten Sie schon

Safer Sex durch Doxycyclin / Behandlung der Hypertonie in der Schwangerschaft / Diabetes-Risiko bei Schlafmangel / CO2-Fussabdruck im OP / Uterusarterienembolisation vs. Myometkomie / Zusammenhang zwischen Energy Drinks und Gestationshypertonie / Hysterektomie bei Niedrig-Risiko-Zervixkarzinomen / Thromboembolische Risikoreduktion durch Statine unter HRT / Weniger Akne durch geschickte Ernährung / Lynch-Syndrom Screening bei Endometriumkarzinom

… dass eine Postexpositionsprophylaxe mit Doxycyclin zur Verhinderung sexuell übertragbarer Krankheiten beiträgt?

Eine an Männern, die mit Männern Sex haben, durchgeführte Studie zeigte eine Reduktion von sexuell übertragbaren Erkrankungen um bis zu zwei Drittel, wenn sie postexpositionell 200 mg Doxycyclin bekamen.
Im Zeitalter zunehmender Resistenzen müssen alle prophylaktisch gegebenen Antibiotika kritisch beurteilt werden, auch wissen wir nicht, ob sich diese Daten auf Frauen übertragen lassen. Sicherlich enthält diese Studie aber interessante Informationen und sollte mal wieder die Diskussion um safer Sex anregen. (Luetkemeyer AF et al., Postexposure Doxycyclin to prevent sexually transmitted infections, N Engl J Med 2023; 6:388(4):1296–1306

Annette Kuhn

… dass es auch eine „physiologische“ Art der Therapie der schweren Hypertonie in der Schwangerschaft gibt? (Davis AM et al., Obstet Gynecol 2023; 00:1–4)

Kommentar
Das ist sicher etwas verwirrlich, oder? Es geht um die pathophysiologische Einteilung der schweren Hypertonie in eine hyperdynamische Form mit hoher Blutdruckamplitude (Pulse Pressure: systolischer Blutdruck – diastolischer Blutdruck ≥65 mmHg) und eine schwere Hypertonie bedingt durch einen erhöhten peripheren Widerstand (diastolischer Blutdruck >100 mmHg). Bei der ersten Form wäre Labetolol angezeigt, während im Falle einer hohen Diastole ein Vasodilatator wie z. B. Hydralazin, die (physio-)logische Therapie wäre. Nun, in der Studie wurden Fälle, welche „physiologisch“ oder „nicht-physiologisch“ behandelt wurden, retrospektiv untersucht. Man ist zum Schluss gekommen, dass weniger Medikamente und weniger Konversion zu anderen Pharmaka notwendig war in der physiologischen behandelten Gruppe. Das ist sicherlich interessant, aber die Zeit bis zur Senkung einer schweren Hypertonie war in beiden Gruppen gleich (31 vs. 34 Minuten). Trotzdem hat es diese Arbeit geschafft, in das gute Journal zu kommen!?

Luigi Raio

… dass auch ein leichter chronischer Schlafmangel das Diabetes-Risiko erhöhen kann?

In einer Studie wurde Frauen über einen begrenzten Zeitraum die Schlafzeit auf sechs Stunden pro Nacht verkürzt. Verglichen mit Frauen mit sieben bis neun Stunden Schlaf zeigten diese nach sechs Wochen eine verminderte Insulinsensitiviät und erhöhte Plasmainsulinspiegel. Die Autoren folgern, dass Schlafmangel an der Entstehung einer diabetischen Stoffwechsellage beteiligt sein könnte. Fazit: Gönnen wir uns doch ein wenig mehr Schlaf! (Harris E et al., JAMA 2023; 330[24], 2331–2)

Martin Heubner

…dass man seinen eigenen CO 2 -Fussabdruck bei jeder Operation bestimmen kann?

In Oregon wurde ein neues Programm entwickelt (One View), welches die für einen Eingriff benötigten Materialien analysiert. Der Fussabdruck wird berechnet aufgrund der CO2-Emission durch die Produktion der Materialien, den Energiebedarf durch die OP und Resterilisation.
Die Chirurgen/Chirurginnen können ihren CO2-Fussabdruck mit dem ihrer Kollegen/-innen vergleichen (zum Beispiel für eine vergleichbare Operation). Dies ist der erste praktische Versuch, Einfluss zu nehmen auf Scope-2 und -3-Emissionen (Abb. 1), die für 91% der Emissionen in der Gesundheitsindustrie verantwortlich sind.
Nur 7% der CO2-Emissionen geschehen im OP selbst. 93% indirekt (Energieverbrauch bei Herstellung und Versand aller Materialien). Im System werden diese indirekten Emissionen erfasst und dargestellt.
Ein Modell, bei dem die Chirurgen/-innen Einfluss nehmen könnten (weniger Materialien, weniger unbenutzte Materialien etc.). Insbesondere auch durch den Vergleich mit anderen ergäbe sich eine Motivation, auf Unnötiges zu verzichten. In einem Pilotprojekt im grössten OP an der privaten Providence Organisation in Portland wurden durch diese einfachen Massnahmen 850 Tonnen Carbon pro Jahr eingespart (im Wert von sechs bis neun Millionen Dollar). (Medscape, 18.01.2024)

