Für Sie kommentiert

Kombinationstherapie bei myombedingter Hypermenorrhoe / Schicksal von Ovarialzysten / Östrogentherapie zur Prävention bei Harnwegsinfekten? / Hyperimmunoglobulin bei CMV-Infektion in der Schwangerschaft? / Schwangerschaft bei BRCA-Mutationsträgerinnen / Peritonealzytologie bei Endometriumkarzinom / Spontane Regressionsrate von CIN II / Neues zur Ätiologie der Hyperemesis gravidarum

Liberty Withdrawal Study – Relugolix-Kombinationstherapie bei myombedingter Hypermenorrhoe über zwei Jahre

Das orale GnRH Analoga Relugolix, welches kombiniert mit einer oralen Add-back-Therapie (40 mg Relugolix, 1 mg Estradiol, 0.5 mg Norethisteronacetat) verabreicht wird, zeigte in den Studien Liberty 1 & 2 eine gute Wirksamkeit bei myombedingter Hypermenorrhoe. In dieser Folgestudie wurden nun Patientinnen eingeschlossen, die auf die Therapie angesprochen hatten. Sie erhielten randomisiert entweder nun ein Placebo oder Fortsetzung der Therapie über weitere 53 Wochen, was einer Gesamtthera­piedauer von zwei Jahren entsprach. Neben der ­Blutungskontrolle war das Nebenwirkungsprofil ein wichtiger Fokus.

Nach zwei Jahren Therapie mit dem Kombinationspräparat zeigte sich bei knapp 70 % der Frauen eine anhaltende Blutungskontrolle mit einem Blutverlust <80 ml/Menstruation, 58 % der Patientinnen waren amenorrhoisch (Placebo: 12 % Blutungskontrolle, 13 % Amenorrhoe nach zwei Jahren). Die Knochendichte blieb unter der Therapie weitgehend unverändert. Die Nebenwirkungsrate war insgesamt moderat. Dysmenorrhoe und Hitzewallungen traten häufiger unter Placebotherapie auf. Thromboembolische ­Ereignisse wurden nicht berichtet. (Al-Hendy A et al., AJOG 2023; 229:662.e1-25)

Kommentar
Insgesamt erscheint die Therapie als gute Option bei Patientinnen mit Myomen. Seit Ulipristalacetat nicht mehr verfügbar ist, waren wirksame medikamentöse Interventionen für Myompatientinnen nur begrenzt möglich. Die aktuelle Zulassung sieht eine Therapie über maximal zwei Jahre vor. Kontraindikationen und Risiken entsprechen im Wesentlichen denen einer oralen Hormonersatztherapie. Man darf gespannt sein, welcher Stellenwert dem Präparat in Zukunft zukommt.

Martin Heubner

Schicksal von Ovarialzysten

Ovarialzysten sind ein häufig erhobener Befund. Die meisten sind benigne und verschwinden wieder innert ein paar Jahren.

Zu interessanten Befunden kam eine sehr umfangreiche prospektive Erhebung der Kentucky University im Rahmen einer Ovarialscreening-Studie. Während über 30 Jahren wurden im Rahmen dieses Programmes TVUS (transvaginaler Ultraschall) Untersuchungen bei fast 48 000 Frauen durchgeführt.

Bei >2600 (5.5 %) fand man neu aufgetretene Ovarialzysten. In der nun erschienenen Publikation wurde die Dynamik der als gutartig beurteilten Zysten untersucht. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen suspekten und gutartigen Merkmalen.

benigne Merkmale

  • glatte, dünne Wände
  • keine soliden Anteile oder Septen
  • minimaler bis fehlender Blutfluss (Dopplersonographie)

suspekte Merkmale

  • wachsende Zyste
  • papilläre oder solide Elemente
  • unregelmässige Konturen
  • Aszites
  • wesentlicher Blutfluss (Doppler)

In die Studie wurden zwei asymptomatische Gruppen von Frauen aufgenommen und verglichen:
1. postmenopausale Frauen > 50
2. prämenopausale Frauen mit erhöhten Ovarial-Ca Risiko (Familienanamnese BRCA-Mutationen, Ashkenazy-Erbe, Lynch-Syndrom II)

Bei normalem TVUS-Befund erfolge ein Re-Screening nach einem Jahr.

