Wussten Sie schon

Konisation bei Zervix CA/Normale Körpertemperatur/Bauchschmerzen bei Transmännern/Bariatrische Operationen und Mamma CA/IUD protektiv für Endometriumkarzinom?/Frühgeburtlichkeit weltweit stationär/Endometriose und Fertilität/Sakrale Neuromodulation bei Beckenschmerzen/10 Jahre bis zur Endometriose-Diagnose/Plazenta Histologie/Mikrobiom und Endometriose/Pharmasponsorierte Studien/Körperliche Aktivität reduziert Krebs Mortalität/Waist-To-Hip-Ratio/Luftverschmutzung erhöht Brustkrebsrisiko/Mounjaro und Ovulationshemmer/Schaden bei beidseitiger Adnexektomie/ Tiefinfiltrierende ­Endometriose/Mütter mit Opiatabusus/Anti-P im ersten Trimenon nicht not­wendig/Adipositas und männliche Infertilität/GLP-1-Rezeptor-Agonisten und schwerwiegende Nebenwirkungen/ Sjögren Syndrom und Sexulafunktion/Eisenperlen/AIN und CIN/Subitzing

… dass bei Zervixkarzinom-­Frühstadien eine Konisation im Gesunden vor einer radikalen ­Hysterektomie nicht nur einen ­diagnostischen, sondern auch einen protektiven Effekt hat?

In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse (11 Studien, 4184 Patientinnen mit Frühstadien eines Zervixkarzinoms) wurden die klinischen Ergebnisse nach radikaler Hysterektomie mit oder ohne präoperative Konisation verglichen: 2122 Patientinnen hatten eine präoperative Konisation und 2062 Patientinnen keine. Das krankheitsfreie Überleben (DFS) (Hazard Ratio [HR]: 0,23; 95 % CI: 0,12–0,44) und das Gesamtüberleben (OS) (HR: 0,54; 95 % CI: 0,33–0,86) waren in der Gruppe nach Konisation signifikant besser. Das Rezidivrisiko war in der Gruppe mit präoperativer Konisation geringer als in der Gruppe ohne Konisation (Odds Ratio [OR]: 0,29; 95 % CI: 0,17–0,48). Bei den intra- und postoperativen Komplikationen konnten keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen nachgewiesen werden. (Han L et al., Gynecol Oncol 2023)

Michael D. Mueller

... dass die „normale“ Körper­temperatur nicht 37 °C ist?

In einer grossangelegten Studie der Universität Stanford wurden 724 199 Temperaturmessungen bei ambulanten Patientinnen und Patienten analysiert (Pat. mit Temp. mit <34 °C, >40 °C, unter zwanzig und über achtzig Jahren und extremen Körpergrössen, Gewicht und BMI wurden ausgeschlossen.) Dabei zeigte sich, dass der Mittelwert nicht 37 °C, sondern 36.6 °C mass (Abb. 1).

Algorithmen wurden angewandt und Modellierungen verwendet, um Patientendiagnosen ,die mit erhöhten Temperaturen assoziiert sind, auszuschliessen (LIMIT: Laboratory informationsmining for individual thresholds). 
Darunter z. B. Diabetes: 9.2 % der Population hatten Diabetes, 26 % dieser Patienten wiesen sehr niedrige Temperaturen auf. So wurden alle Diabetespatienten von der Analyse ausgeschlossen; und ein weiteres Beispiel : 5 % der Population hatten Husten, 7 % mit sehr niedrigen, 7 % mit sehr hohen ­Temperaturen; diese Gruppe wurde ebenfalls ausgeschlossen. Nach Ausschluss aller oben genannten Patientinnen blieb „die echte“ ­Normaltemperatur: 36.6 °C.
Was man schon lange weiss, ist, dass die Temperatur von der Tageszeit abhängt und dass Frauen höhere Temperaturen als Männer haben (Abb. 2), weiter nimmt sie im Alter ab (Abb. 3).

Die Autoren und Autorinnen ­konstruierten auch einen Online-Kalkulator (normal temperature, Stanford), wo man die Parameter der Pat. eingeben kann zur Bestimmung der „individuellen normalen Körpertemperatur“ (meine eigene Körpertemperatur um 08:00 Uhr morgens ist 36.7 °C (Ley C. et al.: JAMA Intern. Med. 2023; 183:1128–35).

