Perikonzeptionelles Rauchen beeinträchtigt Embryonal- und Fetalent-wicklung / Protein im Oolemma wichtig für Spermienbindung / Rektusdi-astase / Keine Wartezeit nach Abort / Amlodipin oder Nifedipin bei Schwangerschaftshypertonie? / Weniger als sechs Stunden Schlaf und chronische Krankheiten / Kolonoskopie-Screening.
689 Frauen wurden im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie (Rotterdam periconceptional Cohort) mit einem Follow-up bis ein Jahr nach der Geburt erfasst.
Zwischen der siebten und zehnten Schwangerschaftswoche wurden bei allen 3D-Ultraschallmessungen vorgenommen. Die embryologische Entwicklung wurde nach der Carnegie-Entwicklungsskala ermittelt, mittels Virtual-Reality-Technik. Die nächste Messung erfolgte in der 20. Schwangerschaftswoche, und nach der Geburt wurde das Geburtsgewicht erfasst. Mittels linearen Regressionsmodellen wurde der Zusammenhang zwischen Rauchen, fetalem Wachstum und Geburtsgewicht analysiert.
Resultate
Die stärkste Auswirkung fand sich bei perikonzeptionellem Rauchen von mehr als zehn Zigaretten pro Tag (b = –0.35 95 % CI –0.65 CI p = 0.0019) 0.9 Tage Verzögerung bis zum Erreichen des letzten Carnegie-Stadiums. Die Stratifizierung nach Konzeptionsmodus zeigte, dass die Verzögerung bei IVF-Konzeption signifikant grösser war als bei natürlicher Konzeption (–1.6 Tage p <0.002). In der 20. Schwangerschaftswoche wurde eine signifikant kürzere Femurlänge und Kopfumfang bei Rauchenden gemessen und auch das Geburtsgewicht war negativ assoziiert (p <0.001). Das bedeutet, dass die Wachstumsverzögerung (oder Dysregulation) bereits im ersten Trimenon beginnt und bis zur Geburt nicht kompensiert werden konnte (Pietersma CS et al. Hum. Reprod. 2022; 37:696–707).
Kommentar
Die Autoren kommen zum Schluss, dass perikonzeptionelles Rauchen in der Schwangerschaft nicht kompensiert werden kann. Dass eine signifikante weitere Verschlechterung bei IVF-Schwangeren gefunden wurde, wird damit erklärt, dass der IVF-ICSI-Prozess sowieso empfindlicher für äusserliche Einflüsse sei (Van Eutert et al. Hum. Reprod. 2013; 28:3188). Allerdings wurde nicht untersucht, ob perikonzeptionelle Raucherinnen im Verlauf der Schwangerschaft das Rauchen reduzierten, stoppten oder gar nicht änderten. Man darf davon ausgehen, dass wahrscheinlich einige das Rauchen aufgegeben haben.
Trotzdem, der negative Effekt perikonzeptionellen Rauchens ist bereits im ersten Trimenon nachweisbar und gleicht sich im weiteren Verlauf nicht aus.
Für die Praxis ein starkes Argument, mit allem Nachdruck Frauen, die schwanger werden wollen, für eine Rauchabstinenz zu motivieren. IVF-Frauen müssen vor Therapiebeginn das Rauchen stoppen!
Michael K. Hohl
Die Forschenden versetzten Mikrosphären mit zahlreichen spezifischen Proteinfragmenten, die für die Spermienbindung infrage kamen. Das neu entdeckte Proteinfragment band besonders viele Spermien und wurde entsprechend der Fruchtbarkeitsgöttin MAIA-Protein genannt. Die Gene dafür und jene des zweiten schon bekannten Juno-Gens (ebenfalls ein Bindungsprotein) wurden in Hamstereier eingeführt, welche daraufhin menschliche Spermien banden. Juno und MAIA binden zusammen sehr stabile Komplexe im Oolemma (Abb. 1, Vondrakova J. et al. Science Advances 2022; 8. doi:10.1126/sciadvabn 0047).
