Krebs und Kinderwunsch I – Eine Übersicht zum Thema ­Onkofertilität in der gynäkologischen On-kologie

In der gynäkologischen Onkologie sehen wir zu einem grossen Teil Frauen, die das 50. Lebensjahr bereits überschritten haben. Dennoch sind durchaus auch Frauen im reproduktiven Alter von Tu-morerkrankungen betroffen. Das in den Industrienationen beobachtete Verlagern der Familien-gründung in ein höheres Lebensalter führt dazu, dass wir in zunehmendem Ausmass mit dieser Thematik konfrontiert werden.

Endometriumkarzinome, Zervixkarzinome und auch Ovarialtumoren werden auch bei jüngeren Frauen immer wieder diagnostiziert, was Patientinnen und Therapeuten vor Herausforderungen stellt. Beim Mammakarzinom sehen wir sogar häufig junge Patien­tinnen – während die operative Behandlung hier in aller Regel keine relevanten Einschränkungen verursacht, ist die Systemtherapie mit allfälliger Schädigung der Ovarien hier der entscheidende Faktor, der besondere Beachtung verlangt. Grundsätzlich stellt die Tumorerkrankung im jungen Lebensalter ein besonderes Dilemma dar. Verständnis sowohl für reproduk­tionsmedizinische als auch onkologische Aspekte sind bei der Betreuung dieser Patientinnen gefordert. Und natürlich sind auch psychosoziale Aspekte von besonderer Bedeutung.

Der Umgang mit Patientinnen, deren Familienplanung zum Diagnosezeitpunkt nicht abgeschlossen ist, verlangt besonderes Fingerspitzengefühl. Die existenzielle Bedrohung durch eine Krebsdiagnose spielt selbstverständlich auch und gerade bei jungen Frauen eine grosse Rolle. Hinzu kommen jedoch noch viele weitere Sorgen, die bei Älteren häufig nicht oder nicht im gleichen Ausmass von Bedeutung sind: wie wirkt sich meine Erkrankung auf meine Zukunftsplanung aus hinsichtlich Partnerschaft, Familie und auch Karriere? Verändern sich mein Körperbild, meine Eigenwahrnehmung als Frau, meine Sexualität durch Diagnose und Therapie(-folgen)? Die enge Begleitung und Betreuung, idealerweise auch durch geschultes psychoonkologisches Personal, ist daher immens wichtig.

Welche Faktoren sind für Fertilitätseinschränkungen respektive den Fertilitätserhalt für diese Frauen relevant? Einen Überblick, samt möglicher Massnahmen, gibt Tabelle 1. Wichtig ist unter anderem, bei der Einschätzung der Situation auch die nicht-onkologischen Faktoren zu berücksichtigen. Hat beispielsweise eine 35-jährige Frau mit einer Tumorerkrankung –oder deren Partner – bereits vor der Therapie eine deutlich eingeschränkte Fertilität, kann das Wissen um diesen Umstand durchaus relevant für die Therapieentscheidung sein. 

Im Folgenden soll im Einzelnen organspezifisch auf fertilitätsmedizinische Aspekte eingegangen werden.

