Für Sie kommentiert

Ovarialkarzinom, Endometriumkarzinom, Zervixkarzinom; Zwerchfell­endometriose und schwere Endometriose; Hämaturie und Urothelkarzinome; Weshalb ziehen Menschen Mosquitos an?; Schlechte Embryoqualität und Schwangerschaftsoutcome; Aspiringabe in der Schwangerschaft: Wie lang?

Gynäkologische Onkologie – Ovarialkarzinom

Es tut sich weiterhin einiges in der Therapie des Ova­rialkarzinoms. Extrem beeindruckend war das Update zum Gesamtüberleben in der SOLO-1-Studie, in der die adjuvante Gabe des PARP-Inhibitors Olaparib bei Patientinnen mit BRCA-Mutation untersucht wurde. Alle Patientinnen hatten ein fortgeschrittenes (FIGO III/IV) high-grade seröses Ovarialkarzinom. Nach ­sieben Jahren betrug das Gesamtüberleben im Prüfarm 67 % (versus 46.5 % in der Kontrollgruppe).

Low-Grade seröse Ovarialkarzinome sind zwar selten, stellen aber eine grosse Herausforderung dar, da sie in der Regel schlecht auf Zytostatika ansprechen. Bei Tumorrezidiven zeigte sich nun in einer Phase-3-Studie der MEK-Inhibitor Trametinib als sehr wirksames Agens. Bei guter Verträglichkeit zeigte sich mit diesem eine deutliche Verbesserung des progressionsfreien Intervalls (13.0 Monate) gegenüber einer zytostatischen oder endokrinen Therapie (7.2 Monate). Die Autoren bezeichnen diese Therapie als neuen Therapiestandard bei rezidivierendem Low-Grade Karzinom.

Literatur

1. 2022 ESMO Congress (Abstract 5170).
2. DiSilvestro P et al., Overall survival with maintenance olaparib at a 7-year follow-up in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer and a BRCA mutation: the SOLO1/GOG 3004 trial. J Clin Oncol. 2022
3. Gerhenson DM, Trametinib versus standard of care in patients with recurrent low-grade serous ovarian cancer (GOG 281/LOGS): an international, randomised, open-label, multicentre, phase 2/3 trial. The Lancet 2022

Martin Heubner

Gynäkologische Onkologie – Endometriumkarzinom

Die Behandlung des fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms ist eine Herausforderung. Nach platinhal­tiger Chemotherapie gab es bislang wenig wirksame Substanzen, geschweige denn einen Therapiestandard. Spannend waren die Kongressvorstellungen zu Langzeitdaten der Immuntherapie. In der Keynote-775-­Studie wurde nun eine Kombination zweier Immuntherapeutika in dieser Situation überprüft. Die Kombinationstherapie von Lenvatinib und Pembrolizumab zeigte gegenüber einer Monochemotherapie einen Gesamtüberlebensvorteil von fast sieben Monaten. Diese Ergebnisse machen Mut und bestätigen den wachsenden Stellenwert der Immuntherapie bei gynäkologischen Tumoren.

Ana Oaknin präsentierte auf dem ASCO die Follow-Up-Daten des Garnet Trials, in dem die Wirksamkeit von Dostarlimab in der fortgeschrittenen Erkrankungssituation evaluiert wurde. Die Ansprechrate (dMMR, MSI-high) lag bei knapp 65 %, bei weiteren 21 % konnte zumindest eine Stabilisierung (stable disease) erreicht werden. Bei 83 % der Patientinnen lag ein dauerhaftes Ansprechen vor, und dies nach einem Follow-Up-Zeitraum von über zwei Jahren. Diese Ergebnisse sind beeindruckend, insbesondere, da es sich um chemotherapeutisch vorbehandelte Patientinnen in der zweiten Therapielinie handelt.

