Wussten Sie schon...

Erhöht eine Appendektomie das Kolon-CA Risiko?; CRP und Zykluslän-ge; Hypoaktive Blase oder Blasenauslassstörung; Fetus hat kein Mikro-biom; Klospülung versprüht Mikroorganismen; Rotwein fördert Darm-Mikrobion; Dienogest unwirksam bei Bauchdecken-Endometriose; Androgen ­Deprivation und Demenz; nur 14 % der Karzinome mittels Screening-Tests diagnostiziert; Farbe der Arbeitskleidung beeinflusst Pa-tientinnen-Beziehung; Adnexektomie zur Risikoreduktion bei Mutationen; Peripartales ­Azithromycin?

… dass eine Appendektomie das Risiko für Darmkrebs erhöht?

Entsprechend dieser Studie führt eine Appendektomie zu schäd­lichen Veränderungen im Darmmikrobiom, welche die Entstehung von Darmkrebs begünstigen. In einer dreiteiligen Analyse beobachteten die Forscher:

1. eine 73%ige Erhöhung des Darmkrebs-Risikos nach einer Appendektomie, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Appendektomie, über eine Beobachtungszeit von 20 Jahren;

2. eine Anreicherung von sieben „darmkrebsfördernden“ und eine Abnahme von fünf „darmkrebsprotektiven“ Bakterien bei der Analyse des Darmmikro­bioms von Appendektomierten;

3. im Tiermodell eine die Darmkrebs-Tumorgenese fördernde mikrobielle Darmdysbiose nach Appendektomie (Shi F et al, Oncogene, 12/2022)

Kommentar

Eine wachsende Anzahl von Beweisen deutet darauf hin, dass die Darmflora einen direkten Einfluss hat auf das Risiko, einen Darmkrebs zu entwickeln, und dass dem Appendix eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Vielfalt dieses Darmmikrobioms zukommt. Eine Appendektomie sollte immer medizinisch indiziert sein. Ob die Entfernung des Appendix jedoch das Risiko für Darmkrebs erhöht, bleibt weiterhin umstritten und sollte in grossen prospektiven Studien evaluiert werden.

Michael D. Mueller

… dass es eine Assoziation zwischen chronischer systemischer Inflammation und Zyklusstörungen gibt?

In einer Studie wurde bei über 400 Frauen über mehre Zyklen das C-reaktive Protein (CRP) in den ersten Zyklustagen bestimmt. Werte >10 mg/l waren mit einem deutlich erhöhten Risiko (x3) eines verlängerten Menstruationszyklus assoziiert. Die Ursache-Wirkungsbeziehung dieser Assoziation ist noch unklar (Harris BS et al., AJOG 2023, 228(2):215).

Martin Heubner

… dass sich eine hypoaktive Blase und Blasenauslassstörung von der Symptomatik nur schwer voneinander abheben?

Eine Studie aus Sheffield an 1778 Patienten zeigte, dass Personen mit hypoaktiver Blase eher über einen schwachen oder unterbrochenen Harnstrahl, initiales Warten und über das Gefühl von Restharn berichten als ein Normalkollektiv. Ursachen können eine altersbedingte Hypokontraktilität der Blase sein.

Eine Unterscheidung von infra­vesikaler Obstruktion und hypokontraktiler Blase ist nur mittels Pressure-Flow-Studie in der Urodynamik möglich, was eben auch therapeutische Konsequenzen hat [Chapple Cosman N, Underactive bladder vs bladder outlet obstruction: Don’t get tricked! Eur Urol Focus 2022 8(2):388–90].

Annette Kuhn

… dass der Fetus wahrscheinlich gar kein Mikrobiom hat und viele Studien auf diesem Gebiet methodologisch fehlerhaft sind entweder wegen Kontamination bei der Asservierung von fetalem Material und/oder wegen Fehlern bei der Extraktion und Sequenzierung der fetalen DNA?

(Kennedy KM et al. Nature, 2023; 613:639–49; https://doi.org/10.1038/s41586-022-05546-8)

Kommentar

Da wage ich mich in eine Dimension, welche eigentlich nicht meinem Stand der Ausbildung entspricht. Diese Studie hat sehr ausführlich die Problematik des Studiums von Mikrobiomen in Geweben und Bereichen, wo sehr wenig bis kaum Mikroorganismen vorzufinden sein sollten, dargestellt. Dazu gehört auch der Uterus und speziell der Fetus. Sie unterstreicht erneut die „sterile womb“-Hypothese. Entsprechend ist sie im Konflikt mit vielen anderen Arbeiten, welche versuchen, die Auseinandersetzung und Vorbereitung des fetalen Immunsystems auf das Leben ­„ausserhalb“ mit direktem Kontakt zu erklären! Vielleicht sind es eher mikrobielle Metabolite und Moleküle, welche die Plazentaschranke zu passieren vermögen und auf komplexe Art und Weise das fetale Immunsystem fit machen für „draussen“ als ein direkter intrauteriner Kontakt.

