Gynäkologische Onkologie up to date

Das Endometriumkarzinom – Nicht alles beim Alten!

Paradigmenwechsel in der Klassifikation und neue Therapiemöglichkeiten – Ein kurzes Update

In der Therapie des Endometriumkarzinoms hat sich über viele Jahre wenig bewegt. Obwohl es mit Abstand das häufigste Genitalmalignom darstellt, sind von onkologischer Seite wenige Entwicklungen erfolgt. In den letzten Jahren haben sich nun sowohl die Sicht auf diesen Tumor hinsichtlich seiner Klassifikation in Subtypen als auch die Behandlungslandschaft deutlich verändert. Auch hier geht alles in Richtung der individualisierten Therapien auf Basis molekularer Tumoreigenschaften. Zudem haben sich die Möglichkeiten für Patientinnen mit fortgeschrittenen oder metas­tasierten Tumoren erheblich erweitert. Die wichtigsten Entwicklungen sollen im Folgenden dargestellt ­werden.

Die molekulare Klassifikation ergänzt die klassische histopathologische Einteilung

Klassischerweise werden beim Endometriumkarzinom endometrioide Karzinome von nicht-endometrioiden (z. B. klarzellig, serös) unterschieden. Tumorstadium und Grading, also rein histomorphologische Kriterien, bildeten in der Regel den Rahmen für die Empfehlungen adjuvanter Therapien. Mittlerweile ist jedoch eindrücklich gezeigt worden, dass die Berücksichtigung molekularer Tumoreigenschaften zu einer wesentlich differenzierteren Betrachtung und Prognoseeinschätzung beitragen kann.

Basierend auf den Ergebnissen des The Cancer Genome Atlas (TCGA)-Projektes [1] ist in den letzten Jahren eine morpho-molekulare Klassifikation der Endometriumkarzinome erarbeitet worden, die zunehmend in der klinischen Routine etabliert wird [2–6]. Diese molekulare Klassifikation zeigt eine sehr gute Korrelation mit der Prognose und erscheint in dieser Hinsicht der rein histomorphologischen Klassifikation überlegen [2, 7–9]. Die Implementierung molekular­pathologischer Kriterien in die Therapieplanung erscheint logisch und konsequent [2, 10–14]. Die ESGO hat diese daher bereits in ihre Therapieleitlinien integriert, in der gerade aktualisierten Version der AWMF-Leitlinien finden sie ebenfalls Berücksichtigung. Vor allem für endometrioide Karzinome wird diese Klassifikation verwendet, für andere Subtypen ist die Datenlage eingeschränkt [5, 15–18].

Im Folgenden sollen die molekularen Subtypen des Endometriumkarzinoms kurz dargestellt werden:

POLE mutant: Das Vorliegen von POLE-Mutationen wird vor allem bei jüngeren Frauen mit Endometriumkarzinomen beobachtet. Es handelt sich häufig um high-grade-endometrioide Karzinome, es gibt keine Assoziation zu Adipositas oder Östrogenexposition. Die Prognose ist sehr gut, sodass auf eine adjuvante Therapie oft verzichtet werden kann. Zur Klassifikation braucht es einen molekulargenetischen Nachweis von Mutationen in POLE. Diese Veränderungen ­werden in ca. 10 % der Endometriumkarzinomfälle beobachtet.

MMR deficient: Eine Defizienz im Mismatch-Repair-Mechanismus wird in knapp einem Drittel der Patientinnen mit Endometriumkarzinomen diagnostiziert. In ca. 10 % der Fälle liegen genetische Veränderungen im Sinne eines Lynch-Syndroms vor (nach einem solchen sollte bei MMR-Defizienz unbedingt gefahndet werden). Der Nachweis erfolgt immunhistochemisch, molekulargenetisch liegt eine Mikrosatelliteninstabilität vor (MSI-high). Die Prognose ist gut, jedoch schlechter als bei POLEmut oder NSMP. Die adjuvante Radiotherapie scheint insbesondere in dieser Subgruppe zu einer Prognoseverbesserung beizutragen [11].

P53 abnormal: In gut 10 % der Fälle kann immunhistochemisch eine Überexpression des Proliferationsmarkers p53 festgestellt werden. Diese ist wiederum ein Surrogatparameter für Mutationen im p53 Gen. High-grade-endometrioide Karzinome oder auch seröse Tumore oder Karzinosarkome weisen diese Veränderungen auf. Das Risiko für lymphonodale und viszerale Metastasierung ist erhöht. Die Prognose dieses Subtyps ist schlecht und es hat sich gezeigt, dass vor allem diese Patientinnen von einer adjuvanten ­Chemotherapie profitieren.

NSMP (no specific molecular profile): Bei fehlenden Auffälligkeiten hinsichtlich p53, MMR-Enzymen oder POLE (was in ca. 50 % der Fall ist) erfolgt die Einordnung in diese Gruppe. Die Prognose ist insgesamt gut.

Die prognostische Aussagekraft dieser Klassifikation ist hoch, wie die entsprechende Grafik (Abb. 1) verdeutlicht. Sehr wenige Patientinnen erfüllen die Kriterien für die Einordnung in mehrere Gruppen (sog. „multiple classifiers“). Interessanterweise scheint in solchen Fällen die prognostisch günstigere Eigenschaft die klinisch relevante zu sein [11].

Mithilfe der Kombination oben angeführter moleku­larer Eigenschaften mit etablierten histomorphologischen Parametern können die Patientinnen Risikogruppen zugeordnet werden, die wiederum bei der Therapieplanung hilfreich sein können. Insbesondere dem p53-Status kommt aufgrund seines negativen prognostischen Wertes hierbei eine besondere Rolle zu.