Zervixkarzinom

Unter den Genitalmalignomen ist das Zervixkarzinom die Tumorentität, die durchschnittlich im jüngsten Lebensalter auftritt und daher besondere Relevanz hat. Die niedrige Gesamtinzidenz in der Schweiz bedingt jedoch, dass wir uns im Alltag nur selten damit konfrontiert sehen. In der Literatur, einschliesslich der europäischen ESGO-Leitlinien, werden nodalnegative Tumoren ≤2 cm als geeignet für eine fertilitätserhaltende Operation gesehen. Je nach Tumorgrösse und dem Vorhandensein einer Lymphgefässinvasion wird die operative Therapie angepasst. Kleinste Tumore können mit einer Konisation entfernt werden, während grössere eher durch eine einfache oder radikale Trachelektomie entfernt werden sollten. Während bei der einfachen Trachelektomie der untere Anteil der Zervix mit einer kleinen Scheidenmanschette entfernt wird, erfolgt bei der radikalen Trachelektomie auch eine Resektion der Parametrien. Kritisch muss angemerkt werden, dass eine onkologische Überlegenheit der radikalen gegenüber der einfachen Trachelektomie nicht klar bewiesen ist und nach den aktuellen Daten des Shape-Trials auch infrage gestellt werden muss. Im Shape-Trial, veröffentlicht in diesem Jahr, zeigte sich bei frühem Zervixkarzinom keine Überlegenheit der radikalen gegenüber einer einfachen Hysterektomie ohne Parametrienresektion. Eine Trachelektomie, ob mit oder ohne Parametrien, ist natürlich ein erheb­licher uteriner Eingriff. Die operative Morbidität ist aber durchschnittlich geringer als bei der radikalen Hysterektomie. Neben dem erhöhten Risiko für Aborte und Frühgeburten in Folge ist aus reproduk­tionsmedizinischer Sicht das Risiko für Zervixstenosen relevant. Durchschnittlich werden diese in 10–30 % der Fälle beschrieben, einige Fallserien berichten aber auch von Inzidenzen bis zu 70 %. Die präventive Einlage von Kathetern o. Ä. in den Zervikalkanal scheint einen protektiven Effekt zu haben. Tumorrezidive nach Trachelektomie treten laut Literatur in 3–5 % der Fälle auf. Onkologisch ergeben sich bei richtiger Indikationsstellung keine Einbussen in der onkologischen Sicherheit. Die Fertilität ist nach Trachelektomie erhalten, aber eingeschränkt. Bis zu 50 % der Patientinnen benötigen reproduktionsmedizinische Unterstützung zur Erfüllung ihres Kinderwunsches. Die Schwangerschaftsraten nach Trachelektomie werden um 60 % angegeben, die Frühgeburtlichkeit ist bei der einfachen Trachelektomie erheblich niedriger (15 %) als bei der radikalen (40–60 %).

Der Erhalt der Ovarfunktion bei fortgeschrittenen Tumoren vor geplanter Radiochemotherapie wird häufig mittels Pexie der Ovarien vorgenommen. Das Risiko einer ovariellen Insuffizienz wird hierdurch jedoch nur um 50 % gesenkt, wofür Streustrahlung und auch die veränderte und eingeschränkte Vasku­larisation verantwortlich sind.

Martin Heubner

Ovarialtumoren

Während die Diagnose eines high-grade serösen Ovarialkarzinoms bei jungen Patientinnen eine Rarität darstellt, ist dies bei Borderline-Tumoren nicht der Fall. In fast der Hälfte der Fälle treten diese in einem Lebensalter <40 Jahre auf. Da 80 % dieser Tumore im Stadium I diagnostiziert werden, kann ein fertilitäts­erhaltendes chirurgisches Vorgehen sehr oft angeboten werden. Nach einer einseitigen Adnexektomie liegt das Rezidivrisiko bei 10–20 % (versus 1–7 % nach radikaler, nicht fertilitätserhaltender Operation). Ein Problem stellen beidseitige Tumore dar: wird einseitig nur der Tumor unter Erhalt des Ovars entfernt, steigt das Rezidivrisiko auf 20–30 %. Nach einseitiger Adnex­ektomie ist das reproduktionsmedizinische Outcome sehr gut, es wurden Schwangerschaftsraten bis zu 80 % veröffentlicht. Ovarielle Borderline-Tumore dürften die häufigste Indikation für fertilitätserhaltende Operationen in der gynäkologischen Onkologie darstellen. Retrospektive Daten sprechen für eine Gleichwertigkeit minimalinvasiver Operationstechniken gegenüber der offenen Chirurgie. Lediglich bei grossen Primär­tumoren sollte eher offen operiert werden, da das Risiko der iatrogenen Ruptur bei Tumoren >10 cm Durchmesser um den Faktor vier erhöht ist.

Weitaus schwieriger stellt sich die Situation bei inva­siven Karzinomen dar. Low-grade-Karzinome im ­Stadium IA (allenfalls im Stadium IC) können für ein fertilitätserhaltendes Vorgehen ins Auge gefasst werden. Retrospektive Daten sprechen für eine onkologische Gleichwertigkeit, grundsätzlich ist die Datenlage jedoch schlecht. Dies sollte in der Beratung entsprechend berücksichtigt werden.

