Auflösung Sonoquiz

Hydrocephalus bei konnataler Toxoplasmose

Obwohl das Indiz mit dem „Bauernhof“ die Aufgabe erleichtern sollte, haben wir in diesem Fall keine richtige Antwort erhalten. Das erstaunt uns etwas. Das Video ist eindrücklich und zeigt einige typische Befunde für eine konnatale, fetale Toxoplasmose­infektion.

Auffallend sind neben dem Hydrocephalus die hyperechogenen Foci in der Gehirnmatrix und diese periventrikulären Aufhellungen (Bild 1 A und Bilder 2 A–C). Auch in der Leber zeigten sich echogene Rundherde und als Hinweis eines entzündlichen Prozesses auch etwas Aszites perihepatisch (Bild 1 B).

Toxoplasmose wird durch den intrazellulären Parasiten Toxoplasma gondii verursacht. Die Seroprävalenz der Toxoplasmose wird in unseren Regionen auf 10–50 % beziffert. Gebiete mit verunreinigtem Wasser oder Boden oder auch in den Tropen wird eine Inzidenz von bis zu 80 % erwartet (1). Üblicherweise sind Katzen die Endwirte dieser Parasiten, die sich dort fortpflanzen und deren Eier mit dem Kot ausgeschieden werden. Wenn wir Menschen diese Eier als Zwischenwirte essen, z. B. durch befallene Früchte oder Gemüse, aber auch durch kontaminierten Katzenkot, so bleiben diese Parasiten nur einen begrenzten Zeitraum in uns (Bild 3). In gesunden, nicht-schwangeren Frauen ist eine Infektion in der Regel selbst-limitierend und verläuft in bis zu 90 % asymptomatisch (2). Bei Schwangeren und generell immun-inkompetenten Personen jedoch können sich diese Parasiten in zystenähnliche Strukturen umwandeln und grosse Schäden an allen Organen verursachen.

Die kongenitale Toxoplasmose kann verheerende ­Folgen für den Fetus haben, mit Schädigungen an Gehirn, Herz und Augen sowie mit schweren neurologischen Symptomen verbunden sein, mit typischen Befunden im Ultraschall (Tabelle 1). Je früher diese Infektion in der Schwangerschaft erfolgt, umso grösser die Auswirkungen für das Kind (Tabelle 2). Hinzu kommt, dass eine kongenitale Infektion auch nach der Geburt persistieren und sogar noch weiter aktiv sein kann, sodass postnatal beim Kind weitere schwere Schäden im Verlauf möglich sind.

Die durchgeführte Serologie bei der Abklärung unserer Patientin zeigte ein hohes IgG und IgM und eine tiefe Avidität. Die Avidität gibt die Bindungsstärke zwischen IgG-Antikörpern und dem entsprechenden Antigen an und erlaubt uns, den Zeitpunkt der Infektion etwas einzugrenzen. So weist eine niedrige Avidität darauf hin, dass die Infektion innerhalb der letzten Monate erfolgt sein muss. Während Toxoplasmose IgG nach einer durchgemachten Infektion in der Regel lebenslang positiv bleiben und von einer Immunität ausgegangen werden kann, können IgM noch bis zu 18 Monate nach einer akuten Infektion positiv sein.

Eine Amniocentese konnte bei unserer Patientin die Toxoplasmose-Infektion mittels PCR im Fruchtwasser nachweisen. Bei den folgenden Verlaufskontrollen war die Ventrikulomegalie progredient, was auch in der 3D-Darstellung eindrücklich war (Bild 2A). Im MRI wurde zusätzlich der Verdacht auf Migrationsstörungen wie Porenzephalie, diffuse Polymikrogyrie geäussert und auch ischämische Bereiche beschrieben (Bild 2C).

Aufgrund der schweren Schädigung und auch postnatal zu erwartenden progressiv sich verschlechternden Diagnose hat sich die Patientin für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden. In einer klinikinternen Ethikrunde wurde die Situation besprochen und – bei entsprechender Notlage – dem Wunsch der Patientin stattgeben. In der 30 2/7 Schwangerschaftswoche wurde nach Fetozid die Geburt mit Prostaglandinen eingeleitet. In der Plazentahistologie und Hirnautopsie wurden reichlich Tachyzoiten sowie Zysten von Toxoplasma gondii gefunden (Bild 4 und 5).

Dieser Fall zeigt, dass wir unsere Strategie bzgl. Screening für Toxoplasmose in der Schwangerschaft zumindest wieder einmal überdenken sollten. Unsere SGGG-Richtlinie von 2010 (3) bezieht sich auf das Eurotoxo-Projekt (4), das keinen Vorteil im Routine-Screening für Toxoplasmose zeigen konnte. Es gilt jedoch, schwangere Frauen auf entsprechende Massnahmen zur Prophylaxe hinzuweisen (Tabelle 3).

Generell wird ein Screening empfohlen, wenn es nach gängigen Standards wirtschaftlich sinnvoll (hohe Inzidenz der Erkrankung, schwerwiegendes Krankheitsbild) ist und eine Therapie angeboten werden kann. Die Therapie der Toxoplasmose ist umstritten und birgt auch gewissen Nebenwirkunge/Gefahren.

Sollten wir unsere Infektionsrichtlinien also wieder ändern oder zumindest anpassen? Ist die PCR-Dia­gnostik, deren insuffiziente Qualität auch als ein Argument gegen das Screening benutzt wurde, nun besser geworden? Eine kürzlich erschienene Studie über das Toxoplasmose-Screening in Frankreich hat gezeigt, dass Nicht-Screening kostspieliger ist als das Screen­ing (5)! Zumindest wenn man sich die Folgen und Kosten einer kongenitalen Toxoplasmoseinfektion auf die Lebensdauer anschaut. In Frankreich werden Frauen seit 1985 auf Toxoplasmose weiterhin bei der ersten Schwangerschaftskontrolle gescreent.

Bei unserer Patientin hätte man bei hohem Expositionsrisiko mehr darauf hinweisen sollen, dass die Prophylaxe hilfreich ist. Sicherlich hätte man in dieser Situation durch die Kontrolle der Toxoplasmoseserologie die Vigilanz steigern können. Aber wer denkt schon an eine Toxoplasmoseproblematik, wenn die ersten zwei Schwangerschaften in der gleichen Umgebung ausgetragen wurden!?

Man sagt, dass nach dem Paradigmenwechsel 2010 in der Schweiz die Inzidenz solcher schweren, fetalen Schädigungen durch den Parasiten offensichtlich nicht angestiegen ist. Uns ist aber keine systematische Untersuchung bekannt, welche das auch gezeigt hat.

Literatur

  1. Remington JS et al. 6th ed Philadelphia: Elsevier Saunders; 2006, 947
  2. Ahmed M et al. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2020 Dec; 255:44–50
  3. SGGG Expertenbrief No. 31 (https://www.sggg.ch)
  4. Boubaker K et al. Swiss Med Wkly. 2008 Dec 13; 138(49–50 Suppl 168):1–8
  5. Sawers L et al. PLoS One. 2022 Nov 4; 17(11):e0273781
  6. Bollani L. Front Pediatr. 2022 Jul 6; 10:894573

Besonderen Dank an Dr. med. Aart Mookhoek, Institut für Pathologie in Bern, für die bemerkenswerten Histologiebilder

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