Im Dialog

Prof. Annette Kuhn im Gespräch mit Christopher Buchholz

Christopher Buchholz wurde in Los Angeles geboren. Nach seiner Schulzeit in den USA, England und Frankreich entschied er sich, Schauspieler zu werden. Für seine schauspielerische Leistung in dem Film Der Papst­attentäter wurde er als bester Nachwuchsdarsteller ­ausgezeichnet. Seitdem hat er als Hauptdarsteller mit Regisseuren wie Michelangelo Antonioni, Volker Schlöndorff, Peter Yates, Claire Denis, Pierre Schoendorfer oder Virgil Widrich gearbeitet.

Neben der Schauspielerei ist Christopher Buchholz als Theater- und Filmregisseur, Autor und Produzent tätig. Seit 2010 leitet er die Französischen Filmtage Tübingen/Stuttgart.

Prof. Annette Kuhn (AK):Herzlichen Dank, Christopher, dass Du dir die Zeit für das Interview nimmst! Als Sohn von Horst Buchholz – ist das immer ganz klar gewesen, in die gleiche Branche einzusteigen?

Christopher Buchholz (CB): Ich wollte, als ich jung war, auf keinem Fall Schauspieler werden! Ich bin mit der Schauspielerei aufgewachsen und hab’ immer so verrückte Leute gesehen … Mein Traum war, mit Cousteau tauchen zu gehen und unter Wasser zu sein.

Als ich in Los Angeles auf der Uni war, musste ich einen Kurs in Contemporary Dance absolvieren. Die Lehrerin hat mich als superbegabt eingestuft, als ich vorgetanzt habe und sie mit einbezogen habe, ich glaube, sie war da sehr geschmeichelt. Es gab dort eine Französin, die dort Choreografie studiert hat, und die wollte, dass ich unbedingt in einem Stück mittanzte, und auf einmal stand ich auf einer Bühne!

Ich bin mit Lee Strasberg aufgewachsen – eine Freundin wollte unbedingt bei Strasberg studieren, und ich habe gemerkt, dass ich nicht weiter an der Uni studieren wollte – ich wollte ja kein Arzt werden. Dann bin ich auch zu Strasberg gegangen und habe dort die Schauspielerei gelernt.

Nur in Deutschland fragt man die Frage. „Wie ist das als Sohn von Horst Buchholz?“ – ich bin in Frankreich aufgewachsen, oder dort hat man da nicht danach gefragt. Ich bin meinen Weg gegangen und hab’ mein Ding gemacht.

Meine Mutter war Schauspielerin und die italienischen Filme waren ihre Lieblingsfilme, sie ist nach Italien gereist und hat dort eine Karriere gemacht. Ein Produzent wollte einen Film mit Jackie Chan machen und suchte einen Schwarzenegger-Typ, er sah mein Foto und wollte mich für diesen Job haben. Meine Mutter sagte: „Das ist kein Schwarzeneggertyp!“. Er sagte, das sei ihm egal, flieg nach Paris und komm!

Leider hatte Jackie Chan einen Unfall, und aus diesem Film wurde nichts.

Dann sagte meine Mutter – komm mit mir nach Rom, um eine Agentin zu treffen, das hab’ ich dann gemacht.

Die Agentin sagte dann, dass sie seit sechs Monaten jemanden suchen, der den Papstattentäter spielt, und ich würde diesem Bild genau entsprechen – dann hatte ich diese Rolle, für die ich auch einen Preis bekommen habe. Von Los Angeles durch Paris nach Rom! Damit fing alles an.

AK: Du hast gesagt, du hast alles hingeschmissen für die Schauspielerei – hattest Du nie Zukunftsängste, dass Du Dich nicht damit ernähren kannst?

CB: Nein eigentlich nicht. Meine Eltern haben die Schule finanziert, und ich habe das sehr gerne gemacht. Ich mache, was ich liebe, habe nicht kalkuliert.

Es gab eine schwierige Phase, als ich in eine Schauspielerin verknallt war, ich hab’ gedacht, ich muss meinen Eltern mal eine Szene schicken, damit sie sehen, was ich mache. Die Schauspielerin hatte schon Broadway-Erfahrung, stand immer vorne im Rampenlicht, ich war im Hintergrund, total verknallt, ehrlich gesagt, eine Katastrophe.

Ich hab’ es meiner Mutter geschickt, und sie sagte, dass diese Szene sehr sehr schlecht war … das war hart, ich wusste aber auch, dass ich eine Person habe, die mir die Wahrheit sagt! Wissend, dass ich das schaffen kann, habe ich weitergemacht.

Normalerweise baut man sich seine Karriere in einem Land auf, ich habe zu dem Zeitpunkt drei Sprachen gesprochen und war so in mehreren Ländern tätig, mittlerweile sind es vier! Ich gehörte immer zu verschiedenen Ländern.

AK: Kannst Du sagen, für welche geografische Region Dein Herz am meisten schlägt?

