Wussten Sie schon

Erweiterte Mundpflege reduziert Pneumonie Häufigkeit / M. Paget der Vulva mit Imiquimod behandelt / Neuseeland führend beim GDM Screen­ing / Simulationstraining steigert technische Fähigkeiten / En-do­metriose ein Risikofaktor für Rezidiv bei Tubo-Ovarialabzessen / RSV-Impfstoff in der Schwangerschaft / Endometriumzellen unterschei-den sich bei Endometriose / Dyspareunierate bei Primiparae verdoppelt / Höheres Alter des Mannes ­beeinflusst IVF-Erfolgsrate

… dass die Neuseeländer besser fahren mit ihrem GDM-Screeningkonzept?

(Crowther C et al., N Engl J Med 2022;387:587–98; DOI: 10.1056/NEJMoa2204091)?

Verglichen wurde das Outcome nach Diagnose Gestationsdiabetes (GDM) mit einem Screening, wie wir ihn kennen (nüchtern ≥5.1 mmol/l, 1 h ≥10.5 mmol/l,
2 h ≥8.5 mmol/l) versus einem Screen­ing mit höheren Blutzuckergrenzwerten (nüchtern ≥5.5 mmol/l und 2 h ≥9 mmol/l) beim 75 g oGTT (werden seit 2014 in Neuseeland gebraucht). Über 4000 Frauen wurden 1:1 randomisiert. Mit den HAPO-Kriterien stieg die Inzidenz von GDM um einen Faktor 2.5 an (von 6.1 % auf 15.3%), ohne dass damit die Rate an makrosomen Kindern reduziert oder das maternale Outcome verbessert wurde. Interventionen waren höher in der HAPO-Gruppe als in derjenigen mit strengeren Kriterien. Es wurden mehr neonatale Hypoglykämien in der HAPO-Gruppe gefunden.

Kommentar

Interessant. Auch in der CH hat die Diagnose GDM beinahe um einen Faktor 2 zugenommen seit der Einführung der neuen Richtlinie, welche auf den gleichen diagnostischen Kriterien basieren wie diese Studie. Eigentlich nicht verwunderlich. Auch die Amerikaner haben weniger GDM-Diagnosen, weil sie mit dem 100 g oGTT und strengeren Normwerten arbeiten. Es erstaunt mich, dass diese Studie es bis in dieses Journal geschafft hat. In Neuseeland ist es so, dass der Blutzucker bei den Kindern von Müttern mit GDM nach der Geburt kontrolliert wird. Darum ist es nicht verwunderlich, dass man hier mehr kindliche Hypoglykämien gefunden hat. Mit anderen Worten heisst das, dass in der „strengeren Gruppe“ einige Kinder mit Hypoglykämie wahrscheinlich verpasst worden sind. Bin gespannt, wie das Langzeitoutcome dieser Kinder sein wird.

Luigi Raio

… dass ein Impfstoff für das Respiratory syncytial virus (RSV) in der Schwangerschaft eine gute Chance hat, in nächster Zeit auf dem Markt zu kommen?

(Simoes EAF et al., N Engl J Med 2022; 386:1615–26. DOI: 10.1056/NEJMoa2106062)

Kommentar

RSV tötet weltweit 118 200 Kinder jährlich, meist in der Dritten Welt. Etwa 50 % sterben innerhalb der ersten sechs Lebensmonate. Die Inzidenz einer RSV-Pneumonie liegt bei 2000/100 000 Kindern. Somit stellt dieser Virus eine grosse Bedrohung dar und eine Impfung ist hoch willkommen. In dieser Phase-2b-Studie wurde ein neuer Impfstoff basierend auf dem bivalenten RSV prefusion F protein (RSVpreF) an gesunden Frauen im 3. Trimenon appliziert. Dabei ging es mehr um die Sicherheit und um die Frage nach transplazentarer Passage von RSV neutralisierenden Antikörper. Dabei wurden kaum nennenswerte Nebenwirkungen und eine gute Immunantwort gefunden. Die Idee der Impfung während der Schwangerschaft ist gleich wie bei Pertussis, Influenza oder Covid. Man impft das noch ungeborene Kind transplazentar passiv gegen Viren, welche in der neonatalen Phase grossen Schaden anrichten können. Ich hoffe sehr, dass auch für das/die CMV-Viren bald etwas auf den Markt kommen wird.

Luigi Raio

… dass sich bei Primiparae die Dyspareunierate im Vergleich zu präpartal postpartal nach 12 Monaten fast verdoppelt?

