FHA Persönlich

Oh Mann, Winnetou …

Natürlich habe ich als Kind Winnetou gelesen, obwohl mein Vater dies ähnlich übel fand wie Fix-und-Foxi-Hefte.

Mein Bruder – einige Jahre älter als ich – hatte jedoch die vollständige Sammlung, die er mir ausgeliehen hat.

Diese Bücher lieferten uns übrigens die Vorlage, wenn wir „Cowboy und Indianer“ spielten, was mit neuem Wording vermutlich in „nordamerikanischer Kuh­betreuer und indigene Opponenten“ umbenannt werden müsste. Der Einfachheit bleibe ich bei dem alten Ausdruck, ich glaube, Sie wissen, was gemeint ist.

Wir spielten es entweder in unserem Garten, in dem das Stallgebäude wahlweise Gefängnis, Saloon oder einfach Stall war, mein dickes Pony „Freddy“ gehörte zu den Statisten (manchmal willig, meistens nicht), und der Apfelbaum diente als Marterpfahl.

Irgendwie war völlig klar, dass die Indianer die Guten und die Cowboys die Bösen waren, ich wollte immer Indianer sein, dies allerdings nicht aus ethischen Gründen, sondern weil ich den aus bunten Federn bestehenden Kopfschmuck deutlich attraktiver fand als den Cowboyhut, der immer wieder von unserem verfressenen Pony angekaut wurde und etwas mitgenommen aussah. Ich musste meistens Cowboy sein.

Das war ungefähr im Jahr 1970, also eine Ewigkeit lange her. Trotzdem erinnerte ich mich sofort daran, als in diesem Jahr die Winnetou-Diskussion entbrannte.

Der Ravensburger Verlag nahm die zwei Begleit­bücher zum Kinderfilm „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Programm, nachdem dem Verlag Rassismus vorgeworfen worden war.

Das offizielle Statement lautete, „dass angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, hier ein romantisierendes Bild mit vielen Klischees gezeichnet wird.“

Na ja.

Gibt es denn wirklich gute Kinderbücher (… oder auch andere …), die ohne Klischees auskommen?

Eines meiner Lieblingsbücher war „Hanni und Nanni“, die in ihrem Internatsleben immer spannende Abenteuer erlebten, nie bestraft wurden und deren Geschichten IMMER ein Happy End hatten. Die Themen sind aber auch Mut, intelligentes Handeln und Humor.

Und Michel aus Lönneberga, der für seine lustigen Streiche IMMER im Toilettenhäuschen endete und dort Holztiere geschnitzt hat. Wer allerdings ein realistischeres Bild über die sozialen Probleme Schwedens anfangs des 20. Jahrhunderts sucht, sollte etwas anderes lesen. Verletzt es wirklich die Gefühle der Schweden und indigenen Amerikaner, wenn Kinder (… und Erwachsene!) sich deren Geschichte schönträumen?

Eine wichtige Rolle spielten schon 1970 bei unseren Spielen unsere Eltern, die in erster Linie sicherstellten, dass ich nicht wirklich skalpiert wurde und ich im Gegenzug dazu die zugegebenermassen eher stumpfen Pfeile meinem Bruder nicht ins Auge schoss, kurz, dass Blutvergiessen vermieden wurde und unser Hausarzt nicht durch gebrochene Arme oder Beine, zu nähende Fleischwunden oder ausgerenkte Gelenke unnötig belästigt wurde.

Darüber hinaus war aber auch eine wichtige Aufgabe, uns über die Unterschiede zwischen Realität und Spiel oder Fantasie aufzuklären, Spiele zuzulassen, aber beispielsweise das Mitnehmen von Pfeil und Bogen oder Revolver in die Schule zu untersagen.

Kurz – sie haben uns unseren Spass gelassen, haben aber die Linie zwischen Wirklichkeit und Traum gezogen. Ich glaube nicht, dass wir ethische Diskussionen über die Landenteignung der indigenen Völker geführt haben, das kam zeitlich viel später.

Also – in meinen Augen darf Winnetou nicht sterben.

Ebenso wenig wie Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf und die drei ???. Je nach Alter des Nachwuchses gehören aber vielleicht Erklärungen und Begleitung von erwachsener Seite zu den Büchern, Filmen, Spielen, so wie eigentlich immer.

Lassen wir doch den Kindern ihre Fantasie und Träume!

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen
loading