Luigi Raio

... dass es Sinn macht, den Klo­deckel vor dem Spülen zu schliessen?

Forscher in Boulder, Colorado, USA, stellten mittels Untersuchungen mit grünem Laser zu ihrer grossen Überraschung fest, dass nach dem Spülen eine sonst unsichtbare, aber im grünen Licht gut erkennbare Partikelwolke in die Luft flog mit einer Geschwindigkeit von bis zu 2 m/s! (Abb. 1)

Die Forscher verwendeten nur normales Leitungswasser für ihre Experimente und analysierten den Inhalt der Wolke nicht (Grimaldi, JP et al, Sci. Rep. 2022; 12:20493).

Kommentar

Vom Klo in die Lunge? Patienten könnten auf diese Weise in Fäces und im Urin vorhandene Viren (z. B. SARS-COV2), Bakterien (Clostridium difficle) oder andere im grösseren Ausmass verbreiten. Selbst sogenanntes sauberes Toi­lettenwasser enthält nicht selten Legionellen, die beim nächsten ­Spülen verteilt werden können. Die Autoren verwendeten in den USA übliche kommer­zielle Toiletten. Andere (z. B. in der Schweiz) könnten weniger in die Luft ablassen. Trotzdem, es empfiehlt sich vor dem Spülen den Klodeckel zu schliessen.

Michael K. Hohl

… dass Rotwein gut für das Darmmikrobiom ist?

Eine kürzlich im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlichte Studie untersuchte die Auswirkungen von Rotwein auf die Darmflora und den Plasmaspiegel von Trimethylamin-N-Oxid (TMAO). Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) ist ein Schlüsselmolekül der Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen: Es beeinflusst den Cholesterin- und Gallensäurestoffwechsel und treibt Entzündungen der Gefäßwand voran. Vorläufer ist das ausschließlich bakteriell gebildete TMA, dass die Leberenzyme rasch zu TMAO oxidieren.

An der Studie nahmen 42 Männer mit nachgewiesener koronarer Herzkrankheit teil, die drei Wochen lang 250 ml Rotwein pro Tag konsumierten und anschließend drei Wochen lang auf Alkohol verzichteten. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Umgestaltung der Darmmikrobiota nach dem Rotweinkonsum, aber keinen signifikanten Unterschied im TMAO-Plasmaspiegel zwischen den beiden Interventionen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass mäßiger Rotweinkonsum durch die Modulation der Darmmikrobiota zu kardiovaskulären Vorteilen beitragen kann, warnten jedoch vor den Risiken eines übermäßigen Alkoholkonsums [Am J Clin Nutr, 2022; 116(6):1515–29].

Michael D. Mueller

… dass Dienogest nur wenig Effekt auf eine Bauchdeckenendometriose im Status nach Sectio caesarea hat?

In einer retrospektiven Analyse zeigte sich eine minimale Reduktion der Schmerzen, aber keine Veränderung der Grösse der Läsion. Die chirurgische Exzision ist erheblich effektiver und sollte in dieser Situation Mittel der Wahl sein (Seckin DS, Eur J Obst Gyn 2022, 282:110–5).

Martin Heubner

… dass eine Androgendeprivation mit dem häufigeren Auftreten von Demenz vergesellschaftet ist?

Diese Studie aus den USA hat eine Datenbank von Männern über 50 analysiert, die sich einer Androgendeprivation unterziehen mussten. Die androgendeprivierten Personen hatten ein signifikant erhöhtes Risiko, an einer Demenz zu erkranken (Hazard Ratio 1.59, 95 % Konfidenzintervall 1.03–2.44).

Analysiert wurde hier eine grosse Anzahl von Personen (n = 4253 Personen mit Androgendeprivation und genauso viele in der Kontrollgruppe) [Lonergan PE, Washington SL 3rd, Cowan JE et al, Androgen deprivation therapy and the risk of dementia after treatment for prostate cancer; J Urol 2022; 207(4):832–40].

Annette Kuhn

… dass (nur) 14 % aller Malignome mittels Screeningtests diagnostiziert wurden?

Derzeit empfehlen Guidelines in den USA ein Screening nur für vier Karzinome: Brust, Cervix, Kolorektal und Lunge (CT) bei Rauchern. Das Prostata-CA gehört nicht zu den Empfehlungen, obwohl es wohl zu den verbreitetsten Screening-Tests gehört.

