Für Sie kommentiert

Präferenz der Transmänner für gynäkologische Untersuchungen / Wie überleben Eizellen über Jahrzehnte ohne Schaden? / Folsäureprävention: richtig verstanden und umgesetzt? / Sectio-Nischenresektion und Myo-metrium­dicke / Sonographische Beurteilung des postmenopausalen Endometriums / Demenz nach hypertensiven Schwangerschaftskompli-kationen / Sentinellymphknoten oder vollständige Lymphadenektomie

Welche Präferenz haben Transmänner für gynäkologische Untersuchungen?

Wir haben in unserer eigenen kürzlichen Publikation auf die Wichtigkeit regelmässiger Untersuchungen auch bei Transmännern hingewiesen (Mohr S, Gygax LN, Imboden S, Mueller MD, Kuhn A. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2021 May; 260:177–82).

Wie ist das jetzt aber mit der Präferenz für diese Untersuchungen – möchten Transmänner eher von einer Frau oder einem Mann oder weder noch untersucht ­werden?

Die hier zitierte Studie analysiert diese Fragestellung.

Diese kürzlich publizierte Studie hat prospektiv untersucht, welche Wahl Transmänner, die eine gynäkologisch-geburtshilfliche Untersuchung planen, treffen würden und hat für diesen Zweck 102 Transmänner befragt.

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es für die meisten Transmänner keine Rolle spielt, welches Geschlecht der oder die UntersucherIn hat.

Abb. 1.Bevorzugung männlicher-weiblicher Personen für gynäkologische Untersuchungen bei Transmännern

Nur 3 % der Transmänner bevorzugen einen Mann, den meisten ist es egal, welches Geschlecht der/die UntersucherIn hat.

Bei Interventionen ging die Präferenz in dieser Studie zu weiblichen Personen hin.

Abb. 2.Bevorzugung männlich-weibliche Person bei Transmännern für nicht invasive und invasive Eingriffe

Kommentar

Diese israelische Studie ist meines Wissens die erste Untersuchung, die diese Fragestellung untersucht hat und muss auch dementsprechend gewürdigt werden.

Bemerkenswerterweise geben in dieser Studie 92 % an, vor einem Besuch beim/bei der GynäkologIn Angst zu haben, speziell 86 % vor der gynäkologischen Untersuchung – die Ängste betreffen auch die Wartesituation im Wartezimmer mit Cis-Frauen, die Angst, mit dem falschen Pronomen angesprochen zu werden, was die Gender-Dysphorie verstärken kann. Aus diesen Daten können wir als Fachpersonen lernen, wie wichtig der bewusste Umgang mit Sprechstundensituationen ist.

Als Kritikpunkt an dieser Studie befinde ich, dass es lediglich eine Studie aus zwei Zentren war, in denen möglicherweise eine bereits lange bestehende Arzt-/­Ärztin-PatientIn Beziehung eine Rolle spielt, und dass die Transmänner in den verschiedenen Stadien der Transition waren, was ebenfalls die Wahl der Fachpersonen beeinflussen mag. Schade, dass in die Beurteilung nicht eine grössere Bandbreite des Genders in die Analyse eingegangen ist, sondern – sehr klassisch! – nur Männer-Frauen!

Als wichtigstes Resumee dieser Studie dürfen wir mitnehmen, dass es den meisten egal ist, welches Geschlecht der/die UntersucherIn hat, solange er/sie kompetent und empathisch ist (Lifshitz D et al., Israel Journal of Health Policy Research 2022; 11:12.

Annette Kuhn

Demenz nach hypertensiven Schwangerschafts­komplikationen

Hypertensive Schwangerschaftskomplikationen (HSK) wie Gestationshypertonie, Präeklampsie und Eklampsie sind offenbar auch mit einem höheren Risiko für Demenz assoziiert. Dies wurde in der diesjährigen AAIC (Alzheimer’s Association International Conference) von einer Arbeitsgruppe aus der Universität Utah berichtet.

