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Ersttrimester-Screening und/oder NIPT?

Die Schweiz war eines der ersten Länder weltweit, welche den (nicht-invasiven) DNA-Test bereits 2015 in den Ersttrimesterscreening-Algorithmus provisorisch implementiert hat. Nach einer Evaluationsphase von zwei Jahren wurde im Juni 2017 die Leistungspflicht zuhanden der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auf Verordnung des EDI verpflichtend, wenn die Kriterien erfüllt waren, welche im Expertenbrief No 45 und in der späteren Revision No 52 erfüllt wurden (Tabelle 1) (1, 2). Das BAG ist in den folgenden zwei Jahren zum Schluss gekommen, dass mit dem vorgeschlagenen Screeningkonzept unnötige invasive Abklärungen (CVS, AC) verhindert werden konnten. Der Ersttrimestertest ist zu einem wichtigen Instrument in der allgemeinen Beratung, für das Screening nach Trisomien, zum Ausschluss von strukturellen Fehlbildungen, zur Klassifizierung von Mehrlingen und neu auch zur Beurteilung des Präeklampsie-Risikos geworden (2). Die gute Ausbildung unserer KollegInnen und die hohe Qualität der Schweizer Labors haben zu diesem Erfolg ganz wesentlich beigetragen. Nach dem Schweizer Konzept ist ein NIPT nur dann vorgesehen, wenn sonographisch keine strukturellen Fehlbildungen gesehen werden, aber das individualisierte Risikoprofil basierend auf Alter, Nackentransparenz und Biochemie (PAPP-A und βhCG) ≥1 : 1000 (und ≤1 : 10) beträgt. Meine Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten ist so, dass wir von einer Invasivrate von knapp 500 Eingriffen pro Jahr auf nun ca. 130 Eingriffe gesunken sind mit einer Detektionsrate für Aneuploidien von knapp 60%! Aus den Eurocat-Registern können wir entnehmen, dass die Schweiz (vertreten mit Daten aus dem CHUV) an oberster Stelle figuriert, was die Performance des Trisomiescreenings anbelangt. Die Einführung der „DNA-gepowerten“ Testverfahren kombiniert mit einem sorgfältigen und strukturierten Ultraschallscreening und einer weisen Haltung der Politik stellt somit eine Erfolgsgeschichte dar. Eigentlich können wir stolz sein und wie früher die Dänen nun als Vorbild in Europa gelten.

Wie sieht es in unserem nördlichen Nachbarland aus? Nun, seit dem 1. Juli 2022 werden die Kosten für den NIPT in Deutschland von den Gesundheitskassen sehr liberal übernommen, während der Ersttrimester-Ultraschall weiterhin keine Pflichtleistung ist. Das ist aus Schweizer Sicht schwierig nachzuvollziehen und auch die FMF Deutschland warnt vor einer „unüberlegten“ Einführung eines NIPT losgelöst vom Ultraschall (4). Deshalb schlägt man ein Konzept vor, wie wir es in der Schweiz schon seit Jahren pflegen. Mit keinem Wort werden aber die Errungenschaften und Erfahrungen des „kleinen Ländle“ gewürdigt. Das erstaunt mich etwas, zumal gewisse Co-Autoren des erwähnten Artikels die Schweizer Situation ganz gut kennen. Zurecht fürchten die KollegInnen der FMF Deutschland einen Einbruch in der Qualität des Ersttrimester-Screenings. Eiben B. et al. zeigen, dass es seit der Einführung der Kassenzulässigkeit des NIPT zu einem dramatischen Einbruch der Anzahl Ersttrimestertests gekommen ist, während die durchgeführter NIPT’s exponenziell zugenommen haben (5) (Graphik 1). Wenn man diese Trends anschaut, muss man jedenfalls davon ausgehen, dass die Detektionsrate von Trisomie 21, 18 und 13 etwas besser abschneiden wird nur mit einem NIPT, aber nur marginal. Ich befürchte aber, dass die häufigeren Probleme, wie das Verpassen von strukturellen Fehlbildungen, Fehlklassifizierung von Mehrlingen etc., zunehmen werden. Diese Erfahrung haben wir in den Anfangszeiten der Einführung des NIPT auch gemacht. Was mir aber viel mehr Sorgen bereitet, ist ein möglicher Anstieg von unnötigen Schwangerschaftsabbrüchen wegen frühem NIPT, d. h. vor der Möglichkeit einer invasiven Überprüfung mittels einer Chorionzottenbiopsie und noch innerhalb der Fristenlösung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch. Daneben ist die Kostenfrage dieser Entscheidung in Deutschland meines Wissens noch nicht geklärt worden.

Literatur
1. Expertenbrief No 42. Pränatales Screening: Neues Modell
2. Expertenbrief No 52. Pränatale nicht-invasive Risikoabschätzung fetaler Aneuploidien
3. Expertenbrief No 57. Risikospezifizierung Präeklampsie im 1. Trimester
4. Merz E. et al. Die Rolle des Ersttrimester-Screenings nach Einführung von NIPT als Kassenleistung. Ein Konsensus-Statement der Fetal Medicine Foundation (FMF) Deutschland. Ultraschall in Med 2023; 44:600–5
5. Eiben B. et al. Ersttrimesterscreening in Deutschland nach Einführung von NIPT als Kassenleistung. Ultraschall in Med 2023;23:327–8

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