Eine schwedische Studie hat die Entwicklung der Sexualfunktion nach der ersten Geburt untersucht und herausgefunden, dass sich die Dyspareunierate von 18.2 % in der frühen Schwangerschaft zu 29.8 % 12 Monate postpartal steigert.

Als Risikofaktoren wurden hier ein höheres maternales Alter (>35 Jahre), ein zweitgradiger Dammriss sowie ein aktuell noch bestehendes Stillen determiniert (Dahlren H, Jansson MH, Franzen K, Hiyoshi Ayako, Nilsson K, Sexual function in primiparous women: a prospective study, International Urogynecology Journal (2022)33: 1567–82, doi: org/10.1007/s00192-021-05029-w)

Annette Kuhn

… dass ein M. Paget der Vulva erfolgreich mit Imiquimod ­behandelt werden kann?

In einer aktuellen Studie wurden 24 Patientinnen mit Imiquimod 5 % topisch 3× wöchentlich für insgesamt 16 Wochen behandelt. Es zeigte sich ein Therapieansprechen in über 80 % der Fälle, in etwas mehr als der Hälfte der Patientinnen konnte eine Komplett­remission beobachtet werden. Im Follow-Up-Zeitraum (Median 31 Monate) zeigte sich bei sechs der Patientinnen ein Rezidiv.

Kommentar

Imiquimod kann für Patientinnen mit M. Paget der Vulva eine echte therapeutische Alternative sein. Eine langfristige Betreuung mit regelmässiger Kolposkopie ist – genau wie nach chirurgischer Behandlung dringend erforderlich (Van der Linden M et al., AJOG 2022; 227[2]:250).

Martin Heubner

... dass ein höheres Alter des Mannes die IVF-Erfolgsrate stärker beeinflusst, als man gedacht hat?

In der vorliegenden Studie wurden 18 825 IVF- und ICSI-Frischzyklen der britischen Human Fertilisation and Embryo Authority (HFEA) analysiert.

Die Lebendgeburtsrate (LGR) nach Single Embryotransfer (SET) sank von 39,1 % bei Männern <35 Jahre (Kontrollgruppe) auf 23–25 % bei 40 bis >55 Jahre alten Männern (p <0.001). Allerdings galt das nicht bei jüngeren Frauen <35 Jahren: Männer <35 Jahre 41,9 % LGB, Männer 35 bis >55 Jahre 41,7 %. Dasselbe galt auch für die Untergruppe der Frauen 40–44 Jahre.

Nur in der Altersgruppe der Frauen 35–39 sank die LBG von 32,8 % (Männer <35 Jahre) auf 25–28 % (Männer >35 bis >55 Jahre) (Datta AK, Hum Reprod.2022, abstract, deac 106.090, ESHRE Jahreskongress).

Kommentar

Oozyten von jungen Frauen (<35 Jahre) scheinen den Alters­effekt der Spermien auszugleichen. Bei der in unserer Praxis dominierenden Gruppe von 35 bis 40 Jahren ist der Einfluss des Mannesalters statistisch hochsignifikant, klinisch aber nicht enorm.

Diese neuen Erkenntnisse gehören aber in ein Beratungsgespräch mit unseren Kinderwunschpaaren, wenn man über Erfolgschancen spricht.

Michael K. Hohl

... dass durch eine erweiterte Mundpflege im Spital erworbene Pneumonien reduziert werden können?

In einer 12-monatigen Studie in einem Tertiärzentrum mit 800 Betten wurden je eine medizinische und chirurgische Abteilung randomisiert zu erweiterter Mundpflege und verglichen mit Abteilungen mit „normaler Pflege“. In der Interventionsgruppe stieg die Mundpflege von 0,96 (Tag) auf 2,2 (Tag); die Intervention reduzierte die Pneumonie-Häufigkeit (künstlich beatmete Patienten waren ausgeschlossen) um 85 % (0,21 statt 1,41 Infektion pro/1000 Patienten). Die Odds Ratio für eine Pneumonie war in der Kontrollgruppe 7× höher (Giuliano, KK et al., Am. J. Nurs 2021; 121:24).

Kommentar

Eine an und für sich einfache Maßnahme mit wichtiger Auswirkung. Die Umsetzung ist sicher das Hauptproblem: 2- bis 3-mal täglich gründlich die Zähne putzen und den Mund mit Antiseptika spülen. Hat man Zeit dafür? Man sollte!

Michael K. Hohl

… dass ein Simulationstraining für gynäkologische Operationen die technischen Fähigkeiten der Operateure und Operateurinnen signifikant steigert und die Operationszeiten reduziert?