Bei mehr als 40 000 Frauen ohne Zysten beim ersten Screening fand man ein Jahr später bei 6.5 % neue Zysten. 2/3 dieser Zysten verschwanden innert durchschnittlich 1.2 Jahren. 971 Frauen hatten persistierende Zysten (36.8 %). Die mediane Zeit bis zum Verschwinden war 14 Monate. Die Zeit bis zum Verschwinden war von der Grösse der Zyste abhängig: bis 3 cm ein Jahr, 3–6 cm 1.6 Jahre, >6 cm 3.5 Jahre. Bei Frauen über 70 Jahre ohne Hormongabe verschwanden die Zysten rascher.

Die Autoren empfahlen weitere Kontrollen während sechs Jahren für einfache Zysten, bei Zysten mehr als 6 cm Grösse bis zu 14 Jahren! (Lasher A et al., Obstet. Gynecol. 2023; 142:1293)

Kommentar
Am wichtigsten ist die Unterscheidung (siehe oben) benigne/suspekt. Diese Daten bestätigen, dass ein abwartendes Verhalten bei benignen Merkmalen risikoarm ist. Eine einfache Ovarialzyste gleich zu operieren, ist definitiv nicht angebracht. Das abwartende Vorgehen ist gemäss meiner eigenen Erfahrung einfach zu kommunizieren und wird von den betroffenen Frauen mitgetragen. Sicher würde ich einen neu aufgetretenen Befund nicht erst (wie bei der vorliegenden Studie) nach einem Jahr kontrollieren. Eine zusätzliche CA-125-Bestimmung ist sicher nicht falsch.

Michael K. Hohl

Vaginale Östrogentherapie in der Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte

Wir wissen es eigentlich aus grösseren Metaanalysen, Cochrane und sicherlich auch aus den bestehenden Guidelines: Eine lokale Östrogenisierung bringt objektiv in der Inkontinenztherapie zwar wenig, zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte bei postmenopausalen aber viel und sollte heute zum Standardprogramm gehören.

Eine kürzlich publizierte Studie aus der Kaiser Permanente Klinik in San Diego, Kalifornien, hat trotzdem nochmal an einer grossen Anzahl Patientinnen den Zusammenhang der Verschreibung lokaler Östrogene und der Häufigkeit von symptomatischen Harnwegsinfekten im nachfolgenden Jahr untersucht.

Sekundäre Endpunkte beinhalteten die Patientinnencompliance und die Ermittlung prädiktiver Faktoren für erneute Rezidive der Harnwegsinfektionen.

Diese retrospektive Studie wurde multizentrisch in einem Zeitraum von zehn Jahren durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit mehr als drei Harnwegsinfekten pro Jahr, die eine lokale Östrogenisierung erhielten. Ausgeschlossen wurden Patientinnen mit anatomisch begründeten Infekten und mit Anomalien, die Harnwegsinfekte begünstigen.

Die Compliance wurde anhand des Medikamentenbezugs determiniert. Die Daten waren aus einer apothekenbasierten Datenbank zugänglich.

Untersucht wurden insgesamt 5638 Patientinnen mit einem Durchschnittsalter von 70.4 Jahren +/–11.9 Jahre und einer initialen Frequenz der Infekte von 3.9 +/–1.3.

Die durchschnittliche Infektrate verringerte sich um auf 1.8 (p <0.001), was einer Verminderung um 51.9 % entspricht.

Überraschenderweise hatten Patientinnen mit hoher Compliance häufiger wiederholte Harnwegsinfekte als diejenigen mit geringer Compliance (2.2 vs 1.6; p <0.0001)! (Tan-Kim S Do D, Menefee SA, Efficacy of vaginal estrogen for recurrent urinary tract infection prevention in hypoestrogenic women. Am J Obstet Gynecol 2023; 229[2]:143e1–9)

Kommentar
Was können wir jetzt daraus schliessen – das eine schlechtere Compliance besser für die Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten ist? Nein, sicher nicht. Wir dürfen Patientinnen weiterhin beruhigt informieren, dass die lokale Östrogenisierung eine Reduktion von über 50 % ihrer Infekte bringt. Es handelt sich um eine retrospektive Studie, möglicherweise gibt es einen Selektionsbias oder nicht erfasste Cofaktoren, die für die Harnwegsinfekte eine Rolle spielen.