CB:Ich denke, meine Seele ist amerikanisch, mein Kopf ist französisch, weil ich da zur Schule gegangen bin, die Natur lebt für mich in der Schweiz, weil wir in Lenzerheide unser Familienhaus hatten, in Bern dieses hellblaue Wasser der Aare liebe ich deswegen ohne Ende, im Herz bin ich sehr in Italien zu Hause. Ich mag die Menschen dort und es ist meine Lieblingssprache.

AK: Du sagtest eben, dass es so schwierig war, als Du die negative Kritik von Deiner Mutter bekommen hast – manchmal müssen wir in der Medizin jüngere Kollegen auch kritisieren – denkst Du, das ist hilfreich? Ist es wichtig, bei gewissen Karriereschritten negative Kommentare zu bekommen?

CB: Ja, das ist unglaublich wichtig! Es bringt nichts, Leute zu haben, die immer nur alles gut finden. Man braucht Personen, die Dir die Wahrheit sagen, und das ist selten. Du kannst immer noch entscheiden, ob das Deine Wahrheit oder nicht Deine Wahrheit ist. Es gibt wenige Leute, die die Wahrheit sagen. Ein ehrliches Feedback ist auch Zeichen der Liebe.

AK: Mit welcher Schauspielerin spielst Du denn am liebsten?

CB: (Pause) – ich denke, das kann ich so gar nicht sagen. Das ist jedes Mal ein bisschen anders. Jetzt in dem neuesten Film „Retour“, den ich mit Cihan Inan inszeniert habe, habe ich gerade mit zwei neuen Schauspielerinnen, die aus dem Theater kommen – davon eine sehr junge – vor der Kamera gestanden.

Man weiss nie, wie das läuft, ich war sehr positiv überrascht, besonders von der jungen, mit der ich sehr raue Sexszenen hatte. Schauspieler wollen etwas spielen, und man macht das einfach, man nimmt sich den Moment, egal was passiert, und es passieren manchmal emotional sehr starke Momente, und dann ist plötzlich „cut“ – und der Moment ist vorüber. Und es ist gut so. Die junge Schauspielerin hat das phänomenal gemacht – wow, ich war wirklich sehr beeindruckt.

(Anmerkung AK: Der Film „Retour“ befindet sich gerade in der Entstehung – unbedingt merken, GEHEIMTIPP!)

AK: Als weisser, männlicher Darsteller – gibt’s da noch Platz heute oder muss man(n) homosexuell, trans oder anders sein?

CB: Es gibt so Bewegungen, die meinen, ein Schwuler kann nur einen Schwulen spielen etc. – ich sage dann immer, dann kann nur ein Krimineller einen Kriminellen spielen?

Ich könnte auch eine neue Version der Glorreichen Sieben machen, dann nehmen wir einen Zwerg, einen Homosexuellen und eine Transe … ich kann alle bedienen (lacht).

Ich bin in der Kunst absolut gegen Quoten, das finde ich nicht gut. Schauspiel ist eben Schauspiel. Es ist auch nicht leicht, sich selber zu spielen. Ich will auch hier beim Filmfestival keine „Gettoisierung“- ich will keine LGBT-Ecke, keine Frauenecke, keine Ökoecke … vielleicht muss ich für die nächsten Projekte sagen, dass ich transsexuell bin, und wenn Ihr mir keinen Job gebt, bin ich ganz traurig (lacht).

Ich glaube, man muss einfach gut sein, um Erfolg zu haben oder einen Preis zu bekommen. Das sollte auch für Jobs gelten.

AK: Du leitest die Französischen Filmtage in Tübingen und Stuttgart – wie ist das heute in COVID-Zeiten, ist online eine wirkliche Alternative?

CB: Seit drei Jahren organisieren wir online und das reale Festival. Eigentlich bin ich gegen online, das ist aber etwas für Leute, die vielleicht nicht mobil sind, es braucht aber das Festival real.

Der Kinosaal ist sozusagen mein Tempel, es ist ein soziales, gemeinsames Erleben, das man nicht ersetzen kann durch Online-Veranstaltungen.

Man kann einen Film auch zu Hause schauen, aber da ist man allein, man sollte Filme oder Theater zusammen schauen, Leute wollen etwas erleben und gemeinsam mit anderen Leuten erfahren.

AK:Hast du noch Zeit für Hobbies oder ist Deine Arbeit Dein Hobby?

CB:Meine Arbeit ist meine Leidenschaft, und ich liebe Teamwork mit anderen Leuten. Wir kommen alle zusammen, man liebt sich, man sieht sich wieder, meistens bei der Arbeit, wir sind durch diese gemeinsame Erfahrung zusammengebunden.

Früher bin ich immer zusammen mit Freunden tauchen gegangen, wir haben Filme unter Wasser gedreht, das ist auch toll.

AK: Lieber Christopher – ganz herzlichen Dank für dieses spannende Interview!

CB: Sehr gerne – bis bald!

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