Martin Heubner

Endometriumkarzinom

Bei der Endometriumhyperplasie mit Atypien (AEH) besteht ein Entartungsrisiko von bis zu 30 % und in bis zu 60 % liegt bei der in der durch Pipelle de Cornier oder Curettage gestellten Diagnose „Endometrium­hyperplasie mit Atypie“ im Hysterektomiepräparat schon ein invasives Karzinom vor. Eine konservative Therapie der AEH kann bei noch bestehendem Kinderwunsch erwogen werden. In der Literatur sind ­verschiedene konservative Therapien beschrieben: Medro­xyprogesteronacetat (200–250 mg/d/p.o.), Megestrolacetat (160–200 mg/d/p.o.) oder Levonor­gestrel-IUP (52 mg). Da ein Gestagen-IUP meist zu einer Remission führt und weniger Nebenwirkungen hat, ist dies heutzutage die Methode erster Wahl.

Beim Endometriumkarzinom spielen die eingangs erwähnten allgemeinen Faktoren eine sehr wichtige Rolle und müssen bei der Entscheidungsfindung zur Fertilitätserhaltung berücksichtigt werden. Wie bei jeder Frau, die schwanger werden möchte, ist auch bei Frauen mit Endometriumkarzinom das Alter ein entscheidender Faktor für den Erfolg. In einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse wurde festgestellt, dass die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt bei Frauen mit Endometriumkarzinom bei Frauen unter 35 Jahren liegt (Lebendgeburtenrate 30,7 %). Im Vergleich wurde in Studien, die Frauen bis zum Alter von 40 Jahren einschlossen, eine Lebendgeburtenrate von 23,0 % festgestellt.

Übergewicht, ein bekannter Risikofaktor für das Endometriumkarzinom, wirkt sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus. Eine Gewichtsabnahme von ≥5 % erhöht bei adipösen Frauen mit Endometriumkarzinom die Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate signifikant. Daher ist eine Gewichtsabnahme bei Übergewichtigen oder die Aufrechterhaltung eines gesunden BMI nach einer fertilitätserhaltenden Behandlung so bald wie möglich empfohlen.

Frauen <35 Jahren mit Endometriumkarzinom weisen häufig ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO) auf. Die Patientinnen sind häufig übergewichtig, haben eine Insulinresistenz oder werden in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium diagnostiziert. Frauen mit PCO und Endometriumkarzinom sprechen häufig nicht auf eine Medroxyprogesteronacetat-Therapie an. Die Morphologie der polyzystischen Ovarien (nicht unbedingt polyzystisches Ovarialsyndrom) scheint jedoch ein prognostisch günstiger Faktor bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom zu sein, die eine vollständige Remission nach fertilitätserhaltender Therapie mit Gestagen erreicht haben, unabhängig vom BMI.

Es gibt keinen Konsens, ob bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom bei Lynch-Syndrom eine fertilitätserhaltende Therapie angeboten werden kann. In Anbetracht der Tatsache, dass das Lynch-Syndrom mit anderen malignen Erkrankungen vergesellschaftet ist, sollten, bevor eine Fertilitätserhaltung angeboten wird, folgende Punkte mitbetrachtet werden:

  • es sind meist jüngere Patientinnen betroffen (dementsprechend höheres Rezidivrisiko),
  • es besteht ein erhöhtes Risiko für ein synchrones Ovarialkarzinom,
  • es ist nicht sicher, ob eine Hormontherapie wirksam ist (andere molekulare Entstehungsmechanismen),
  • bei Patientinnen mit Mismatch-Repair-Defizienz sind Resistenzen gegenüber einer konservativen Behandlung sowie Rezidive häufiger.