Ebenfalls zu Dostarlimab wurden jüngst die Ergebnisse einer Phase-III-Studie (RUBY-Trial) zur Behandlung des fortgeschrittenen Endometrium­karzinoms veröffentlicht. Patientinnen mit primär fortgeschrittenem Karzinom (FIGO III/IV) sowie Patientinnen in der Rezidivsituation wurden eingeschlossen. Die Kombination der primären Chemo­therapie mit Dostarlimab führte zu einer Verdopplung des progressionsfreien Überlebens nach 2 Jahren (36.1 % versus 18.1 %) in der Gesamtpopulation. Bei Patientinnen mit dMMR/MSI-high war der Benefit noch deutlicher (61.4 % versus 15.7 %). In der Interim-Analyse zeigte sich für die Gesamtpopulation auch ein positiver Einfluss auf das Gesamtüberleben, welcher aber (noch) keine statistische Signifikanz erreichte. Die baldige Zulassung des Präparates für diese Indi­kation wird erwartet.

Immuncheckpoint-Inhibitoren werden einen festen Platz in der Therapie des fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms einnehmen.

Literatur

1. Makker V et al., Lenvatinib plus Pembrolizumab for Advanced Endometrial Cancer. NEJM 2022
2. Oaknin A et al., Dostarlimab in EC: The Garnet Study. (ASCO 2022 abstract 5509), JCO 2022
3. Mirza M. et al., Dostarlimab for Primary Advanced or Recurrent Endometrial Cancer. NEJM 2023

Martin Heubner

Gynäkologische Onkologie – Zervixkarzinom

Onkologische Langzeitdaten zum Sentinel-Verfahren beim Zervixkarzinom aus der Senticol-II/II-Studie wurden ebenfalls in diesem Jahr veröffentlicht. In ­dieser wurden Patientinnen mit Zervixkarzinom ­(Stadien IA bis IIA) eingebracht. Nach 47 Monaten Follow-Up-Zeit zeigte sich bei beidseits pelvin nachweisbarem negativem Sentinel-LK kein Überlebensnachteil durch den Verzicht auf die vollständige Lymphadenektomie. Die zunehmende Etablierung dieser Technik ist ein grosser Schritt in der chirur­gischen Therapie des Zervixkarzinoms.

Immuntherapie bei fortgeschrittener Erkrankung auf Erfolgskurs

Nachdem bereits zu Pembolizumab positive Daten für das fortgeschrittene Zervixkarzinom vorliegen, wurden in diesem Jahr die Ergebnisse der GOG-3016-­Studie vorgestellt, die die Wirksamkeit des
PD-1-Antikörpers Cemiplimab in der Zweilinien­therapie nach platinhaltiger Erstlinientherapie untersuchte. Bei guter Verträglichkeit zeigte sich eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens gegenüber einer Monochemotherapie (12 Monate versus 8.5 Monate), was angesichts des prognostisch schlechten Patientinnenkollektivs ein beachtliches Ergebnis darstellt.

Literatur

1. Tewari KS et al., Survival with Cemiplimab in recurrent Cervical Cancer. NEJM 2022 
2. Balaya V et al, Long-term oncological safety of sentinel lymph node biopsy in early-stage cervical cancer: A post-hoc analysis of SENTICOL I and SENTICOL II cohorts. Gynecologic Oncology 2022

Martin Heubner

Die wahre Prävalenz der Zwerchfellendometriose und ihre Assoziation mit schwerer Endometriose: ein Aufruf zur Sensibilisierung und gezielter präoperativer Untersuchung

In einer prospektiven Kohortenstudie über 1372 Pa­tientinnen wurden die Merkmale identifiziert, welche präoperativ auf das Vorhandensein einer Zwerch­fellendometriose (ZE) hinweisen. Die Angaben von Pa­tientinnen mit nachgewiesener Zwerchfellendome­triose wurden mit den Angaben von Patientinnen mit ebenfalls histologisch gesicherter abdominaler Endometriose, jedoch ohne Zwerchfellbeteiligung, verglichen.

