Im Dialog

Prof. Annette Kuhn im Gespräch mit Prof. Elmar Joura

Prof. Joura ist an der Universitätsklinik für Frauen­heilkunde der Medizinischen Universität Wien als ­gynäkologischer Onkologe tätig. Klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt sind HPV-assoziierte Karzinome und deren Vorstufen. Er leitet auch die Zervix- und Vulvasprechstunde. Seit 2001 klinische Erprobung von HPV-Impfstoffen, „coordinating investigator“ der Phase-III-Studien des nonavalenten HPV-Impfstoffes. Er veröffentlichte bisher mehr als 150 Publikationen in Peer review-Journalen (Erstautorenschaften im New England Journal of Medicine, Lancet, BMJ) und weist eine intensive internationale Vortragstätigkeit auf.

Frauenheilkunde aktuell: In Österreich wird die Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPV) seit 2007 empfohlen und von der österreichischen Bundes­regierung seit 2014 finanziert. Die Impfung wird Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 12 Jahren seit 2014 empfohlen und ist nun bis zum 21. Geburtstag kostenlos erhältlich. Konnten seither schon Änderungen in den Häufigkeiten von bestimmten Karzinomen (z. B. Zervixkarzinom) in Österreich festgestellt werden?

Prof. Elmar Joura: Leider ist in Österreich die Durchimpfungsrate noch unter 50 %, daher sehen wir nicht die Effekte, die die Impfung in Ländern mit hoher Durchimpfungsrate, z. B. Australien, Schweden, Dänemark und UK. Dort wurde eine Reduktion des inva­siven Zervixkarzinoms bei jungen geimpften Frauen um 90 % beobachtet, in Australien sind Genitalwarzen praktisch eliminiert. In den ersten 15 Jahren der Anwendung hat man gesehen, dass der Erfolg von Impfprogrammen von zwei Dingen abhängt: einer hohen Durchimpfungsrate und einem jungen Impfalter.

Wenn nicht, konnten bei anderen Pathologien Änderungen in den Häufigkeiten festgestellt werden? Sind diese Änderungen gleich bei weiblichen wie bei männlichen Personen?

Siehe oben.

Konnten in diesen 15 Jahren nach Einführung uner­wartete Nebenwirkungen bzw. Langzeitnebenwirkungen der HPV-Impfung festgestellt werden?

Seltene Erkrankungen wie z. B. Guillain Barre-­Syndrom oder multiple Sklerose sind bei geimpften und ungeimpften Personen gleich häufig. Da wir immer Begründungen suchen, wird ein zeitlicher Zusammenhang oft als ein kausaler fehlinterpretiert. Wenn ich z. B. einen Monat nach einer Impfung ­Diabetes diagnostiziere, ist der Zusammenhang rein zufällig und nur zeitlich, die Impfung hat aber nicht die Erkrankung ausgelöst.

Die HPV-Impfung wird derzeit hauptsächlich bei jungen Menschen im Alter von 11 bis 26 Jahren empfohlen. Gibt es Ihrer Meinung nach Situationen, bei welchen die Impfung auch bei älteren Menschen, off label, diskutiert werden könnte?

In der EU sind alle HPV-Impfungen ohne obere Altersgrenze zugelassen. In jedem Alter werden neue Infektionen und Erkrankungen verhindert und bei der heutigen Lebenserwartung haben wir auch mit 40 noch fast fünf Jahrzehnte vor uns. Ausserdem nehmen mit 50 die Infektionen wieder zu, ob das durch den Lifestyle oder durch ein nachlassendes Immunsystem bedingt ist, wissen wir nicht.

Wenn jemand vor mehr als zehn Jahren geimpft wurde, soll dann nachgeimpft werden? Wie lange nach der Erstimpfung?

Wir haben in Skandinavien bisher zirka 20 Jahre Nachbeobachtung von Frauen, die ab 2002 geimpft wurden, und keine Durchbruchserkrankung gesehen. Wir gehen daher von einer sehr langen Wirksamkeit auf, derzeit ist eine Auffrischungsimpfung aber kein Thema.

Wenn jemand mit einem bi- oder quadrivalenten Impfstoff geimpft wurde, soll dann eine Nachimpfung mit dem nonavalenten Impfstoff empfohlen werden? Nie oder nur in speziellen Situationen?

Es ist eine Überlegung wert, wenn jemand mit der Zweifach- oder Vierfach-Impfung geimpft wurde, den Impfschutz mit der Neunfachimpfung zu erweitern. So macht z. B. gerade HPV 33 bei über 50-jährigen Frauen vermehrt Karzinome. Allerdings muss ich dann den vollen Impfzyklus wiederholen, eine Impfung ist dann wahrscheinlich nicht ausreichend.

Empfehlen Sie nach einer Konisation wegen einer schweren Intraepithelialen Dysplasie, im Gesunden, eine Impfung? Bis zu welchem Alter ist eine solche Postop-Impfung sinnvoll?

Wir haben gesehen, dass nach der Behandlung von HPV-assoziierten Erkrankungen die Inzidenz von Rezidiven und Folgeerkrankungen um zirka 60 % reduziert wird. Daher wird in Österreich auch die HPV-Impfung für Frauen mit Konisation bis 45 Jahren von den Versicherungen bezahlt.

Würden Sie einer Person, welche älter als 27 Jahre ist und immer einen blanden PAP hatte und seit über zehn Jahren mit dem gleichen Partner zusammen ist, eine HPV-Impfung empfehlen?

Unbedingt – diese Frau hat noch über 60 Jahre vor sich und bei einer Scheidungsrate von 50 % wissen wir nie, ob der Partner in fünf Jahren noch derselbe ist.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Frage, die ich vergessen habe zu stellen? Was ist die Antwort dazu?

Das Wichtigste ist die Kommunikation – zwei Stiche, rechtzeitig verabreicht, schützen vor sechs verschie­denen Krebsarten – das ist doch wirklich eine gute Botschaft!

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