Kommentar
Wussten sie, woher die Normaltemperatur 37 °C stammt? Sie geht auf den deutschen Arzt Karl ­Reinhard Wunderlich zurück, der der erste war, der Fieber nicht als Krankheit per se, sondern als ­Symptom von Krankheiten erkannte. 1851 publizierte er das Ergebnis von über einer Million Temperaturmessungen bei 25000 Deutschen (Thermometer 30 cm lang, Messdauer 20 Minuten!!): 37.0 °C.
Als Gynäkologinnen und Gynä­kologen kannten wir früher die Basaltemperaturkurven. Siehe da: In der Follikelphase entsprachen die 36.5 °C ziemlich genau dem „new normal“. Haben deshalb Frauen in der neuen Studie höhere Werte??

Michael K.Hohl

… dass Transmänner nach Beginn der Testosterontherapie oft Bauchschmerzen haben können?

Von 436 Transmännern berichteten 72 % von Bauchschmerzen – auch in Verbindung mit dem Orgasmus – bei Initiierung der hormonellen Androgentherapie. Diese Beschwerden waren nicht mit vorangegangenen Schwangerschaften, Endometriose, penetra­tivem Sex oder Depressionen vergesellschaftet (Zwickl S et al., Pelvic Pain in Transgender People Using Testosterone Therapy, LGBT Health 2023; 10(3):179–90. doi: 10.1089/lgbt.2022.0187. Epub 2023 Jan 4.

Annette Kuhn

… dass sich bariatrische Operationen positiv auf das Mammakarzinomrisiko auswirken?

In einer kanadischen Studie mit fast 70 000 Frauen zeigte sich für adipöse Frauen ohne bariatrische Operation ein um 40 % höheres Risiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken (Doumouras AG, et al. : JAMA Surg 2023, 158(6):634–41).

Martin Heubner

… dass sowohl Kupfer-IUD als auch LNG-IUD einen protektiven Effekt auf das Endometriumkarzinomrisiko und vermutlich auch auf das Risiko für andere gynäkologische Karzinome haben?

(Minalt N et al.: AJOG 2023, 229(2):93–100)

… dass sich die Frühgebutlichkeit weltweit in den letzen Jahren nicht verändert hat?

Die letzte WHO/UNICEF-Arbeit zeigt klar, dass knapp 10 % der Kinder weltweit <37 Wochen geboren werden, d. h. in 2020 waren es 13.4 Millionen Kinder. 65 % der Frühgeburten fallen auf die geburtsstärksten Regionen unserer Welt, d. h. in der südlichen Sahara und in Südasien/Indien. (Ohuma EO et al.: Lancet 2023; 402:1261–71).

Kommentar
Auch in der Schweiz bleibt die Rate der Kinder, welche <37 Wochen geboren werden, trotz all unserer Interventionen stabil bei 6.4% (Tabelle BAG 2023). In den USA ist diese 2020 sogar um 0.3%-Punkte auf 10% angestiegen. Eindrücklich bei dieser Untersuchung war, dass lediglich 33% der (64/195) Länder eine einigermassen verwertbare nationale Datenbank bzgl. Frühgeburtlichkeit aufweisen.

Luigi Raio

… dass die ersten zwölf Monate nach einer laparoskopischen Operation bei Patientinnen mit Endome­triose und Infertilität der optimale Zeitpunkt für das Eintreten einer Schwangerschaft sind?

In einer retrospektiven Studie wurde bei 102 Endometriose-­Patientinnen mit Infertilität die Zeitspanne zwischen laparoskopischer Operation und Eintritt einer Schwangerschaft untersucht und versucht, den optimalen Zeitpunkt für den Beginn einer assistierten Reproduktionstherapie (ART) zu bestimmen. 71 (69,9 %) Frauen wurden schwanger (49 spontan, 22 nach ART) und 60 (58,8 %) hatten eine Lebendgeburt. Die Dauer der Infertilität war bei den Patientinnen, die schwanger wurden, kürzer (2,7 ± 2,1 Jahre) als bei denen, bei denen keine Schwangerschaft eintrat (4,7 ± 3,2 Jahre). Nach der laparoskopischen Operation betrug die me­diane Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft acht Monate. 38 Monate nach der Operation war keine Schwangerschaft eingetreten. Bei Patientinnen mit rASRM Endometriose Stadium I & II kann eine spontane Schwangerschaft um bis zu 24 Monate ­verzögert werden. Bei Patientinnen mit rASRM Stadium III & IV ­sollten reproduktionsmedizinische Maßnahmen spätestens nach zwölf Monaten in Betracht gezogen werden [Tahmasbi Rad M et al., Int J Gynaecol Obstet 2023; 163:108–14).