Die histopathologische Diagnose von EAH und Endometriumkarzinom ist von entscheidender Bedeutung für eine optimale Risikostratifizierung und Behandlungsentscheidungen. Vor dem definitiven Entschluss für eine Fertilitätserhaltung ist das Einholen einer Zweitmeinung durch eine erfahrene Gynäko-Patho­login sinnvoll. Das heutzutage allgemein akzeptierte binäre Grading-System für Endometriumkarzinome sollte bei diesen Patientinnen nicht verwendet werden, sondern die klassische Einstufung in G1-, G2- und G3-Tumore. Auch wenn noch umstritten, befürworten neue Untersuchungen die Verwendung der immunhistochemischen Auswertung verschiedener Biomarker wie p53 und L1CAM, um eine endometriale Hyperplasie/endometrioide intra-epitheliale Endometriumhyperplasie/endometrioide intraepitheliale Neoplasie zu erkennen. Die Differenzierung des Endometriumkarzinoms ist der wichtigste Prädiktor für das Stadium und das Ansprechen auf die Behandlung mit Gestagenen. Frauen mit endometrioidem Endometriumkarzinom Grad 1, Stadium-IA-Endometriumkarzinom (ohne myometriale Invasion) scheinen eine größere Wahrscheinlichkeit zu haben, auf eine Behandlung mit Gestagenen anzusprechen. In der aktuell verfügbaren Literatur gibt es nur wenige Berichte über Fälle mit konservativer Behandlung von Endometriumkarzinomen des Grades 2 im Stadium IA, dementsprechend ist eine Beratung in diesen Fällen sehr schwierig. In allen anderen Fällen sollte von einer Fertilitätserhaltung abgeraten werden.

Das Nichtvorhandensein einer Myometriuminvasion sollte festgestellt werden, bevor die Entscheidung für eine Fertilitätserhaltung getroffen wird. Ultraschall und pelvine MRT zeigen eine vergleichbare diagnos­tische Wertigkeit bei der Beurteilung der Invasion des Myometriums und des zervikalen Stromas beim frühen Endometriumkarzinom. Der Vorteil der MRT gegenüber dem transvaginalen Ultraschall liegt vor allem im Beitrag der MRT zur Beurteilung von extrauterinen Erkrankung (z. B. Beurteilung der Lymphknoten).

Die Wahrscheinlichkeit eines Lymphknotenbefalls beim Niedrigrisiko-Endometriumkarzinom ohne Invasion des Myometriums ist äußerst gering, weshalb eine Sentinel-Lymphknoten-Biopsie nicht generell empfohlen wird. Gleichzeitig hat die SLN eine sehr geringe Morbidität und die gewonnenen Informationen geben eine weitere Sicherheit.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei Frauen mit gut differenzierten (G1) endometrioiden EC (p53-wt und L1CAM-negativ) ohne Myometriuminfiltration der Uterus und die Adnexe belassen werden können, wenn eine ausreichende medikamentöse Therapie eingeleitet wird und die Patientin einer engmaschigen Kontrolle zustimmt. Zu den „ausreichenden medikamentösen Therapien“ gehören Medroxyprogesteronacetat (200–250 mg/d) oder Megestrolacetat (160–200 mg/d) oder ein Levonorgestrel-IUP (52 mg). Alle 4–6 Monate sollte eine Endometrium­biopsie zur Verlaufskontrolle durchgeführt werden.

Bei vollständiger Remission des Endometriumkarzinoms nach sechs Monaten konservativer Therapie sollte, ggf. in Zusammenarbeit mit einer Reproduk­tionsmedizinerin, eine geplante Schwangerschaft angestrebt werden.

Bei fehlendem Ansprechen des Karzinoms nach sechs, spätestens zwölf Monaten konservativer Therapie sollte eine Hysterektomie erwogen werden. Eine Hysterektomie wird auch nach erfülltem Kinderwunsch empfohlen.