Annette Kuhn

Hyperimmunglobulin wirkungslos bei CMV-Infektion in der Schwangerschaft

Cytomegalie stellt eine der häufigsten viralen Infektionen in der Schwangerschaft dar. Das fetale Schädigungsrisiko ist abhängig vom Zeitpunkt der Serokonversion und ist am höchsten, wenn die vertikale Transmission im ersten Trimenon erfolgt. Die Problematik ist in den letzten Jahren zunehmend wieder in den Fokus der Wissenschaft gerückt, da Studien zeigen konnten, dass hochdosiert Valacyclovir nach Diagnose der Serokonversion im ersten Trimenon tatsächlich das Schädigungsrisiko zu senken vermag. Ich kann mich gut erinnern, als die ersten Studien mit Hyperimmunglobulin erschienen sind. Nicht-randomisierte Arbeiten mit IVIG zeigten in gewissen Fällen sogar eine „Heilung“ nach intrauterin, sonographischen Hinweisen einer potenziellen Schädigung. Entsprechend hat sogar das BAG die Gabe von IVIG für die Behandlung einer potenziellen CMV-Infektion in der Schwangerschaft unter gewissen Bedingungen befürwortet. Nun, diese initialen vielversprechenden Resultate wurden in der Folge allesamt durch sauber geführte, randomisierte Studien relativiert oder sogar verworfen. Im 2021 ist eine weitere randomisierte Studie erschienen, bei welcher Frauen nach CMV-Primoinfektion 100 mg/kg KG IVIG erhalten haben in monatlichen Abständen bis zur Geburt, die Kontrollgruppe – 1:1 randomisiert – erhielt Albumin als Placebo (1). Nun, diese Studie wurde etwas früher gestoppt, da sie keinen nennenswerten Effekt zeigen konnte, was die primären Ziele anbelangte. Diese waren eine Reduktion der Mortalität und/oder einer fetalen Infektion. Vor Kurzem nun wurde eine ­Folgestudie aus dieser Kohorte publiziert. Rouse DJ et al. haben nach knapp zwei Jahren die Kinder nachuntersucht. Focus dieses Mal auch die Inzidenz von typischen CMV-Schädigungen wie Hörstörungen, Entwicklungsrückstände bzw. neurologische Behinderungen neben perinatalem Tod infolge ­Infektion (2). Auch hier konnten die Autoren keine langzeit-protektive Wirkung des Hyperimmunglobulins zwischen exponierten und der Kontrollgruppe zeigen.

Es stellt sich hier die Frage, ob das BAG nicht auch so kulant sein könnte in der Kostenübernahme für das Valacyclovir, wie es anno dazumal für das IVIG war. Jetzt braucht es für das Valtrex© eine Kostengutsprache und cave das Rezept wird vor der 13. Woche ausgestellt, da so die Franchise der Frau durch die Krankenkassen belastet wird.

Literatur
1. BL Hughes, RG Clifton, DJ Rouse et al., N Engl J Med 2021; 385:436–44. DOI: 10.1056/NEJMoa1913569
2. DJ Rouse et al., N Engl J Med 389; 19 nejm.org November 9, 2023

Luigi Raio

Schwangerschaft nach Brustkrebs bei jungen BRCA-Mutationsträgerinnen

An dieser internationalen retrospektiven Kohortenstudie nahmen weltweit 78 Zentren teil. Es wurden 4732 BRCA-Mutationsträgerinnen eingeschlossen, die im Zeitraum 2000 bis 2020 im Alter von 40 Jahren oder jünger eine Brustkrebsdiagnose erhielten.

Von diesen 4732 Patientinnen hatten 659 mindestens eine Schwangerschaft. Das mediane Alter der Brustkrebsdiagnose lag bei 35 Jahren. Innerhalb von zehn Jahren (kumulierte 10-Jahres-Inzidenz) trat bei 22 % eine Schwangerschaft ein, das mediane Intervall zwischen Brustkrebsdiagnose und Konzeption war 3.5 Jahre. Von den 659 Patientinnen mit eingetretener Schwangerschaft hatten 45 (6.9 %) einen induzierten Abort und 63 (9.7 %) eine Fehlgeburt. Von den 517 BRCA-Mutationsträgerinnen mit ausgetragener Schwangerschaft hatten 406 (91 %) eine Geburt am Termin und 54 (10.4 %) hatten Zwillinge. Bei vier (0.9 %) Neugeborenen lag eine dokumentierte Fehlbildung vor. Das mediane Follow-Up betrug 7.8 Jahre. Es wurden keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien Überleben zwischen den Frauen mit und ohne Schwangerschaft nach Brustkrebsdiagnose gesehen (HR 0.99; 95 % CI, 0.81–1.20). Patientinnen mit Schwangerschaft nach Brustkrebsdiagnose hatten ein signifikant besseres brustkrebs-spezifisches und Gesamtüberleben.