Michael D. Mueller

… dass die sakrale Neuromodulation eine valable Behandlungsoption bei chronischem Beckenschmerzsyndrom darstellt?

Eine kürzliche Metaanalyse vom King’s College London analysierte 26 Studien, wovon 17 prospektiv und neun retrospektiv waren. 
Das chronische Beckenschmerzsyndrom kann sowohl Männer als auch Frauen betreffen.
Wie die Neuromodulation genau wirkt, ist nicht bekannt; in dieser Metaanalyse kam es nach 3, 6 und 12 Monaten zu einer signifikanten Verbesserung der Schmerzsymptomatik.
Zu geringfügigen Komplikationen kam es in 11.8 % der PatientInnen, und bei 4.7 % mussten die implantierten Geräte wieder ausgebaut werden.
PatientintInnen mit Bladder Pain Syndrome profitierten insgesamt weniger hinsichtlich der Schmerzsymptomatik (Greig J, Mak Q, Furrer MA, Sahai A, et al.: Sacral neuromodulation in the management of chronic pelvic pain: A systematic review and meta analysis; Neurourol Urodyn 2023; Apr, 42(4):822–36).

Annette Kuhn

… dass es immer noch fast zehn Jahre dauert, bis Betroffene die Diagnose Endometriose erhalten?

Eine Online-Befragung von 2017 Endometriose-Betroffenen aus Endometriose-Selbsthilfegruppen in 63 Ländern ergab eine durchschnittliche Verzögerung von 3,7 Jahren zwischen dem Auftreten von Symptomen und dem Aufsuchen ärztlicher Hilfe und eine weitere durchschnittliche Verzögerung von 5,8 Jahren zwischen dem Aufsuchen ärztlicher Hilfe und der Endometriose-Diagnose. Die Gesamtverzögerung bis zur Diagnose betrug durchschnittlich 9,6 Jahre. Teilnehmerinnen und Teilnehmer über 35 Jahre berichteten über längere Diagnoseverzögerungen als Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 18 und 24 Jahren. In der qualitativen Analyse wurden Themen wie die Normalisierung der Symptome durch die Ärzte, das Gefühl der Patientinnen, ignoriert zu werden, und die Ablehnung der Ärzte aufgrund von Merkmalen wie Alter oder Aussehen hervorgehoben. Insgesamt berichteten Endometriose-Patientinnen aller Altersgruppen von negativen Erfahrungen im Gesundheitswesen und von erheblichen Verzögerungen bei der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung und der Diagnose­stellung (Requadt E et al., BJOG 2023; doi: 10.1111/1471-0528.17719]

Kommentar
Diese Arbeit zeigt deutlich, dass entgegen dem, was wir immer ­wieder hören müssen, noch viel zu selten an die Endometriose gedacht wird. Betroffene müssen immer noch Jahre auf die richtige Diagnose warten und oft noch länger auf die richtige Therapie.

Michael D. Mueller

… dass auch die Neonatologen/Pädiater sich um die Plazenta ­kümmern sollten und aktiv eine patho-histologische Untersuchung indizieren dürfen/sollten

(Cromb D et al.: Arch Dis Child Fetal Neonatal 2023. ed Epub ahead of print: doi:10.1136/archdischild)?

Kommentar
Das ist eine sehr gute Publikation mit einer schönen Zusammenstellung der potenziellen Pathologien, welche eine Plazenta makro- und mikroskopisch aufweisen kann mit der klinischen Interpretation. Es ist tatsächlich so, dass meist die Geburtshelfer die Indikation stellen für eine Aufarbeitung der Plazenta, und nach meiner Erfahrung fragen die Neonatologen selten nach dieser Histologie. Die Akademie für feto-maternale Medizin (AFMM) ist seit Jahren daran, auch für die Schweiz eine allgemeingültige Leitlinie zu erstellen, in welchen Situationen eine Histologie Sinn macht oder sogar notwendig ist und was der/die Pathologe:in auch beschreiben sollte. Das ist der andere wunde Punkt in der Geschichte. Wie steht es eigentlich mit der Ausbildung unserer Pathologen hinsichtlich Plazenta- und Fetopathologie?