Bei allen Patientinnen mit Verdacht auf Endometriose wurde zu Beginn einer Laparoskopie eine vollständige bilaterale Inspektion des Zwerchfells durchgeführt. Eine Zwerchfellendometriose wurde bei 4,7 % der Pa­tienten (65/1372) diagnostiziert. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (Patientinnen mit abdominaler Endometriose mit oder ohne ZE) hinsichtlich der typischen Endometrioseschmerzen (Dysmenorrhoe, Dyschezie, Dysurie und/oder Dyspareunie). In der ZE-Gruppe wurden Schulterschmerzen präoperativ jedoch signifikant häufiger angegeben (27,7 % gegenüber 1,8 % p <.001). Vier ZE-Patientinnen (6,1 %) waren asymptomatisch (Infertilität als Indikation zur Operation). In der ZE-Gruppe wiesen 78,4 % fortgeschrittene Endometriose-Stadien auf (rAFS III° oder IV°). Das linke kleine Becken war häufiger bei Patientinnen mit ZE betroffen (73,8%). In Fällen von Patientinnen mit Endometriomen war bei Patientinnen mit ZE das linke Ovar signifikant häufiger betroffen (links 63 % gegenüber rechts 35,7 %, p <.001). Patientinnen mit ZE hatten eine signifikant höhere Infertilitätsrate (49,2 % gegenüber 28,7 %, p <.05).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Patientinnen mit Schulterschmerzen, Infertilität und/oder Endometriose im linken kleinen Becken ein signifikant höheres Risiko haben, an einer Zwerchfellen­dometriose zu leiden. Dementsprechend benötigen diese Patientinnen eine spezifische präoperative Beratung und gegebenenfalls die entsprechende chirurgische Behandlung (Pagano F. et al., J Minim Invasive Gynecol (2023); DOI: 10.1016/j.jmig.2023.01.006, Free Article).

Kommentar

Die Zwerchfellendometriose ist eine seltene Form der Endometriose. Wie diese prospektive Arbeit zeigt, kann sie jedoch bei fast 5 % der Endometriose-Patientinnen nachgewiesen werden. Wenn eine Endometriose-Patientin über zyklische Schulterschmerzen berichtet, muss ­intraoperativ eine Zwerchfellendometriose ausgeschlossen werden. Deshalb ist es sehr wichtig, am Anfang jeder Laparoskopie, bevor die Patientin in Trendelenburglage positioniert wird, das Zwerchfell genau zu inspizieren, um allenfalls eine „Sentinel-Endometrioseläsion“ nachzuweisen (Abb. 1). Wird eine solche gesichtet, müssen weitere Zwerchfellendometrioseherde gesucht werden, denn diese sind häufig hinter der Leber lokalisiert, sodass eine Mobilisation der Leber notwendig ist. Zwerchfellendometrioseherde sollten nicht koaguliert werden (Nirgianakis K. et al.; J Minim Invasive Gynecol [2018]; 25[5]:771–2), sondern mit dem Laser oder Plasmajet evaporisiert oder exzidiert werden.

Michael D. Mueller

Risikofaktoren für Urothelkarzinome bei Patienten mit Hämaturie

Die Abklärung von Mikro- und Makrohämaturien nimmt in unseren urogynäkologischen Sprechstunden zahlenmässig deutlich zu. Aber wie hoch ist eigentlich das Risiko, bei einer Hämaturie tatsächlich an einem Karzinom erkrankt zu sein?

Der vorliegende Review hat genau diese Fragestellung untersucht. Insgesamt wurden von der Autorenschaft 44 Studien eingeschlossen, die zwischen 2000 und 2021 publiziert wurden.

Insgesamt wurden hier die Datensätze von 229 701 Personen untersucht.

Gefunden wurde eine gepoolte Inzidenzrate für ein Urothelkarzinom (Blasenkarzinom) von 17 % bei Makrohämaturie und 3.3 % bei Mikrohämaturie.

Für das Nierenzellkarzinom betrug diese Rate2 % bei Makrohämaturie und 0.58 % bei Mikrohäma­turie.

Diese Studie zeigte ebenfalls, dass Raucher und Männer in der Gruppe mit Tumoren der Niere, des oberen Harntraktes oder der Harnblase häufiger anzutreffen waren (RR 1.41 bei Makrohämaturie, 1.53 bei Mikrohämaturie; Raucher; respektive RR 1.14 bei Makrohämaturie und 1.54 bei Mikrohämaturie, p < 0.00001 für Männer).