Für diese Studie wurden Frauen, welche zwischen 1939 und 2019 geboren und eine hypertensive Komplikation erlitten hatten (n = 19 989) – in einem Verhältnis von 1:2 –, mit Frauen ohne eine solche Problematik (n = 39 679) verglichen. In der Studiengruppe hatten 3,5 % eine Eklampsie, 62 % eine Präeklampsie und 34 % eine Gestationshypertonie. 4 % dieser Frauen entwickelten eine Demenz, davon 24 % Alzheimer, 70 % eine unspezifische Form und 6 % eine vaskuläre Demenz. Das Risiko einer vaskulären Demenz war signifikant höher in der Gruppe mit Präeklampsie/Eklampsie (HR 1.58, 95 % CI 1.11–2.24, p = 0.011) und weniger bei Gestationshypertonie (HR 2.75, 95 % CI 0.90–8.40, p = 0.077). Das Risiko, an irgendeiner Form einer Demenz zu erkranken, war in der Studiengruppe ebenfalls höher (HR 1.38, 95 % CI 1.26–1.50 und HR 1.36. 95 % CI 1.03–1.79).

Es ist nicht verwunderlich, dass v. a. die vaskuläre Demenz mit solchen hypertensiven Komplikationen in einer früheren Schwangerschaft überrepräsentiert ist. Die Studie konnte zeigen, dass bis 61 % des Demenz-Risikos im Studienkollektiv durch eine höhere Inzidenz von Herzinfarkt, koronare Krankheiten, Herz­insuffizienz, Hirnschlag, Nierenkrankheiten, Diabetes, Hypertonie und Depression erklärbar ist. Das sind alles Komplikationen, welchen diese Frauen mit Zustand nach hypertensiven Komplikationen in den Schwangerschaften im späten Leben ausgesetzt sein können.

Auch diese Studie zeigt, dass die geburtshilfliche Anam­nese eine wichtige Informationsquelle ist für die zukünftige Gesundheitsförderung und -erhaltung insbesondere bei Frauen mit komplexer geburtshilflicher Vorgeschichte.

Literatur

Schliep K et al.: „What subtypes are driving the association between hypertensive disorders of pregnancy and dementia? Findings from an 80-year retrospective cohort study“, AAIC 2022; Abstract 62343

Luigi Raio

Wird die Folsäureprävention tatsächlich richtig ­verstanden und umgesetzt?

Ich bin vor kurzem über eine Studie [1] gestolpert, welche zeigen konnte, dass eine präkonzeptionelle Folsäuresubstitution mit 400 mcg tgl. das Risiko für kongenitale Herzfehler signifikant senkt. Dieser protektive Effekt war grösser, je höher die Folsäurekonzentration in den Erythrozyten war. Das war eine Fall-Kontrollstudie mit einer 1:4-Randomisierung. 197 Frauen mit einer Anamnese eines Kindes mit Herzfehler in der Vorgeschichte wurden 788 Kontrollen gegenübergestellt. Interessant dabei war, dass 1.) die Fälle einen niedrigeren Folsäurespiegel aufwiesen als die Kontrollen und 2.) tatsächlich eine Reduktion von angeborenen Herzfehlern nach präkonzeptioneller Folsäuresupplementation verzeichnet wurde. Das erstaunt mich eigentlich nicht, da bereits seit Langem bekannt ist, dass die präkonzeptionelle Verabreichung von Folsäure neben den Neuralrohrdefekten [2] auch die Inzidenz anderer Fehlbildungen wie Hirnfehlbildungen, Harntraktanomalien, Gesichtsspalten, Bauchwand­defekte und auch Extremitätenfehlbildungen zu senken vermag. Ja, wieso habe ich mich entschlossen, diese Studie zu kommentieren? In der Schweiz ist das ja kein Problem und man hat eher den Eindruck, dass die Frauen nur so bombardiert werden mit diesen Wundermitteln, welche wir Multivitaminpräparate nennen. Die meisten haben ja Folsäure drin in der empfohlenen Dosierung von 0.4 mg tgl. Andere Anbieter wähnen sich, gar Präparate mit 0.8 mg oder 1 mg zu verkaufen. Nun, was mich stutzig gemacht hat, war die Tatsache, dass nur 29,1 % der Frauen – trotz empfohlener präkonzeptioneller Substitution – eine suffiziente Folatkonzentration in den Erythrozyten hatten. Das war sogar geringer als in der Kontrollgruppe, wo 38,5 % der Frauen einen Wert ≥ 906 nmol/l aufwiesen. Diese 906 nmol/l entsprechen der von der WHO empfohlenen Folsäurekonzentration zur Prävention von Neuralrohrdefekten [3]. Wie ist das möglich? Diese Studie ist sauber geführt und es waren motivierte Frauen eingebunden in ein case-control Setting! Wie der Zufall es so will, bin ich auf eine Arbeit von Nicolas Wald gestossen, welcher etwas über den geschichtlichen Hintergrund seiner bahnbrechenden Studie von 1991 [2] über den protektiven Effekt der Folsäure zur Prävention von Neuralrohr­defekten berichtet [4]. Ich empfehle allen, diese Arbeit zu lesen. Sie kann als PDF von der Homepage der FHA (https://frauenheilkunde-aktuell.ch) runtergeladen werden. Herr Wald gibt viele Einblicke in die ­sozialen, politischen und wissenschaftlichen Implikationen, was die Einführung von präventiven Mass­nahmen zur ­Senkung von ernsthaften Krankheiten anbelangt. Er schildert sehr detailliert seine Schwierigkeiten in der Durchführung der Studie und in der Umsetzung der Resultate weltweit. Der zitierte Abschnitt bringt diese Frustration, welche er nach all den Jahren immer noch verspürt, am besten rüber: “In any risk assessment all the evidence must be examined, but when there is human evidence available, as there is with folic acid, this should take precedence over other evidence …, and speculation should not be accepted as evidence. The assessment must recognise that the ­withholding of a benefit is a harm and that the consequences of having a preventable NTD pregnancy, stillbirth or a child with spina bifida is costly in both human and financial terms.”