Luigi Raio

… dass das Mikrobiom auch bei der Endometriose möglicherweise eine wichtige Rolle spielt?

Eine kürzliche Studie weist auf die Wichtigkeit des Mikrobioms in der Entwicklung der Endometriose hin. Das Mikrobiom aus Darm, peritonealer Flüssigkeit und weib­lichem Genitaltrakt scheint hier einen wichtigen Einfluss zu haben, der aktuell in Studien detaillierter untersucht wird (Uzuner C et al., The bidirectional relationship ­between endometriosis and microbiome. Front Endocrinol. 2023; 14:1110824. doi: 10.3389/fendo.2023.1110824. eCollection 2023).

Annette Kuhn

… dass die Mehrheit der meist zitierten Studien, welche von 2019 bis 2022 publiziert wurden, von der Pharma-Industrie gesponsert werden?

In einer Querschnittsstudie wurden die Beteiligung der Industrie und die Transparenzmerkmale von viel zitierten klinischen Studien, die 2019 oder später veröffentlicht wurden, bewertet. Von den 600 ausgewählten Studien wurden 68,2 % von der Industrie finanziert, 50,5 % sogar ausschliesslich von der Industrie, und 59,0 % hatten Autoren aus der Industrie. Darüber hinaus waren an 46,6 % der Studien Analysten aus der Industrie beteiligt und 20,8 % wurden ausschließlich von Analysten aus der Industrie analysiert. Von den industriefinanzierten Studien kamen 89,0 % zu Schlussfolgerungen zugunsten des Sponsors. Die meisten Studien enthielten Aussagen zur Datenverfügbarkeit, aber nur 2,7 % der Studien hatten sofort verfügbare Daten. Während 79,7 % der Studien über vollständige Protokolle und 74,3 % über statistische Analysepläne verfügten, erwähnten nur 4,5 % die gemeinsame Nutzung von Analysecodes. Bei randomisierten Studien war es wahrscheinlicher, dass nur Industrieanalytiker beteiligt waren und vollständige Protokolle und statistische Analysepläne vorlagen. Eine ausschliessliche Finanzierung durch die Industrie und mit der Industrie verbundene Autoren waren mit für den Sponsor günstigen Schluss­folgerungen verbunden. Die Studie unterstreicht die Bedeutung der Beteiligung der Industrie an einflussreichen klinischen Studien und die Variabilität der Transparenzverpflichtungen, wobei Rohdaten und Code nur begrenzt verfügbar sind (Siena LM et al., JAMA Network 2023).

Michael D. Mueller

… dass körperliche Aktivität nach einer Krebsdiagnose die Mortalität reduziert?

In dieser Analyse wurden mehr als 11 000 Patientinnen und Patienten nach verschiedenen Krebsdiagnosen (u. a. Prostata-, Lungen-, kolorektalen, Mamma- und Ovarialkarzinomen) betrachtet. Diese hatten nach der Krebsdiagnose einen standardisierten Fragebogen bezüglich ihrer körperlichen Aktivität ausgefüllt. Als Empfehlung gilt: moderates Training mindestens viermal pro Woche für ca. 30 Minuten oder intensives Training an mindestens zwei Wochentagen für je 20 Minuten. Das primäre Outcome war die Gesamtmortalität, sekundäre Outcomes waren krebsspezifische Mortalität und Mortalität anderer Ursache. Nach einem medianen Follow-Up von 16 Jahren nach der Krebsdiagnose waren 4665 Todesfälle aufgetreten, 1940 waren krebsassoziiert. Patientinnen und Patienten, die entsprechend internationaler Empfehlungen sportlich aktiv waren, hatten eine um 25 % reduzierte Gesamtmortalität im Vergleich zur keiner sportlichen Aktivität und das war unabhängig von der Krebsart (HR, 0.75; 95 % CI, 0.70–0.80). Auch die krebsspezi­fische Mortalität war signifikant reduziert (HR, 0.79; 95 % CI, 0.72–0.88), allerdings nur bei Kopf-/Halstumoren und bei Nierenkarzinomen. Jedoch war die Mortalität aus anderer Ursache bei Patientinnen bzw. Patienten, die gemäss Guidelines körperlich aktiv waren, nach Brustkrebs, Kolon-, Endometrium- und Prostatakarzinomen sowie hämato­poetischen Erkrankungen signifikant reduziert.
Es ist also an der Zeit, patientenzentrierte Lifestyle-Beratung in die Nachsorge zu integrieren und gezielte Sportprogramme anzu­bieten, damit unsere Patientinnen und Patienten von diesem Über­lebens-Benefit profitieren können (Lavery JA et al., Pan-Cancer Analysis of Postdiagnosis Exercise and Mortality. August 2023 ; Journal Clinical Oncology. doi: https://doi.org/10.1200/JCO.23.00058).