Kommentar
Bei circa einer von fünf BRCA-Mutationsträgerinnen trat innerhalb von zehn Jahren nach Brustkrebsdiagnose eine Schwangerschaft auf. Es zeigte sich keine Verschlechterung der Prognose. Das sind erneut Daten, die für die Beratung junger Brustkrebspatientinnen, von essenzieller Bedeutung sind. Neben den grossen retrospektiven Metaanalysen bei jungen Brustkrebspatientinnen ohne BRCA-Mutation sowie der prospektiven POSITIVE-Studie zeigt auch diese aktuelle Kohortenstudie, dass eine Schwangerschaft nach Brustkrebsdiagnose möglich ist und die Sicherheit hinsichtlich der Brustkrebsdiagnose nicht negativ beeinflusst.

Literatur
Lambertini M et al., Pregnancy After Breast Cancer in Young BRCA Carriers: An International Hospital-Based Cohort Study. JAMA. 2024 Jan 2; 331(1):49–59. doi: 10.1001/jama.2023.25463

Cornelia Leo

Revival der Peritonealzytologie bei Endometriumkarzinom?

Die prognostische Bedeutung einer positiven Peritonealzytologie beim Endometriumkarzinom wird seit Langem kontrovers diskutiert. Im Jahr 2009 hat die FIGO die Zytologie als Kriterium für die Stadieneinteilung des Endometriumkarzinoms aus ihrer Klassifikation gestrichen. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise, dass die Überlebensrate von Patientinnen mit Endometriumkarzinom durch eine positive Peritonealzytologie verschlechtert wird.

In einer retrospektiven Studie wurde die prognostische Bedeutung einer positiven Peritonealzytologie beim Endometriumkarzinom in verschiedenen molekularen Subgruppen analysiert. In die Studie wurden 250 Patientinnen mit Endometriumkarzinom eingeschlossen. In 206 Fällen wurde eine Peritonealzytologie durchgeführt, von denen 49 (= 24 %) positiv waren: 25 % hatten POLEmut, 16 % MMRd, 41 % p53abn und 24 % waren NSMP-Fälle. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 128,7 Monate.

Das Vorliegen einer positiven Peritonealzytologie war bei Patientinnen mit p53abn (p = 0,003 und p = 0,001) (Abb. 1) und bei Patientinnen mit NSMP (p = 0,020 und p = 0,049) mit einem signifikant geringeren medianen rezidivfreien Überleben und Gesamtüberleben assoziiert. In der multivariaten Cox-Regressionsanalyse blieb die positive Peritonealzytologie ein unabhängiger Prädiktor für Rezidiv (p = 0.033) und Tod (p = 0.008) bei Patientinnen mit p53abn Endometriumkarzinom.

Zusammenfassend zeigte die Studie, dass die molekularen Subgruppen unterschiedliche Raten positiver Peritonealzytologie aufwiesen, wobei p53abn-Tumoren mit den höchsten und MMRd-Tumoren mit den niedrigsten Raten assoziiert waren. Darüber hinaus war die Peritonealzytologie bei Patientinnen mit NSMP- und p53abn-Endometriumkarzinom mit dem rezidivfreien Überleben und dem Gesamtüberleben assoziiert. Bei Patientinnen mit p53abn-Endometriumkarzinom war eine positive Peritonealzytologie in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prädiktor für Rezidiv und Tod, einschließlich Stadium, Lymphknoteninvasion und Grading (Villiger AS et al., Gynecol Oncol 2024; 182:148–55).

Kommentar
Die Ergebnisse dieser Studie tragen dazu bei, das Verständnis der Krankheit zu vertiefen, um präzisere Behandlungsstrategien für Patientinnen mit Endometriumkarzinom zu entwickeln. Die Kombination von minimal-invasiven Verfahren wie der Sentinel-Lymphadenektomie mit dem Wissen über molekulare Subtypen ermöglicht es, der Definition der personalisierten Medizin beim Endometriumkarzinom immer näher zu kommen.