Kommentar
Diese Untersuchungen zeigen die molekularen Grundlagen der Gameten-Fusion und können ein Hinweis darauf sein, weshalb gewisse Spermien nicht in gewisse Oozyten eindringen können. Ein weiterer Puzzlestein im recht grossen Feld der „unexplained infertility“.
Michael K. Hohl
Hall H, Sanjaghsaz H. Diastasis Recti Rehabilitation. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan. 2022 Aug 15
Annette Kuhn
Tessema GA et al. PLoS Med 19(11): e1004129
Kommentar
Die WHO empfiehlt seit 2007, nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch eine neue Konzeption mindestens sechs Monate zu postponieren. Diese Empfehlung basiert auf einer südamerikanischen Studie, welche zeigte, dass das Risiko eines ungünstigen Outcomes grösser war, wenn man einen „Interpregnancy-Intervall“ (IPI) von weniger als sechs Monaten hatte. Dieser Punkt wurde in der Folge in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Um solche Fragen zu klären, bieten sich die nordischen (norwegischen) Gesundheitsregister so richtig an. Von 108 444 Frauen nach Fehlgeburt wurden 75 059 und von 127 912 nach Abbruch wurden 57 282 Folgeschwangerschaften untersucht. Untersucht wurde die Inzidenz von Frühgeburt, SGA und LGA, hypertensive Schwangerschaftskomplikationen inklusive HELLP-Syndrom und GDM. Keines dieser Komplikationen war erhöht nach einem IPI von <3 oder <6 Monaten oder >12 Monaten. Ganz im Gegenteil, das Risiko eines GDM war bei einer IPI >12 Monate erhöht.
Luigi Raio
(Yin J. et al., Arch Gynecol Obstet 2022; 306:1891–900, https://doi.org/10.1007/s00404-022-06504-5)
Kommentar
Bei dieser Arbeit von Yin et al handelt es sich um eine Metaanalyse der publizierten Literatur über den Einsatz von Amlodipin in der Schwangerschaft. Meines Erachtens ist das eine sehr willkommene Zusammenstellung, da auch wir dieses Medikament zunehmend einsetzen, insbesondere bei Frauen mit chronischer Hypertonie. Bei genau diesem Kollektiv konnte vor Kurzem gezeigt werden, dass das Senken des Blutdrucks auf Normwerte sogar das Risiko für Präeklampsie und die damit assoziierten Komplikationen zu senken vermag. Amlodipin zeigt auch weniger Nebenwirkungen als Nifedipin. Dabei sind v. a. Kopfschmerzen zu nennen. Diese Metaanalyse stellt eine gute Basis dar, um eine randomisierte Studie zu planen, welche diese Medikamente direkt vergleicht.
Luigi Raio
Die Daten für die Studie stammen aus der prospektiven Whitehall-II-Kohortenstudie, welche 1985 mit 10 308 Beamten der Londoner Büros des britischen öffentlichen Dienstes begonnen wurde. Die selbstberichtete Schlafdauer wurde zwischen 1985 und 2016 sechsmal gemessen, und die Daten zur Schlafdauer wurden im Alter von 50, 60 und 70 Jahren extrahiert. Das Follow-up reichte bis März 2019.
Personen, welche ab dem 50. Lebensjahr fünf Stunden oder weniger pro Nacht schliefen, hatten, im Vergleich zu den Personen, welche mindestens sieben Stunden pro Nacht schliefen, ein um 30 % höheres Risiko, im Laufe der Zeit mehrere chronische Krankheiten zu entwickeln. Als die Teilnehmer 70 Jahre alt waren, war dieses Risiko auf 40 % gestiegen. Zu den Krankheiten, für die ein höheres Risiko bestand, gehörten Diabetes, verschiedene Karzinome, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, chronische Nierenerkrankung, Lebererkrankung, Depression, Demenz, Parkinson und Arthritis (Sabia S et al., PLoS Med [2022] 18; 19[10]:e1004109).