Cornelia Leo

… dass die Waist-To-Hip-Ratio ein besserer Prädiktor für eine erhöhte Gesamtmortalität ist als der Body-Mass-Index (BMI)?

(Harris E, JAMA 2023; 330[(16]:1515–6)

Martin Heubner

… dass Luftverschmutzung das Brustkrebsrisiko erhöht?

(Harris E, JAMA 2023; 330[15]:1422)

Martin Heubner

… dass Tirzepatide (Mounjaro), eine der neuen gehypten Drogen zur Gewichtsabnahme, die Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva ­negativ beeinflussen kann?

Wenige der obesen Frauen, welche auch orale Kontrazeptiva einnehmen, wissen, dass diese GLP-1-­Receptor Agonisten, primär zur Behandlung von Diabetes zugelassen, die Absorption von OH negativ beeinflussen (GLP-1 Rezeptoragonisten verlängern u. a. die Transitzeit Magen-Dünndarm, was offenbar die Resorption der OH behindert. Dies gilt auch für Diarrhöen und Erbrechen. Laut P. Kodaman (Yale University) empfiehlt es sich deshalb auf andere Kontrazeptiva (IUD, Kondome) zu wechseln, Andere Experten meinen, dass ein grösseres Zeit­intervall zwischen H und GLP-1-Agonisten ausreichen würde (Medscape, 18.10.2023).

Kommentar
Wahrscheinlich gilt die obige Feststellung für alle GLP-1-Agonisten. Die Aktienkurse von Ely-Lilly und Novo Nordisc sind stark gestiegen, GLP-1 in den USA bereits die Lifestyledrugs par excellence (42% der Frauen obes), die oft selbst bezahlt werden (ca. $ 1400/Monat). Also dort eine praxisrelevante Info.

Michael K.Hohl

… dass der Schaden nach einer beidseitigen Entfernung der ­Ovarien zum Zeitpunkt einer ­Hysterektomie bei gutartigen Erkrankungen den Nutzen deutlich überwiegt?

In einer dänischen Studie an 143 000 Frauen konnte gezeigt werden, dass Frauen, denen bei einer Hysterektomie wegen einer gutartigen Erkrankung beide Eierstöcke entfernt worden waren, ein höheres Risiko hatten, innerhalb von zehn Jahren zu sterben, als Frauen, bei denen dies nicht der Fall war. Dieser Zusammenhang war jedoch nur bei Frauen signifikant, die zwischen 45 und 54 Jahren operiert wurden.
Außerdem hatten Frauen, denen beide Eierstöcke entfernt wurden, als sie jünger als 45 Jahre waren, ein etwa 1,2 % höheres 10-Jahres-Kumulativrisiko für einen Krankenhausaufenthalt in Zusammenhang mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als Frauen, die sich einer Hysterektomie ohne Oophorektomie unterzogen.
Die Ergebnisse unterstützen „die aktuellen Empfehlungen, Eierstöcke bei prämenopausalen Frauen, die kein hohes Risiko für Ovarialkarzinom haben, nicht zu ent­fernen“ und auch bei postmenopausalen Frauen eine beidseitige Oophorektomie kritisch zu hinterfragen (Gottschau M et al., Ann Intern Med 2023; 176:596–604).

Michael D. Mueller

… dass nur bei etwas mehr als einem Drittel der Frauen mit tief infiltrierender Endometriose die Erkrankung fortschreitet?