Alle anderen Karzinome werden oft erst bei klinischen Symptomen entdeckt und sind für 70 % aller Krebstodesfälle verantwortlich.

Die Zahlen stammen vom National Research Center (NORC) der Universität von Chicago (online: NORC-Cancer detection tool).

Man schätzt, dass, obwohl nicht zum Screening empfohlen, 77 % der Prostata-CA, 61 % der Mamma-CA, 52 % der Cervix-CA und 45 % der Kolo-rektal-CA, aber nur 3 % der Lungen-CA dank Screening früh entdeckt werden. Die Screening-Inzidenz ist nicht nur in den USA relativ tief, die Zahlen sind jedoch Motivator für ein breiteres Screening. Ausserdem hofft man auf deutlich mehr Tests, eventuell basierend auf Molekulartechnik (derzeit getestet: auf DNA (NGR) beruhender Urintest für Blasen-CA, Exhalationstest (Ausatmungsluft) für das Pankreas-CA (was ein echter Gamechanger wäre).

Michael K. Hohl

… dass die Farbe der Arbeits­kleidung einen direkten Einfluss auf die Arzt-/Ärztin-Patient/Patientin-Beziehung hat?

Bisherige Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Ärztinnen und Ärzte mit der richtigen Kleiderwahl die Zufriedenheit ihrer Pa­tientinnen und Patienten beeinflussen können. Dabei werden vor allem traditionelle Arztkittel mit Vertrauen, Fürsorglichkeit und Kompetenz seitens der Patientinnen und Patienten assoziiert. Eine kürzlich veröffentlichte Studie untersuchte, welche Farben von Kasacks bei Patientinnen und Patienten am besten ankamen. Dabei wurden männliche und weibliche Models in grünen, hell- und dunkelblauen sowie schwarzen Kasacks gezeigt. Schwarze Kasacks wurden am seltensten mit positiven Eigenschaften wie Sachkunde, Vertrauenswürdigkeit und Fürsorglichkeit assoziiert. Hellblaue Kleidung wurde bei allen Altersgruppen am häufigsten als am fürsorglichsten empfunden. Das Autorenteam schließt daraus, dass die Farbe der ärztlichen ­Kleidung die Arzt-/Ärztin-Patient/Patientin-Beziehung hat und somit die klinischen Ergebnisse beeinflussen kann (JAMA Surg, 2023; doi: 10.1001/jamasurg.2022.5837).

Michael D. Mueller

… dass nicht nur Trägerinnen von pathogenen BRCA-Mutationen von risikoreduzierenden Operationen profitieren können?

Nach Kriterien des NCCN (National Comprehensive Cancer Network) gibt es diverse andere Mutationen, bei denen aufgrund eines erhöhten Ovarialkarzinomrisikos eine risikoreduzierende Salpingovarektomie zu diskutieren ist. Hierunter fallen zum Beispiel ­Patientinnen mit RAD51C-und RAD51D-Mutationen. Aus einer retrospektiven US-Analyse geht hervor, dass die Hälfte dieser Pa­tientinnen nicht entsprechend beraten wird. Auch wenn die Daten in den USA erhoben wurden und nicht auf die Schweiz übertragen werden können, lässt sich eine Aussage sicher ableiten: Die individuelle Beratung der ­Patientinnen ist enorm wichtig, wird aber auch immer herausfordernder (Lee SS, Gynecologic Oncology 2023, 170:234–40).

Martin Heubner

… dass die peripartale, einmalige Verabreichung von Azithromycin das Risiko einer maternalen Sepsis im Wochenbett signifikant senkt?

(Tita ATN et al, NEJM; 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2212111)

Kommentar

Diese grossangelegte Studie in Asien, Afrika und Lateinamerika hatte als Hypothese, dass die Gabe eines Breitbandantibiotikums nicht nur prophylaktisch bei einer Sectio, sondern generell bei der Geburt das Risiko einer neonatalen Sepsis oder gar die neonatale Mortalität senkt. Nun, leider ist es nicht so bzw. das Kind scheint nicht davon zu profitieren. Die maternalen Resultate sind nicht so neu bzw. wir kennen sie bereits aus der Prävention eines Wundinfektes bei Sectio. Der Trend bei uns ist ja, dass wir Antibiotika sogar erst nach Abnabelung des Kindes geben sollten, da wir ja so Angst haben vor der Störung des Mikrobioms. Ich weiss nicht so recht, ob diese Studie bei uns überhaupt relevant ist. Interessant auf jeden Fall und für Regionen mit hoher maternaler Morbidität und Mortalität durchaus wichtig.

Luigi Raio 

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