Kommentar
Schon frühere Untersuchungen haben nachgewiesen, dass ein Schlaf von fünf Stunden oder weniger oder neun Stunden oder mehr mit Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Allerdings treten chronische Krankheiten oft gleichzeitig auf, insbesondere im höheren Alter, und es bleibt unklar, wie die Schlafdauer mit dem Risiko einer Multimorbidität in Verbindung gebracht werden kann. Bei der oben erwähnten Studie ist vor allem die Selbstauskunft über den Schlaf als problematisch einzustufen, da diese Selbsteinstufung nicht immer mit dem tatsächlichen Schlaf korreliert. Zusätzlich sind wahrscheinlich fünf Stunden qualitativ hochwertigen Schlafes weniger besorgniserregend als acht Stunden mit schrecklicher Schlafqualität, beispielsweise aufgrund einer unbehandelten Schlafapnoe.
Michael D. Mueller
Obwohl die Kolonoskopie als Darmkrebs-Früherkennungstest weit verbreitet ist, ist ihre Wirkung auf das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, und den damit verbundenen Todesfällen unklar. Die Nordic-European Initiative on Colorectal Cancer (NordICC)-Studie ist eine multizentrische, pragmatische, randomisierte Studie welche zwischen 2009 und 2014 mit mutmaßlich gesunden Männern und Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren aus Einwohnermelderegistern in Polen, Norwegen, Schweden und den Niederlanden durchgeführt wurde. Die Teilnehmer wurden im Verhältnis 1:2 randomisiert: entweder erhielten die Teilnehmenden eine Einladung zur einmaligen Screening-Kolonoskopie (= Eingeladene Gruppe) oder keine Einladung bzw. keine Screening-Kolonoskopie (= Normalversorgungsgruppe). Die primären Endpunkte waren das Darmkrebsrisiko und der Tod durch Darmkrebs nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 10 bis 15 Jahren (wobei die erste Analyse nach 10 Jahren geplant war). Eingeladen zur einmaligen Kolonoskopie wurden rund 28 000 Personen, ihnen wurden 56 000 Personen ohne Screening-Einladung gegenübergestellt. 66 % der Teilnehmenden stammten aus Polen, 30 % aus Norwegen und die übrigen 4 % aus Schweden. Die Teilnehmenden waren zu Beginn im Median 59 Jahre alt und bestanden zur Hälfte aus Frauen.
Nur 42 % reagierten auf die Einladung und unterzogen sich einer Kolonoskopie. Bei 62 der Gescreenten konnten die Ärztinnen und Ärzte direkt während der Kolonoskopie ein Kolorektalkarzinom entdecken, bei über 3600 entfernten sie Adenome – dies betraf rund 30 % der Gescreenten.
Im Laufe einer mittleren Nachbeobachtungsdauer von 10 Jahren wurde bei knapp 1 % der Eingeladenen und 1,2 % der Kontrollgruppe Darmkrebs diagnostiziert. Bei den Eingeladenen waren sowohl frühe als auch fortgeschrittene Darmtumoren zu etwa einem Fünftel seltener aufgetreten. 0,28 % der Eingeladenen (72 Personen) und 0,31 % aus der Kontrollgruppe (157 Personen) starben in der Nachbeobachtungszeit an Darmkrebs – die relative Differenz von rund 10 % war statistisch nicht signifikant, und die Gesamtsterberate war in beiden Gruppen praktisch identisch.
Wenn die Analyse jedoch nur auf die tatsächlich Gescreenten durchgeführt wurde, ergab sich ein deutlicher Nutzen der Kolonoskopie: die Darmkrebsrate war dann in der Kolonoskopiegruppe um 31 %, die Darmkrebssterberate um 50 % geringer als in der Kontrollgruppe (Bretthauer M et al.; N Engl J Med [2022] 27; 387[17]:1547–56).
Kommentar
Der Erfolg eines Screenings hängt im Wesentlichen von der Teilnahmerate ab, was insgesamt für ein organisiertes Screening spricht.
Michael D. Mueller