Der natürliche Verlauf einer Endometriose ist nur unzureichend erforscht, und trotz zahl­reicher Studien sind die Geschwindigkeit der Krankheitsprogression und die optimale Behandlungs­planung bei Frauen mit asymptomatischen oder nur leichten, nicht behandlungsbedürftigen Symptomen unbekannt. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde der Verlauf der mittels transvaginaler Sonographie diagnostizierten tiefen Endometriose (DIE) bei konservativ behandelten Frauen ohne medikamentöse oder chirurgische Intervention untersucht. Alle Frauen nahmen an mindestens zwei Ultraschalluntersuchungen im Abstand von mindestens sechs Monaten teil. Während des Studienzeitraums wurde bei 1922 Frauen eine mittelschwere bis schwere tiefe Endometriose bei einer Ultraschalluntersuchung des Beckens diagnostiziert. Insgesamt erfüllten 135 prämenopausale Frauen die Einschlusskriterien, die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 666 Tage (181–2984). Während der Nachbeobachtungszeit entwickelten 50/135 Frauen (37 %, 95 % KI: 29–46) zusätzliche Knoten oder die DIE nahm an Größe zu. Bei 17/135 Frauen (13 %, 95 % CI: 8–19) verringerte sich die Anzahl oder Größe der Knoten. Bei den übrigen 68/135 Frauen (50 %, 95 % KI: 42–59) blieb die Erkrankung ­während der Nachbeobachtungszeit unverändert. Die mediane Veränderung des mittleren DIE-Durchmessers während des Stu­dienzeitraums pro Frau betrug +0,13 mm (–11,67–+5,83) mit einer jährlichen Wachstumsrate von +0,09 mm/Jahr (–6,65–+6,45) (Knez J et al., Acta Obstet ­Gynecol Scand 202); 00:1–8]

Kommentar
Bei der Mehrzahl der asymptoma­tischen oder leicht symptomatischen Frauen mit DIE ist der Krankheitsverlauf statisch. Daher sollte ein aktives Management primär von den klinischen Symptomen bestimmt werden.

Michael D. Mueller

… dass Kinder von Müttern mit Opiatabusus und Kinder mit ­Entzugssymptomatik eine höhere post-neonatale Mortalität auf­weisen?

(JAMA Pediatr. 2023; 177(7):675–83. doi: 10.1001/jamapediatrics.2023.1047)

Kommentar
Diese erhöhte post-neonatale Mortalität nach maternalem Drogen­abusus (v.a. Opiate) und/oder kindliche Entzugssymptomatik bleibt auch erhöht nach Korrektur verschiedener anderer beeinflussender Faktoren. Dass diese Kombi­nation (Drogenabusus, kindlicher Entzug) die Mortalität erhöht, ist selbstredend. In den meisten grösseren Kliniken sind Konzepte vorhanden unter Beteiligung von vielen Playern wie Sozialdienst, Pädiater, Psychiater, Drogenanlaufstellen, Kinderschutzgruppen etc., um individuelle Lösungen zum Wohle der Frau und speziell der Kinder zu finden. Interessant auch die Beobachtung, dass bei Kindern von Frauen mit Politoxikomanie und insbesondere Fentanyl-Exposition nicht nur die Mortalität erhöht ist, sondern seit Kurzem auch ein Smith-Lemli-Opitz-artiges Syndrom beschrieben wird. Vor allem Fentanyl scheint durch Interaktion im Cholesterinmetabolismus teratogen zu wirken (Wadman E et al., Genetics in Medicine Open (2023) 1, 100834).

Luigi Raio

… dass die Anti-D-Prophylaxe nach einem medikamentösen oder chirurgischen Schwangerschafts­abbruch <12+0 Wochen bei Rh negativen Frauen wahrscheinlich nicht notwendig ist?

Horvath S et al., JAMA. 2023; 330(12):1167–74. doi: 10.1001/jama.2023.16953

Kommentar
Die Autoren gehen soweit, dass sogar eine Blutgruppenbestimmung vor 12 Wochen nicht notwendig ist. In einer prospektiven Studie wurden gepaarte Blutproben, d.h. vor und nach einem Abbruch der Schwangerschaft, auf fetale Zellen im mütterlichen Blut mittels Hochdurchsatz-Flowzytometrie untersucht. Ein akzeptierter Schwellenwert von 125 fetalen Erythrozyten/5Mio totale Ec wurde als Sensibilisierung definiert. 506 Frauen konnten eingeschlossen werden, 319 (63%) mit medikamentösem und 187 (37%) nach chirurgischem Abbruch. Nun, nur in drei Fällen wurde der Schwellenwert überschritten. Die Autoren gehen aber davon aus, dass es falsch positive Fälle waren, da der Einsatz einer verbesserten Flowzytometrie keinen Fall mit erhöhten fEc vor oder nach dem Eingriff zeigte. Die Arbeit ist gut und gibt uns etwas Sicherheit bei Fällen <12 Wochen. Die Schweizer Richtlinie (Expertenbrief 68, 2020) empfiehlt eine Anti-D-Gabe bei Abbrüchen und Aborten. Die Autoren sind daran, diese Weisung nochmals zu überdenken und allenfalls anzupassen. Bleiben Sie bitte am Ball!