Fazit

Wieder einmal beweist diese Studie, dass Hämaturien abklärungsbedürftig sind, bei Risikofaktoren wie Rauchen umso mehr.

Bei Frauen dürfen wir in der Praxis nicht vergessen, dass Urin, der nicht korrekt abgenommen wurde, oft kontaminiert sein kann und damit falsch positive Werte für eine Hämaturie geben kann. Ein korrekt abgenommener Mittelstrahlurin sollte beispielsweise keine Plattenepithelien, die aus dem Genitaltrakt stammen, enthalten.

Bei Frauen, die keinen Mittelstrahlurin korrekt abgeben können (Adipositas, neurologische Erkrankungen, Schwangerschaft etc.) empfielt sich deshalb – auch um unnötige Abklärungen zu vermeiden –, die Untersuchung von Katheterurin als erster Schritt (Rai BP Luis Dominguez Escrig J Vale L et al; Eur Urol 2022; 82:182–92).

Annette Kuhn

Weshalb ziehen gewisse Menschen Mosquitos wie Magnete an?

Es ist offenbar unmöglich, sich vor einem weiblichen Mosquito zu verstecken. Diese finden jeden von uns, indem sie der CO2-Spur, Körpertemperatur und ­Körperausdünstungen nachgehen.

Aber es gibt unter uns solche, auf die es diese Plagegeister besonders abgesehen haben. Im Volksmund werden als „Risikofaktoren“ genannt: Blutgruppe, Glukosespiegel, Knoblauchverzehr, Bananenverzehr, Frau oder Kind zu sein. Die Daten dazu fehlen aber weitgehend.

Forscherinnen der Rockefeller Universität fanden nun heraus, dass Fettsäuren, die wir in unserer Haut ausscheiden, der entscheidende Faktor sind. Daraus entsteht für Mosquitos ein unwiderstehliches Parfum.

Acht Probanden trugen Nylonstrümpfe während jeweils sechs Stunden auf ihren Armen. Dann wurden die Exemplare in eine olfaktorische Kammer für ­Mosquitos platziert. Gearbeitet wurde mit der Aedes aegypti-Mücke (Überträgerin von Zika, Dengue, ­Gelbfieber). In verschiedensten Versuchsanordnungen stellte sich heraus, dass gewisse Probanden (zum ­Beispiel Nr. 33) 100-mal anziehender waren als andere (Proband Nr. 90 war der am wenigsten attraktive). Die weiteren Analysen ergaben, dass die Probanden 50 Substanzen ausschieden, die zum Teil durch das Mikrobiom der Haut produziert und im Sebum enthalten waren. Die „attraktiven“ Probanden produzierten Carboxylsäuren in viel höherer Konzentration als die anderen. Die Ergebnisse wurden anhand von 56 weiteren Probanden validiert. Wärend der mehrere Jahre dauernden Studien blieben die attraktiven Probanden attraktiv: „once attractive – always attractive“.

Als nächstes versuchten die Forscherinnen festzustellen ,ob über eine genetische Modifikation der Duftrezeptoren der Mosquitos eingegriffen werden konnte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Rezeptoren sehr komplex waren und auch Knock out-Versuchen widerstanden. Das heisst, die Mosquitos haben zahlreiche Backup-Systeme, um die für sie überlebens­wichtige olfaktorische Funktion zu erfüllen.

Es wird wohl kaum gelingen, durch Modifikation der Mosquitoduftrezeptoren das Problem zu lösen. Derzeit versucht die Forschungsgruppe über eine Modifikation des Hautmikrobioms die Empfänglichen weniger attraktiv zu machen (Herre, M et al, Cell 2022; 85:3104–23. e28).

Kommentar

Nun weiss ich, weshalb immer ich und nicht meine neben mir schlafende Mierta gestochen wird. Eine Plage, an die ich mich in all den Jahren nur unvollständig gewöhnt habe, wie auch meine jüngere Tochter, die auch zu den „Attraktiven“ gehört. Neben Spray und Mosquitonetzen sind vor allem rotierende Propeller an der Decke meiner Erfahrung nach sehr wirkungsvoll!