Michael D. Mueller

Spontane Regressionsrate von CIN II bei 18- bis 40-jährigen Frauen

In einer grossangelegten nationalen dänischen Kohortenstudie mit über 11 000 Frauen wurde der spontane Verlauf einer bioptisch gesicherten zervikalen intraepithelialen Neoplasie Grad II (CIN II) über 24 Monate untersucht. Die spontane Regressionsrate unter Observation lag bei 62.9 %, die Progressionsrate bei 33.3 %. Eine Dynamik (Progression oder Regression) liess sich in 90 % der Fälle innerhalb der ersten zwölf Monate beobachten. (Lycke KD et al., AJOG 2023; 229[6]:656)

Kommentar
Mit einer beeindruckenden Patientinnenzahl bestätigt die vorliegende Studie das auch in den Leitlinien empfohlene observierende Management der CIN II.

Martin Heubner

Neues zur Ätiologie der Hyperemesis gravidarum

In der ersten Hälfte der Schwangerschaft leiden bis 70 % der Frauen unter Nausea und Erbrechen. Dies kann so weit gehen, dass sie sich nicht mehr ordentlich ernähren und hydrieren können und die täglichen Aktivitäten deswegen stark eingeschränkt werden. Wir subsummieren das unter dem Krankheitsbild der Hyperemesis gravidarum (HG). Die HG ist in den USA der häufigste Hospitalisationsgrund im ersten Trimenon und eine inadäquate Behandlung kann zu ernsthaften Komplikationen für Mutter und Kind führen (1). Wir wissen seit Längerem, dass es etwas mit der Plazenta zu tun hat und dass übermässig viel Plazentagewebe – wie dies bei Trophoblasttumoren oder Mehrlingen der Fall ist – die Inzidenz einer HG in die Höhe schnellen lässt. Hingegen leiden Frauen mit Beta-Thalassämie signifikant weniger unter Nausea, Erbrechen oder HG in der Schwangerschaft. Welche Gemeinsamkeit teilen sich die Plazenta und die Thalassämie? Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Fejzo et al. (2) konnten einen Link finden zwischen dem Biomarker GDF15 (Growth differentiation factor) und Hyperemesis. GDF15 zeigt die höchste Expression in plazentarem Gewebe, welches in der Schwangerschaft auch die einzige Produktionsstätte ist. Wie das hCG (v. a. der alpha-Kette) steigt es im mütterlichen Blut kontinuierlich an. Die höchste Konzentration findet man im Fruchtwasser. Die Funktion von GDF15 ist, wie immer bei diesen Biomarkern, sehr diversifiziert und komplex. Jedenfalls scheint es eine Signalfunktion zwischen der Plazenta und dem mütterlichen Gehirn zu haben. Dort beeinflusst es bereits sehr früh in der Schwangerschaft das Appetitzentrum, das Essverhalten und die Nahrungsmittelwahl sowie -menge. Dies macht aus einem evolutionären Hintergrund Sinn, da es den Fetus vor teratogenen Substanzen schützt, v. a. während der sensiblen Phase der Organogenese. Hohe GDF15-Werte führen zu diesen typischen gastrointestinalen Symptomen bis hin zu HG. Es besteht eine lineare Korrelation zum hCG und dem T4, beide oft alteriert bei HG. Frauen mit präkonzeptionell tiefen GDF15 Werten – eben β-Thalassämikerinnen – leiden viel seltener an HG. In dieser Arbeit (2), welche in der Zeitschrift Nature publiziert wurde, konnte im Tiermodell gezeigt werden, dass eine durch präkonzeptionelle „Desensibilisierung“ durch Exposition mit GDF15 eine präventive Wirkung für die Entwicklung einer HG haben könnte.

Nun, GDF15 spielt auch eine Rolle bei Fehlgeburten (tiefe Konzentration), beim Gestationsdiabetes oder bei der Entstehung der Präeklampsie (hohe Werte). Bin gespannt, was sich daraus diagnostisch und auch therapeutisch entwickeln wird.

Literatur
1. Fejzo MS, et al., Nat. Rev. Dis. Primers. 2019; 5:62. doi: 10.1038/s41572-019-0110-3
2. Fejzo M, Nature. 2024 Jan; 625(7996):760–7. doi: 10.1038/s41586-023-06921-9. Epub 2023 Dec 13. PMID: 38092039; PMCID: PMC10808057

Luigi Raio

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