Luigi Raio

… dass es auch einen Zusammenhang mit männlicher Infertilität und Adipositas gibt?

Während der Einfluss der maternalen Adipositas auf Fertilität und Schwangerschaft gut untersucht ist, hat sich der Interessenfokus in letzter Zeit auch auf den Einfluss der männlichen Adipositas auf die Fertilität konzentriert. 
Eine kürzlich publizierte Metaanalyse aus Australien beweist den negativen Effekt der männlichen Adipositas auf Spermiogrammwerte wie Gesamtzahl, Konzentration und Mobilität der Spermien.
Darüber hinaus werden Zusammenhänge mit männlichem Übergewicht und DANN-Schädigungen diskutiert, dies allerdings ­teilweise widersprüchlich.
Übergewichtigen Patienten mit Kinderwunsch darf auch im Hinblick auf andere positive Effekte die Gewichtsreduktion nahegelegt werden (Peel A, Saini A, Delualo JC et al.: Sperm DNA Damage: The possible link betweenobesity and male infertility, an update of the current literature, Andrology 2023; Feb 15: doi:10.1111/andr.13409; Epub ahead of print. PMID: 36789664).

Annette Kuhn

… dass im Zusammenhang mit der Einnahme von GLP-1-Rezeptor-Agonisten zur Gewichtsreduktion zunehmend schwerwiegende unerwünschte Wirkungen bekannt ­werden?

Im Juni 2021 erteilte die FDA die Zulassung für Semaglutid (Wegovy®) zur chronischen Gewichtskontrolle und läutete damit eine neue Ära in der Adipositasbehandlung ein. Die Nachfrage nach Wegovy® und der Off-Label-Einsatz von Ozempic® (mit demselben Wirkstoff) zur Gewichts­reduktion führten zu Liefereng­pässen. Am 8. November 2023 hat die FDA zusätzlich Tirzepatide (Zepbound®) zur Gewichtsreduktion zugelassen und damit die Möglichkeiten erweitert. Allerdings werden im Zusammenhang mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten zunehmend schwerwiegende unerwünschte Wirkungen bekannt, darunter Erbrechen während der Narkose und Magenkomplikationen.
Die American Society of Anesthesiologists empfiehlt, GLP-1-Agonisten vor elektiven Operationen abzusetzen, da Sicherheitsbedenken hinsichtlich Regurgitation und Aspiration von Mageninhalt während der Narkose bestehen. Eine kürzlich in JAMA veröffentlichte Studie berichtete über ein erhöhtes Risiko für Pankreatitis, Darmverschluss und Gastroparese bei GLP-1-Anwendern, obwohl die absoluten Risiken gering waren.
Fallberichte über Depressionen und Suizidalität führten zu einer Überprüfung von Liraglutid und Semaglutid durch die Europäische Arzneimittelagentur, wobei der kausale Zusammenhang unklar ist. In den Beipackzetteln der Medikamente wird vor Depres­sionen und Selbstmordgedanken gewarnt. Es bestehen Bedenken hinsichtlich Langzeitrisiken wie medullärem Schilddrüsenkrebs, aber die Datenlage ist begrenzt.
Obwohl GLP-1-Agonisten wirksam bei der Gewichtsabnahme sind, sollten die seltenen unerwünschten Wirkungen berücksichtigt werden (z. B. Absetzen der Medikation vor chirurgischen Eingriffen). Kliniker sollten mit ihren Patienten, die diese Medikamente in Erwägung ziehen, eine gemeinsame Entscheidung treffen und die möglichen Risiken und Vorteile genau beobachten (Ruder K., JAMA 2023; doi: 10.1001/jama.2023.16620).

Michael D. Mueller

… dass Patientinnen mit Sjögren-Syndrom ein hohes Risiko für ­Störungen der Sexualfunktion haben?

In einem Review wurden gynä­kologische und geburtshilfliche Risiken des Sjögren-Syndroms, welches immerhin vier von 1000 Frauen betrifft, zusammengefasst. Neben Sexualfunktionsstörungen besteht unter anderem ein erhöhtes Risiko für intrauterine Wachstumsretardierung. Die Betreuung der Patientinnen sollte in engem Austausch mit den behandelnden Rheumatologen erfolgen (Yang Y et al., EJOG 2023; 291:1–9).