Kommentar
Ein wirklich interessanter Ansatz. Jeder weiss, dass im OP sehr viel Material unnötig vergeudet wird. Durch diesen neuen Ansatz kann je-der/jede vermehrt selbst Einfluss nehmen und damit etwas Sinnvolles tun. Dies ist auch für die Spitäler interessant. Ich denke, hier liegt ein ordentliches Potenzial noch begraben.

Michael K. Hohl

… dass bei prämenopausalen Frauen mit symptomatischen Myomen die Uterusarterienembolisation (UAE) im Vergleich zur Myomektomie mit einer höheren Rate an Reinterventionen und einem kürzeren Zeitintervall bis zu einer Reintervention verbunden ist?

In einer Metaanalyse wurden die UAE und die Myomektomie bei prämenopausalen Frauen mit symptomatischen Myomen verglichen, um die Auswirkungen auf die Lebensqualität (QOL) zu untersuchen. Sechs randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) wurden eingeschlossen. Die Metaanalyse konnte keinen signifikanten Unterschied in der Lebensqualität zwischen UAE und Myomektomie zeigen, wobei die Evidenz sehr gering war. Eine Sensitivitätsanalyse, die RCTs einschloss, in denen nur Myomektomieverfahren im Kontrollarm enthalten waren, zeigte sogar eine bessere Lebensqualität für Frauen, die mit einer Myomektomie behandelt wurden.
Die Myomektomie war im Vergleich zur UAE mit einem geringeren Rezidivrisiko und einem längeren Zeitintervall bis zu einem möglichen Rezidiv verbunden. Hinsichtlich schwerwiegender perioperativ unerwünschter Ereignisse konnte kein Unterschied zwischen den beiden Interventionen festgestellt werden. Entsprechend dieser Metaanalyse verbessert eine UAE die Lebensqualität nicht und hat möglicherweise keinen Einfluss auf einen Schwangerschaftserfolg [Tzanis AA et al., AJOG 2024; doi.org/10.1016/j.ajog.2024.01.014).

Michael D. Mueller

… dass Energy Drinks vor einer Schwangerschaft mit einer erhöhten Inzidenz von Gestationshypertonie assoziiert ist? (Ding M et al., JAMA Netw Open. 2023; 6(11):e2344023. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.44023)

Kommentar
Die Informationen über den Konsum von Energy Drinks und Schwangerschaft stammen aus der Nurses’ Health Study 3 und der Growing UP Today Study. Beide Kohortenstudien sind prospektiv und haben Frauen zwischen 2010 bis 2021 erfasst. 513/4736 (10.8 %) gaben an, Energy Drinks vor und/oder während der Schwangerschaft konsumiert zu haben. Interessanterweise wurde eine signifikante Assoziation zwischen Gestationshypertonie und präkonzeptionellem Konsum gefunden und das v. a. bei Frauen über dem medianen Alter des Studienkollektivs.

Luigi Raio

… dass bei Niedrig-Risiko-Zervixkarzinomen eine einfache Hysterektomie wahrscheinlich ausreichend ist?

Retrospektive Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Inzidenz einer parametranen Infiltration bei Patientinnen mit Zervixkarzinom im Frühstadium selten ist, was die Notwendigkeit einer radikalen Hysterektomie bei diesen Patientinnen infrage stellt. In einer multizentrischen, randomisierten, nicht unterlegenen Studie wurde die radikale Hysterektomie mit der einfachen Hysterektomie mit Lymphknotenbeurteilung bei Patientinnen mit Niedrig-Risiko-Zervixkarzinom im Frühstadium (Stadium IA2 und IB1 (FIGO 2009); Läsionen ≤2 cm, begrenzte Stromainvasion und keine Lymphknoten Metastasen) verglichen.
Von den 700 Patientinnen, die randomisiert wurden (350 in jeder Gruppe), hatten die meisten Tumore im Stadium IB1 (91,7 %), ein Plattenepithelkarzinom (61,7 %) und wiesen Grad-1- oder -2- (59,3 %)-Tumore auf. Die Studie ergab, dass die einfache Hysterektomie der radikalen Hysterektomie in Bezug auf die 3-Jahres-Inzidenz eines Beckenrezidivs nicht unterlegen war (2.52 % vs. 2.17 %). Die einfache Hysterektomie hatte auch ein geringeres Risiko für Harninkontinenz oder Harnverhalt im Vergleich zur radikalen Hysterektomie. Dies deutet darauf hin, dass eine radikale Hysterektomie bei diesen Patientinnen möglicherweise nicht erforderlich ist (Plante M. et al., N Engl J Med 2024; 390:819–29).

