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Eindrücke von der 18. St. Galler International Breast Cancer Conference (SGBCC) in Wien vom 16. bis 18. März 2023

An der diesjährigen SGBCC nahmen nahezu 3000 Teilnehmer aus rund 100 Ländern teil. Die Konferenz war sehr praxisorientiert und setzte dieses Jahr auf inter­aktive Formate: Debatten im Oxford-Style, lebhafte Paneldiskussionen mit Einbezug des Auditoriums vor Ort, aber auch des virtuellen Publikums und spannende Vorträge mit anschliessenden Fragerunden. Und zum Finale gab es dann traditionell die Konsensusabstimmung der Expertinnen und Experten unter Leitung von Harold Burstein, Boston, USA.

Es ging in diesem Jahr verstärkt um die lokoregionäre Therapie: Radioonkologische und chirurgische Fragestellungen nahmen einen grossen Teil der Veranstaltung ein. Ein weiterer Fokus lag auf den Möglich­keiten der postneoadjuvanten Therapien und wie die Sequenz verschiedener Behandlungsoptionen aussehen könnte.

Bezüglich der Radiotherapie war sich der Grossteil der ExpertInnen einig, dass die Hypofraktionierung heutzutage der Standard in den meisten Indikationen ist. Auch die Ultrahypofraktionierung mit fünf Fraktionen wurde diskutiert und als Option, insbesondere bei älteren Patientinnen, angesehen. In diesem Kontext wurden auch die Daten des Prime2-Trials besprochen, welcher Anfang des Jahres im New England Journal of Medicine publiziert wurde (1). In dieser Studie ­wurden Patientinnen ab einem Alter von 65 Jahren rekrutiert, die ein HR-positives, nodal-negatives Mammakarzinom mit Niedrigrisiko-Charakteristika hatten und eine endokrine Therapie erhielten. Die Patientinnen erhielten entweder eine Standardbestrahlung oder keine Bestrahlung. Die Lokalrezidivrate lag bei 9.5 % in zehn Jahren bei den nicht bestrahlten Frauen versus 0.9 % in der Bestrahlungsgruppe, aber es gab keinen Unterschied im Gesamtüberleben und im fernmetastasenfreien Überleben zwischen den Gruppen. Basierend auf diesen Daten scheint eine individualisierte Diskussion über ein Weglassen der Radiotherapie in bestimmten Situationen bei älteren Patientinnen möglich.

Es gibt weiterhin Kontroversen über die Indikation der Radiotherapie bei Patientinnen mit 1–3 positiven axillären Lymphknoten und ebenso über die Post­mastektomie-Radiotherapie. Eine individualisierte Betrachtung ist hier notwendig, die insbesondere auch den Subtyp und die Response auf eine allfällige neo­adjuvante Chemotherapie (NACT) berücksichtigen sollte. In den nächsten Jahren erwarten wir mit Spannung die Daten des TAXIS-Trials (PI: Walter Weber, Basel), der uns hoffentlich Antworten geben wird bezüglich des Ausmasses der axillären Intervention (sowohl chirurgisch als auch radioonkologisch) im Fall einer klinisch positiven Axilla und ebenso für den Fall, dass axilläre Lymphknoten auch nach einer NACT noch positiv sind.

Oreste Gentilini aus Italien stellte an der SGBCC erstmals die Daten des SOUND Trials vor: Patientinnen, die einen präoperativen unauffälligen Ultraschall der Axilla hatten, erhielten entweder eine Sentinellymphonodektomie (SLNE) oder keine axilläre Intervention. Das Weglassen der SLNE war der Durchführung der SLNE nicht unterlegen, beide Gruppen hatten exzellente Outcomes in den ersten fünf Jahren. Daher schlussfolgerten die Autoren der Studie, dass die SLNE in kleinen Mammakarzinomen mit niedrigem Risiko weggelassen werden könne. Natürlich muss man sich hier immer vorab die Frage stellen, ob das Fehlen der Information über den Nodalstatus den postoperativen Behandlungsplan beeinflussen würde.