Prof. Michael D. Mueller

Mammakarzinom

Schwangerschaft nach Brustkrebs

Fertilität und Schwangerschaft sind Hauptanliegen junger Brustkrebs-Survivors, bei denen die Familienplanung oft noch nicht abgeschlossen ist. In den letzten 50 Jahren ist die Rate an Frauen, die bei der ersten Schwangerschaft 35 Jahre oder älter sind, stark angestiegen (Abb. 1). Dazu kommt, dass etwa 10 % der Brustkrebserkrankungen bei Frauen unter 45 Jahren auftreten, und 6–7 % der Betroffenen sind sogar jünger als 40 Jahre. Damit sehen wir eine wachsende Zahl an jungen Brustkrebsbetroffenen, bei denen die Familienplanung noch offen ist. Die Frage nach dem Fertilitätserhalt ist ein wichtiges Thema, das unbedingt vor Therapiebeginn – also vor dem potenziell schädlichen Einfluss dieser Therapien auf die Fertilität – besprochen werden muss. Die „ESMO guidelines on fertility preservation“ empfehlen die Beratung zum Fertilitätserhalt vor gonadotoxischen Therapien, um die Optionen – wie die Oozyten- und/oder Embryo-Kryokonservierung vor Chemotherapie oder den GnRH-Schutz unter der Chemotherapie – zu disku­tieren bzw. durchzuführen (Abb. 2).

Obwohl sich ein grosser Teil der jungen Brustkrebs­patientinnen eine spätere Schwangerschaft wünscht, werden – gemäss retrospektiven Daten – nur 4–5 % dieser Frauen schwanger. Ein Grund dafür ist in erster Linie die Sorge, dass eine Schwangerschaft nach Brustkrebs die Prognose verschlechtern könnte, v. a. bei Frauen nach hormonrezeptor-(HR-)positivem Mammakarzinom. Aber auch die Sorge vor einem erhöhten Risiko für angeborene Fehlbildungen als Folge vorangegangener Brustkrebstherapien spielt eine Rolle. Die lange adjuvante Behandlung beim Mammakarzinom mit 5–10 Jahren einer endokrinen Therapie kann zudem die Chancen auf eine Konzeption nach dieser Zeit stark reduzieren.

Die erste grosse Metaanalyse von Azim et al. umfasste 14 retrospektive Studien. In dieser Analyse hatten Frauen mit einer Schwangerschaft nach Brustkrebs ein 41 % geringeres Risiko, am Brustkrebs zu versterben. Aufgrund der retrospektiven Natur der Daten und des Studiendesigns bestand jedoch hier das Risiko eines Selektionsbias im Sinne des „Healthy mother effects“. Es wurde daher eine weitere multizentrische retrospektive Kohortenstudie aufgelegt, die durch die Auswahl einer geeigneten Kontrollgruppe diesen Bias reduzierte. In dieser Studie wurden 333 Patientinnen mit Schwangerschaft nach Brustkrebs aufgenommen. Diesen Frauen wurden in der Kontrollgruppe 874 Brustkrebspatientinnen ohne Schwangerschaft gegenübergestellt. Die erste Datenanalyse mit einem medianen Follow-Up von 4.7 Jahren nach Schwangerschaft zeigte keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich des rezidiv-freien Überlebens unabhängig vom Hormonrezeptorstatus. Das Gesamtüberleben war bei den Patientinnen mit Schwangerschaft nach Brustkrebs sogar signifikant besser (HR 0.75; 95 % KI, 0.54–0.97; p = 0.03), was hauptsächlich durch das bessere Gesamtüberleben in der HR-nega­tiven Kohorte zu erklären war (HR 0.54; 95 % KI, 0.33–0.87; p = 0.019). Bei den Frauen mit einem HR-positiven Mammakarzinom ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich des Gesamtüberlebens. In der zweiten Datenanalyse dieser retrospektiven Studie mit einem medianen Follow-Up von 7.2 Jahren nach Schwangerschaft bestätigten sich diese Beobachtungen. Auch zeigte sich kein Unterschied im Disease-Free Survival, wenn die Schwangerschaft weniger als zwei Jahre oder mehr als zwei Jahre nach der Brustkrebsdiagnose eintrat. In einer aktuellen grossen Metaanalyse wurden 112 840 Patientinnen mit Brustkrebs betrachtet, von denen 7505 nach der Brustkrebsdiagnose eine Schwangerschaft hatten. Bei diesen Schwangerschaften zeigte sich kein erhöhtes Risiko für angeborene Fehlbildungen. Im Vergleich mit der Normalbevölkerung war das Risiko für eine Sectio (OR, 1.14; 95 % CI, 1.04–1.25), für ein niedriges Geburtsgewicht (OR, 1.50; 95 % CI, 1.31–1.73), für Frühgeburtlichkeit (OR, 1.45; 95 % CI, 1.11–1.88) und für „small for gestational age“ Babies (OR, 1.16; 95 % CI, 1.01–1.33) signifikant höher bei den Brustkrebs-Survivors, insbesondere bei denen, die eine vorgängige Chemotherapie hatten. Im Vergleich zu Patientinnen mit Brustkrebs ohne nachfolgende Schwangerschaft hatten diejenigen mit einer Schwangerschaft ein besseres krankheitsfreies Überleben (HR, 0.66; 95 % CI, 0.49–0.89) und ein besseres Gesamtüberleben (HR, 0.56; 95 % CI, 0.45–0.68).