Michael K. Hohl

Schlechte Embryoqualität bei IVF-ET und ­Schwangerschaftsoutcome

Das ist eigentlich ein Thema, welches eher aus der Ecke der Reproduktionsmedizin diskutiert werden sollte, meine Kollegen mögen das entschuldigen. Als Geburtshelfer ist es aber auch wichtig, darüber informiert zu sein, mit was für möglichen Komplikationen ich bei der Betreuung von Frauen nach ART und insbesondere nach Embryotransfer rechnen muss. Bei den Kollegen der Reproduktionsmedizin ist die Schwangerschaftsrate zentraler als dessen Outcome und entsprechend war ich positiv überrascht bei der Lektüre dieser Arbeit, welche weitergegangen ist als nur die ersten acht bis zwölf Wochen nach IVF. Nun, die Frage der Autoren (1) war klar und nachvollziehbar: Beeinflusst die Embryoqualität beim Transfer das Schwangerschaftsoutcome? Es wurde das Gardner blastocyst grading-System (2) verwendet und alle Fälle wurden im gleichen Zentrum betreut. Mehrlinge, Schwangerschaften nach Eizellspende, nach Transfer von mehr Embryonen und von Embryonen im sog. Cleavage-Stadium wurden ausgeschlossen. Es wurden nur Embryonen im Blastozystenstadium berücksichtigt, welches heutzutage das häufigste Transferstadium darstellt.

Nun, es ist klar, dass die Qualität des transferierten Embryos direkt mit dem Erfolg der Therapie korreliert. Die vorliegende Studie von Herman HG et al. (1) zeichnet sich deswegen von anderen ab, weil sie auch das klinische Outcome der Schwangerschaft in den Fokus genommen hat. Zwischen Embryos schlechter und solchen besserer Qualität unterscheidet sich das klinische Outcome der Schwangerschaft nicht (Tabelle 1).

Als Geburtshelfer fällt auf, dass diese Schwangerschaften überdurchschnittlich häufig durch einen Gesta­tionsdiabetes (gesamthaft 12.8 %) kompliziert waren. In Kanada, wo diese Studie durchgeführt wurde, liegt die Inzidenz eines GDM bei etwa 7%! (3) Präeklampsien wurden in knapp 5 % beobachtet und auffällig wenig Kinder waren small for gestational age (5.9%). Diese Zahlen erstaunen aus geburtshilflicher Sicht, da in diesem Kollektiv eine hohe Rate an Plazenta- und Nabelschnurinsertionsanomalien gefunden wurde. Knapp 10 % der Plazentae lagen tief, waren Accreta oder lösten sich zu früh und in 21.8 % wurde entweder eine marginale oder velamentöse Insertion der Nabelschnur beschrieben. Auch histologisch zeigten diese Plazentae eine auffällig hohe Rate an Läsionen, welche in ihrer Gesamtheit die Inzidenz von Plazentainsuffizienz deutlich in die Höhe hätte schnellen lassen müssen. Das sehe ich aber nicht aus den Zahlen! Leider gibt es keine Daten über die Inzidenz von makrosomen Neugeborenen und wie viele dieser Frauen Aspirin erhalten hatten. Auch diese Arbeit zeigt, dass wir dieses Kollektiv wegen den Insertionsanomalien sorgfältig nach Vasa previa screenen müssen.

Literatur

1. Herman HG et al. Human Reprod 2023 https://doi.org/10.1093/humrep/dead045
2. Gardner DK, et al.1999: The Plenary Proceedings of the 11th World Congress on in Vitro Fertilization and Human Reproductive Genetics. Pearl River, NY: Parthenon, 1999, 378–88
3. Zhu Y, Zhang C. Curr Diab Rep. 2016 Jan;16(1):7. doi: 10.1007/s11892-015-0699-x. PMID: 26742932; PMCID: PMC6675405

Luigi Raio

Kann Aspirin zur Präeklampsie-Prävention auch vor der 37. SSW gestoppt werden?