Der Nutzen der molekularen Klassifikation ist evident, viele Kliniken haben diese daher bereits in ihre tägliche Routine integriert. Problematisch ist die ­Tatsache, dass die klinischen Daten fast gänzlich retrospektiv erhoben wurden. Prospektive Studien zur Risikostratifizierung und Therapieplanung in der Adjuvanz sind auf dem Weg. Im Rahmen der RAINBO-Studie (Refining Adjuvant Treatment IN Endometrial Cancer Based On Molecular Features) werden die molekularen Eigenschaften des Tumors als Stratifizierungsinstrument für die adjuvante Therapie genutzt [19].

Immuntherapien erweitern die therapeutischen ­Möglichkeiten

Beim fortgeschrittenen oder metastasierten Endometriumkarzinom waren die Therapiemöglichkeiten über Jahrzehnte sehr eingeschränkt. Chemotherapien zeigen in dieser Situation oft nur ein mässiges Ansprechen, endokrine Therapien wie die hoch dosierte Gestagengabe sind nur für Patientinnen mit entsprechender Hormonrezeptorexpression geeignet. Es ist daher umso erfreulicher, dass sich die Palette einsetzbarer Therapeutika insbesondere durch die Immuntherapien erweitert hat. Endometriumkarzinome mit einer Mismatch Repair-Defizienz (dMMR) oder einer Mikro­satelliteninstabilität (MSI-H) eignen sich besonders für immuntherapeutische Ansätze, das sie in hohem Mass Antigene exprimieren.

Der Immun-Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab zeigte, als Monotherapie verabreicht, eine beeindruckende Ansprechrate von 57 % bei Patientinnen mit Tumorrezidiv mit dMMR oder MSI-H (Keynote 158 Studie [20]). Ebenfalls sehr gute Ergebnisse mit einer Ansprechrate von fast 45 % zeigte auch die Substanz Dostarlimab bei fortgeschrittenem Endometriumkarzinom (MMRd). Die Ansprechdauer betrug hier bei über 90 % der Patientinnen über sechs Monate (GARNET-Studie [21]). Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass bei einem Ansprechen auf Immuntherapien dieses oft von beeindruckender Dauer ist. Das Nebenwirkungsspektrum von Immuntherapie unterscheidet sich naturgemäss von dem der Chemotherapien, mit einem entsprechenden Management zeigen sich die Therapie-Abbruchraten jedoch niedrig.

Leider ist die Anwendung dieser Substanzen auf sogenannte immunogene Tumore (dMMR, MSI-H) beschränkt, die maximal ein Drittel der Rezidiverkrankungen ausmachen. Der Bedarf nach weiteren Therapiemöglichkeiten ist daher evident. Klinische Studien mit neuen Substanzen und Kombinationen sind daher auf dem Weg. Erste Erfolge zeigte die Kombination von Pembrolizumab und Lenvatinib, einem oralen Multikinase-Inhibitor, beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom. Diese Kombination war einer palliativen Chemotherapie überlegen, und zwar auch bei nicht immunogenen Tumorrezidiven. Der Gesamtüberlebensvorteil betrug über sechs Monate (18.3 Monate versus 11.4 Monate). Diese Ergebnisse lassen hoffen, dass neue und innovative Therapieoptionen immer mehr Patientinnen zur ­Verfügung stehen [22].

Literatur

  1. Weinstein JN et al., Nat Genet. 2013 Oct. 45(10):1113–20
  2. Stelloo E et al., Clin Cancer Res 2016. 22(16): 4215–24
  3. Talhouk A et al., Br J Cancer 2015 Jul 14; 113(2):299–310
  4. Carlson J, McCluggage WG, Curr Opin Oncol 2019 Sep; 31(5):411–9
  5. DeLair DF et al., J Pathol 2017 Oct; 243(2):230–41
  6. Lax SF., Molecular Genetics of Endometrial Carcinoma, Hedrick Ellenson, Lora, Editor. 2017, Springer International Publishing: 75–96
  7. Talhouk A et al., Gynecol Oncol 2016; 143: p. 46–53
  8. Kommoss S et al., Ann Oncol 2018 May 1; 29(5):1180–8
  9. Brett MA et al., Int J Gynecol Pathol 2021 Mar 1; 40(2):116–23
  10. Wortman BG et al., Gynecol Oncol 2018 ; 151(1): p. 69–75
  11. León-Castillo A et al., J Clin Oncol 2020; 38(29): 3388–97
  12. Vermij L et al., Histopathology 2020. 76 (1)(1): 52–3
  13. Reijnen C et al., Gynecol Oncol 2019. 154 (1): 124-130.
  14. Marnitz S et al., Cancers (Basel) 2020 Sep 10;12(9):2577.
  15. Board, WHO Classification of Tumours Editorial, Female Genital Tumours, 2020
  16. Kim SR et al., Gynecol Oncol 2020 Jul; 158(1):3–11
  17. Travaglino A et al., Pathol Oncol Res 2020 Oct; 26(4):2067–73
  18. Travaglino A et al., Arch Gynecol Obstet 2020 May; 301(5):1117–25
  19. RAINBO, https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05255653
  20. Marabelle A et al., J Clin Oncol 2020 Jan 1; 38(1):1–10
  21. Oaknin A et al., J Immunother Cancer 2022 Jan; 10(1):e003777
  22. Makker V et al., N Engl J Med 2022 Feb 3; 386(5):437–48

Fazit

Vieles hat sich in kurzer Zeit beim Endometriumkarzinom getan. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass die molekulare Diagnostik auch beim Endometriumkarzinom eine grössere Bedeutung bekommt. Es darf darauf gehofft werden, dass wir mit dieser in der Lage sind, Risikopatientinnen besser zu identifizieren und gezielter zu behandeln, auf der anderen Seite aber auch, Übertherapien zu vermeiden.

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