In einer systematischen Übersichtsarbeit wurden die Vor- und Nachteile von Simulationstrainings im Vergleich zu einer klassischen chirurgischen Weiterbildung in gynäkologischer Chirurgie analysiert. Als Simulationstraining wurden laparoskopische Simulatoren (Low- oder High-Fidelity), Tier-Modelle, Vaginalchirurgie-Simulatoren, Silikon-Modelle und andere standardisierte Übungsmodelle definiert. In die Review wurden 13 randomisierte kontrollierte Studien, 1 randomisierte Crossover-Studie, 5 nicht-randomisierte Vergleichsstudien und 1 Prä-Post-Studie eingeschlossen. Die meisten ­Studien (14/21, 67 %) betrafen laparoskopische Simulatoren. Im Vergleich zur herkömmlichen chirurgischen Weiterbildung führte eine Fortbildung mit High- und Low-Fidelity-Simulatoren zu nachweislich verbesserten intraoperativen chirurgischen technischen Fähigkeiten und das Üben mit High-Fidelity-Simulatoren verringerte die Operationszeiten signifikant [Orejuela FJ et al., https://doi.org/10.1016/j.ajog. 2022.01.031].

Kommentar

Diese Übersichtsarbeit zeigt eindeutig, dass es sinnvoll ist, Simulationstraining in die Weiterbildung zu integrieren. Das Einführen von GESEA I und II für das Erreichen des SIWF Facharzt- und Schwerpunkt-Titel sowie die regelmässige Organisation von gynäkologisch-operativen Blockkursen durch die Arbeitsgemeinschaft für Endoskopische Gynäkologie der SGGG gehen in diese Richtung.

Michael D. Mueller

… dass Endometriumzellen von Frauen mit Endometriose sich von den Endometriumzellen von Frauen ohne Endometriose unterscheiden?

Eine schweizerisch-australische Gruppe konnte nachweisen, dass Endometriumzellen von von Endo­metriose betroffenen Frauen andere Gene exprimieren, was möglicherweise zur Entwicklung eines schnellen und nicht-invasiven Endometriose-Tests führen könnte.

Auf der Suche nach möglichen Variationen in der Gebärmutterschleimhaut, die zur Entstehung von Endometriose führen könnten, charakterisierte das Forscherteam 33 758 Gewebeprobenzellen mittels Einzel-Zell-RNA-Sequenzierung. Diese moderne molekularbiologische Technik ermöglichte es den Forschenden, die Aktivität von mehreren tausend Genen in einer Zelle zu messen. Mithilfe der Computermodellierung konnten sie diese Ergebnisse mit den klinischen Befunden von Frauen mit Endometriose mit ­Studienteilnehmerinnen ohne Endometriose vergleichen. Dabei konnte eine Gruppe von Fibroblasten identifiziert werden, welche im Endometrium von Frauen mit Endometriose vorkommt, nicht aber bei Frauen ohne Endometriose [McKinnon B et al., Comm Biol (2022) 5:600].

Michael D. Mueller

… dass Endometriose ein Risikofaktor ist, um nach einer operativen Sanierung eines Tubo-Ovarial­abzesses ein Rezidiv zu machen?

In einer retrospektiven Kohortenanalyse wurden der postoperative Verlauf bei Frauen nach laparoskopischer Operation wegen Tubo-Ovarialabzess (= TOA) und mög­liche Ursachen für ein Rezidiv untersucht. Von den 98 Patientinnen hatten 21 (21,4 %) nach der Operation mindestens ein PID-Rezidiv. Nach multivariater Analyse konnte als eigenständiges Risiko für ein Rezidiv nur die Endometriose identifiziert werden (OR [95 % KI]: 9,62 [1,931; 47,924], p < 0,01). In Bezug auf den Zeitpunkt des Wiederauftretens des Infektes nach der initialen Operation konnten zwei unterschiedliche Rezidiv-Clusters be­­obachtet werden. Patientinnen mit frühem Rezidiv (≤45 Tage nach der initialen TOA-Operation) mussten noch ein- bis max. zweimal operiert werden. Dagegen mussten Patientinnen mit einem Spätrezidiv (>45 Tage nach TOA-Operation) drei oder mehr zusätzliche Eingriffe bis zur Heilung durchführen lassen [Zografou M et al., Arch Gynecol Obstet. https://doi.org/ 10.1007/s00404-022-06743-6].

Kommentar

Endometriose ist ein signifikanter Risikofaktor für das Wiederauftreten einer PID nach einer TOA-Operation. Deshalb sollte die post­operative Nachsorge bei diesen Patientinnen häufiger und über eine längere Zeit (>50 Tage) stattfinden.

Michael D. Mueller

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