Bezüglich der Systemtherapie war es keine Frage, dass die neoadjuvante Chemotherapie mit Pembrolizumab gemäss der Keynote-522-Studie (2) für das triple-­negative Mammakarzinom (TNBC) im Stadium II und III Standard ist. Jedoch wurde über die Anwendung zusätzlicher Therapien diskutiert im Falle einer non pCR (keine pathologische Komplettremission). So wurde besprochen, ob bei BRCA-assoziierten Mammakarzinomen Olaparib zusätzlich oder sequenziell zu Pembrolizumab eingesetzt werden sollte. Und obwohl es keine Daten für diese Situation gibt, gab die Mehrheit der ExpertInnen an, dass sie beide Substanzen in Kombination nutzen würden. Auch der Einsatz von Capecitabine in BRCA-wildtype Mammakarzi­nomen wurde als Option im Falle eine non pCR auch im Kontext der KN-522-Therapie erörtert.

Beim hormonrezeptor(HR)-positiven Mammakarzinom ist es klar, dass der adjuvante Einsatz von Abemaciclib für zwei Jahre gemäss den Einschlusskriterien der MonarchE-Studie nun zur Behandlungsstrategie des frühen Hochrisiko-Mammakarzinoms gehört (3). Auch hier stellt Olaparib im Falle einer Keimbahn-BRCA-Mutation eine wichtige zusätzliche Option dar und die meisten der anwesenden ExpertInnen würden es in Betracht ziehen, Olaparib und Abemaciclib sequenziell zu geben. Man muss beachten, dass es Daten für die Kombination nicht gibt, aber eben eine sehr starke Evidenz für die einzelnen Substanzen (3, 4).

Zum Thema Pathologie wurden auch verschiedene Aspekte diskutiert. Vor allem möchte ich hier die tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TILs) nennen. Diese sind in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus der Forschung beim TNBC gerückt. Zum Beispiel haben Patientinnen mit Stage II TNBC und hohen TILs eine bessere Prognose als Patientinnen mit Stage I TNBC und niedrigen TILs (5). Um daraus tatsächlich klinische Konsequenzen ableiten zu können, werden prospektive klinische Studien benötigt. Nichtsdestotrotz sollte darüber nachgedacht werden, bereits jetzt den TIL-Status in den histopathologischen Befund beim TNBC zu integrieren.

An der 18. SGBCC wurden Aspekte sowohl der De-Eskalation als auch der Eskalation hinsichtlich der lokalen bzw. lokoregionären und auch der systemischen Therapie beim frühen Mammakarzinom erörtert. Einmal mehr wurde die Wichtigkeit der interdisziplinären Kooperation und Abstimmung bereits ab der Diagnosestellung herausgestellt mit dem Ziel, das optimale Therapiekonzept festzulegen und konsekutiv das optimale Outcome für unsere Patientinnen zu erreichen.

Letztlich bleiben aber weiterhin noch Fragen offen und es ist beruhigend zu wissen, dass bereits weitere wichtige Trials laufen bzw. in Planung sind, um hier in Zukunft Antworten geben zu können.

Die nächste St. Gallen Consensus Conference findet vom 12. bis 15. März 2025 in Wien statt.

Literatur

1. Kunkler I et al., N Engl J Med, 2023; 388:585–94
2. Schmid et al., N Engl J Med, 2022; 386:556–67, DOI: 10.1056/NEJMoa2112651
3. Johnston S et al., Lancet Oncology, 2023; DOI: https://doi.org/10.1016/S1470-2045(22)00694-5
4. Tutt A et al., N Engl J Med, 2021; 384:2394–2405; DOI: 10.1056/NEJMoa2105215
5. Loi S. et al., npj Breast Cancer, 2022; 8:3; https://doi.org/10.1038/s41523-021-00362-1

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