Im POSITIVE-Trial nun wurde in einem prospektiven Setting untersucht, ob eine Schwangerschaft nach hormonrezeptor-positiver Brustkrebserkrankung sicher ist. In dieser Studie wurde die endokrine Therapie nach 18–30 Monaten für zwei Jahre unterbrochen, um in diesem Zeitraum eine Schwangerschaft anzustreben. Es nahmen 516 Frauen weltweit teil, 40 Patientinnen kamen aus der Schweiz. Als Kontrollgruppe wurde den Patientinnen des POSITIVE-Trials eine externe Kohorte ohne Unterbruch der endokrinen Therapie gegenübergestellt, die aus 1499 Patientinnen der SOFT/TEXT-Studien bestand, die die Einschluss­kriterien für POSITIVE erfüllt hätten.

Das mediane Alter der Frauen lag bei 37 Jahren, 93.4 % hatten eine Erkrankung im Stadium I oder II. 368 Frauen hatten mindestens eine Schwangerschaft und 317 (63.8 %) hatten mindestens eine Lebendgeburt. Im Studienzeitraum wurden 365 Kinder geboren. 43.3 % der Patientinnen berichteten, dass bei ihnen Methoden der assistierten Reproduktion zur Anwendung kamen. Das Auftreten von angeborenen Fehl­bildungen lag bei 2.2 %, was vergleichbar ist mit dem Vorkommen in der allgemeinen Bevölkerung. Wichtig ist es, hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass eine Wash-Out-Phase von drei Monaten nach dem Absetzen der endokrinen Therapie eingehalten werden musste, um potenzielle teratogene Effekte der vorangegangenen endokrinen Therapien (insbesondere des Tamoxifens) zu vermeiden.

Mit einem medianen Follow-Up von 41 Monaten trat bei 44 Patientinnen ein Brustkrebsrezidiv auf. Diese Zahl blieb unter der vor Beginn der Studie definierten Sicherheitsschwelle von 46 Ereignissen. Die Drei-Jahres-Inzidenz von neuen Brustkrebsereignissen lag bei 8.9 % (95 % KI, 6.3–11.6) in der POSITIVE-Kohorte mit Therapieunterbruch und bei 9.2 % (95 % KI, 7.6–10.8) in der Kontrollgruppe.

Die Daten der POSITIVE-Studie legen nahe, dass eine vorübergehende Unterbrechung der endokrinen Therapie bei Frauen nach einem HR-positiven frühen Brustkrebs im kurzfristigen Zeitverlauf nicht zu einer Erhöhung des Rezidiv- und Fernmetastasenrisikos führte. Neben den bereits bekannten und ermutigenden retro­spektiven Daten stellen die prospektiven Daten der POSITIVE-Studie eine wichtige Grundlage für die Beratung junger Brustkrebsbetroffener dar, die nach der Diagnose ihren Kinderwunsch realisieren wollen. Es ist jedoch wichtig, im Auge zu behalten, dass uns erst die Drei-Jahres-Daten vorliegen und das HR-positive Mammakarzinom auch nach langen Zeiträumen noch rezidivieren kann. Ein langfristiges Follow-Up der Studienpatientinnen ist daher essenziell, um auch die langfristige Sicherheit beurteilen zu können.

Prof. Cornelia Leo

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