Martin Heubner

… dass es „Eisenperlen“ gibt?

Prof. D. S. Paauw (Professor für Innere Medizin, University of Washington, Seattle, USA) ver­öffentlichte seine Meinung, bei welchen häufigen und typischen Problemen eine Eisensubstitution ausserhalb einer Anämie Sinn machen könnte. Er empfahl eine Fe-Supplementation bei folgenden Situationen:

  • Fatigue ohne Anämie und ­Ferritinwerten <50 ng/L
    Begründung: Eine randomisierte Doppelblindstudie und Metaanalysen zeigten eindeutig eine Reduktion der fatigue scores nach Fe-Supplementation (Verdun F et al.: BMJ 2003; 326:1124; Houston, BL et al.: BMJ open 2018; 8:e019240).

  • Haarverlust oder verdünntem Haar
    Begründung :Haarverlust ist mit niedrigen Ferritinwerten korreliert. In einer Studie wurden Frauen mit Haarverlust bei Fe-Mangel ohne Anämie mit Fe therapiert. Bei allen stoppte der Haarausfall und das Wachstum startete erneut ­(Zielwerte nach Therapie für Ferritin >40 ng/L).

  • Restless leg syndrom (RLS)
    (Diagnose: entsprechend den RLS-Guidelines)
    Allen R. R. et al. (Sleep Med 2018-41:27) empfehlen eine ­Fe-Gabe zum Beispiel Fe-­Karboximaldose, Ferinject 1000 mg) bei Frauen mit RLS und Ferritinwerten <75 ng/L).

(Medscape 2023; 11. August)

Kommentar
„Perlen“ sind nicht nur kostbarer Schmuck, sondern auch nützliche Empfehlungen von erfahrenen Experten für Dinge, an die man vielleicht nicht selbst gedacht hat.

Michael K. Hohl

… wie hoch die Prävalenz von analen intraepithelialen Dysplasien (AIN) bei Patientinnen mit high-grade ­Zervixdysplasien (CIN 2-3) ist?

Dass eine HPV-high-risk-Infektion auch mit einem erhöhten Risiko für weitere Dysplasien (über die CIN hinaus) assoziiert ist, ist bekannt. Nach einer aktuellen Studie liegt das Risiko für eine begleitende AIN 2-3 bei 6.5 %. Es ist aktuell unklar, ob eine routinemässige proktologische Vorstellung von Patientinnen mit CIN 2-3 von Nutzen ist (Monti E et al., EJOG 2023; 291:82–7).

Martin Heubner

… dass „subitizing“ einen separaten neuronalen Mechanismus hat?

Zuerst: Was ist „subitizing“? Der von E.L. Kaufmann et al. (Am. J. Psychol. 1949;62: 498–525) geprägte Begriff (von lat .subitus = schnell, rasch) beschreibt die Fähigkeit, schnell, akkurat und zuverlässig die Anzahl von Objekten zu erkennen(Blickdiagnose). Die magische Grenze liegt bei 4 (Abb. 4 aus Wikipedia). Bei mehr als vier Objekten versagt die „Blickdiagnose“, sie müssen gezählt, geschätzt werden (Ausnahme: die 5 und 6 eines Würfels, die man als Muster erkennt).
Seither streitet man sich, ob „subitizing“ bzw. Zählen, Schätzen von einem oder unterschiedlichen neuronalen Prozessen geleistet werden.
Die Autoren führten bei den Probanden während der Tests Einzelneuronaufzeichnungen im medialen Temporallappen durch. Die Resultate ergaben, dass Subitizing und Zählen von unterschiedlichen neuronalen Systemen geleistet ­werden.
Das 1–4-Subitizing-System wurde in Verbindung gebracht mit Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis, welche vergleichbare Kapa­zitätsprobleme haben (nur vier Elemente können gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis bearbeitet werden (Kutter, E.F et al., Nature hum. Behavior, doi: org/10.1038/s41562-023-01709-3).

Kommentar
Beim Lesen der Originalarbeit stiess ich bald an meine Grenzen, war aber fasziniert, wie man immer präziser die komplexen neuronalen Vorgänge entschlüsselt. Wie kommt es, dass die Grenze für „subitizing“ gerade bei 4 liegt? Arbeitsgedächtnis auch nur 4 (soviel zum „multitasking“).

Michael K.Hohl

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