Gemäss der Empfehlung der FMF London sollte Aspirin in einer Dosierung von 150 mg abends ab dem Ersttrimesterscreening (ETT) zwischen der 12. und 14. Woche (vor 16 Wochen) nach positivem Testresultat eingenommen werden. Da die Aspre-Studie (1) ­zeigen konnte, dass Aspirin v. a. die Inzidenz einer Präeklampsie vor 37 Wochen signifikant zu senken vermag, ist es logisch, dass man es ab 37 Wochen stoppt. In Bern offerieren wir dieses Screening mit gutem Erfolg seit 2014 (2, 3).

Nun, eine Gruppe aus Spanien hat sich die Frage gestellt, ob man das Aspirin auch vorher stoppen könnte. Eine multicenter, randomisierte Phase-3-Studie wurde an neun spanischen Zentren organisiert (StopPRE Trial) (4). Alle Frauen wurden nach dem FMF-Algorithmus gescreent und bei einem Cutoff von 1:170 (5) erhielten sie 150 mg Aspirin täglich. Mit 24–28 Wochen wurde eine sFlt-1/PlGF-Ratio abgenommen. Schwangere mit einer Ratio < 38 wurden 1:1 randomisiert zu Aspirin weiter bis 37 Wochen oder Aspirin-Stopp. Insgesamt konnten 936 Frauen eingeschlossen werden, 484 pro Gruppe. Die Inzidenz einer Präeklampsie < 37 Wochen war gesamthaft 1.6 % und nicht unterschiedlich zwischen den Gruppen. Zudem wurden in der Gruppe mit frühzeitigem Stopp weniger leichte Blutungskomplikationen (Nasen- u/o Zahnfleischblutungen) verzeichnet (Graphik 1). Andere Komplikationen wie vorzeitige Lösung, maternale oder neonatale Hirnblutungen waren extrem selten und die Studie war deswegen nicht ausgelegt. Interessanterweise wurden weniger späte Präeklampsien in der Gruppe mit frühem Aspirinstopp verzeichnet (6.34 % vs. 8.64 %; RR (95%CI) 0.73 [0.47–1.16]). Auch wenn dieser Unterschied nicht signifikant war, spricht das etwas gegen die Theorie, dass Aspirin die Entwicklung einer Präeklampsie nach hinten schiebt.

Nun, das ist eine sehr wertvolle Studie und deckt sich auch mit unseren Erfahrungen. Es ist tatsächlich so, dass die falsch positive Rate (in dieser Studie 95 %) hoch ist und somit viele Frauen unnötig Aspirin erhalten. Wenn man mit einer solchen Strategie diese Rate an unnötiger Medikation reduzieren könnte, wäre das aus verschiedenen Gründen (Nebenwirkungen, unnötige Interventionen und Kontrollen, Stressreduktion) sehr erwünscht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir diese spanischen Resultate telquel übernehmen können. Sie haben eine etwas andere Population und haben auch einen anderen ETT-Cutoff verwendet als wir (CH: 1:100), um Schwangere als Hochrisiko zu klassifizieren. Jedenfalls ist der Einsatz der Angio­genesemarker, um die falsch positiven Fälle in dieser Studie zu reduzieren, sehr intelligent und meines Erachtens nachahmungswürdig.

Literaturhinweis

1. Rolnik DL et al., N Engl J Med. 2017, Aug 17; 377(7):613–22. doi: 10.1056/NEJMoa1704559. Epub 2017 Jun 28. PMID: 28657417.
2. Mosimann B, Swiss Med Wkly. 2017, Aug 25; 147:w14498. doi: 10.4414/smw.2017.14498. PMID: 28871576
3. Trottmann F et al., Geburtshilfe Frauenheilkd. 2022, Mar 3; 82(3):333–40. doi: 10.1055/a-1534-2599. PMID: 35250382; PMCID: PMC8893983
4. Mendoza M et al., JAMA. 2023; 329(7):542–50. doi:10.1001/jama.2023.0691
5. Mendoza M et al., J Gynecol Obstet Hum Reprod. 2021; 50(1):101827. doi:10.1016/j.jogoh.2020.101827

Luigi Raio

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