Michael D. Mueller

… dass Statine das thromboembolische Risiko bei Frauen unter HRT senken?

Eine grossangelegte Fallkontroll-Studie (>200 000 Frauen) untersuchte das VTE-Risiko von Frauen (50–64 Jahre). Erwartungsgemäss zeigte sich ein etwas erhöhtes VTE-Risiko für Frauen unter HRT – leider wurde die Applikationsform (oral versus transdermal) nicht berücksichtigt. Interessanterweise zeigte sich, dass die gleichzeitige Einnahme von Statinen das VTE-Risiko unter HRT um ca. 18% senkte, was in etwa dem Risiko ohne HRT-Einnahme entsprach. Der Effekt schien dosisabhängig zu sein, höher dosierte Statine waren mit einer grösseren Risikoreduktion assoziiert, was für einen kausalen Zusammenhang sprechen kann. (Davis JW et al., JAMA Netw. Open 2023; 6[2]:e2348213)

Martin Heubner

… dass durch geschickte Ernährung Akne positiv beeinflusst werden kann?

Viele wissen heute, dass Milchprodukte, rotes Fleisch, Zucker ungünstig sind. Diese werden zu Leucin abgebaut (eine essenzielle Aminosäure). Leucin zusammen mit Zucker produziert Insulin und Insulin-like growth factor 1 (IGF1), welche zu den Androgenrezeptoren der Haut gelangen. Dies führt zu Sebogenesis, Lipogenese und Keratinisation, welche eine Follikulitis triggern kann und das Bakterium, welches Akne verursacht (Bakterium Agnes), fördert. Milch und Milchprodukte können die IGF1-Spiegel erhöhen, was zur Aknebildung beiträgt.
Low-Fat-Milch (2 %) ist schlechter, da statt Fett oft Whey-Protein (oft in Kraftdrinks enthalten) Aknebildung fördert. Vollmilch ist diesbezüglich besser (Vivian Shi, Department of Dermatology University of Arkansas, Medscape 22.01.2024)

Kommentar
Ein guter Tipp, den viele vielleicht nicht kannten, ist, dass Voll-(Bio-)Milch besser als „Low-Fat-Milch“ ist. Sicher sind junge Frauen motiviert, selbst Einfluss zu nehmen (neben antiandrogenen Ovulationshemmern) eventuell sogar anstatt.

Michael K. Hohl

… dass bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom der Algorithmus für das Screening auf das Lynch-Syndrom häufig nicht eingehalten wird?

Das Lynch-Syndrom ist ein erbliches Tumorsyndrom, das durch eine pathogene Keimbahnvariante in DNA-Mismatch-Reparatur-Genen verursacht wird. Da es die häufigste Ursache für erblich bedingtes Endometriumkarzinom ist, empfehlen internationale Leitlinien ein generelles Screening bei Frauen mit Endometriumkarzinom. Allerdings ist das Screening auf das Lynch-Syndrom in der klinischen Praxis zum Teil noch nicht etabliert. In einer retrospektiven Studie wurde die Einhaltung eines Screening-Algorithmus für das Lynch-Syndrom untersucht. Die Compliance mit der immunhistochemischen Analyse des Mismatch-Reparatur-Status und, falls indiziert, der MLH1-Promotor-Hypermethylierung sowie mit der genetischen Beratung und Testung wurden evaluiert.
Von 331 Patientinnen mit Endometriumkarzinom wiesen 102 (30,8 %) einen Mismatch-Repair-Status auf und bei drei (0,9 %) Patientinnen wurde ein Lynch-Syndrom diagnostiziert. Die Teilnahmerate am Screening lag insgesamt bei 78,2 %, wobei sich die Teilnahmerate im Laufe der untersuchten sechs Jahre von 61,4 % auf 90,6 % deutlich verbessert hat. Einer der Hauptgründe für die Nichteinhaltung des Algorithmus war das Fehlen einer ärztlichen Empfehlung, vor allem bei älteren Patientinnen. Da die Identifizierung von Patienten mit Lynch-Syndrom nicht nur für die optimale medizinische Versorgung der Betroffenen, sondern auch für die Kaskadentestung aller gefährdeten Verwandten wichtig ist, sollte ein fehlerfreier Algorithmus für das Lynch-Syndrom-Screening angestrebt werden, zum Beispiel durch ein standardisiertes Reflexscreening (Joder C. et al., Cancers, 2024; 16:671).

Michael D. Mueller

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