Dieses Zitat zeigt m. E. fühlbar, dass die Umsetzung der Erkenntnis, dass ein simples und billiges Vitamin ernsthafte Fehlbildungen und grosses Leid signifikant zu senken vermag, offenbar nicht ganz einfach war und weiterhin ist. Herr Wald setzt das Vorenthalten einer präkonzeptionellen Folsäureprophylaxe praktisch einem Kunstfehler gleich. Interessanterweise wurde in der berühmten MRC Vitamin Study [2], welche die Effektivität der Folsäure in der Reduktion der Inzidenz von Neuralrohrdefekten deutlich zeigen konnte, 4 mg Folsäure täglich verwendet. Wieso wir heute 0,4 mg empfehlen, ist eine Geschichte für sich und schon nur deswegen lohnt es sich, das empfohlene Paper [4] zu lesen!

Ich habe vor knapp zehn Jahren an einer kleinen, aber feinen Studie aus dem Raume Thurgau teilgenommen [5]. Dabei ging es darum aufzuzeigen, wie sich das Verhalten der Frauen – was die Folsäureprävention anbelangt – in einer Zeitspanne von zehn Jahren gewandelt hat. Es wurden 287 Frauen, welche im Jahr 2000 ­geboren hatten, mit 305 aus dem Jahr 2009 mittels Fragebogen interviewt. Die präkonzeptionelle Fol­säureprävention nahm von 27,5 % auf 40,7 % zu. Eine signifikante Zunahme war aber nur bei den deutschsprachigen Frauen und bei den Mehrparae zu verzeichnen. Bei den fremdsprachigen Frauen lag die Rate derjenigen, welche Folsäure zu sich nahmen, bei lediglich 21 % ohne Veränderung im Verlauf, und bei den fremdsprachigen Primiparae bei gar nur 6,1 %.

Ich verstehe die Frustration von Nicolas Wald sehr gut!

Literaturangaben

  1. Hongyan Chen et al., Ann Intern Med. doi: 10.7326/M22-0741
  2. Wald NJ et al., Lancet 1991; 338: 131–137
  3. World Health Organization. who.int/iris/bitstream/handle/10665/161988/9789241549042_eng.pdf on 14 January 2020
  4. Wald NJ., Med Screen 2022, 29(3) 138–46
  5. Grosskopf AU et al., Z Geburtshilfe Neonatol. 2014; 218(4):149–52

Luigi Raio

Wie überleben Eizellen über Jahrzehnte ohne Schaden?

Alle menschlichen Oozyten werden während der Fetalperiode gebildet und bleiben bis zu 50 Jahren lang im Ovar ruhend. Trotz zum Teil sehr langer Ruhezeit bleiben Oozyten aber befruchtbar und führen zu neuem Leben.

Während dieser Ruhephase verbleiben Oozyten aber metabolisch aktiv, das heißt die Mitochondrien unterstützen die Synthese von essenziellen Biomolekülen. Gleichzeitig sind die Mitochondrien der Hauptproduzent von ROS (Reactive Oxygen Species), welche in höherer Konzentration zu DNA-Mutationen führen und zytotoxisch sind. Erhöhte ROS-Konzentrationen führen zu Apoptose und verhindern die Entwicklungsfähigkeit von Oozyten und Embryos.

Mittels ausgeklügelten Experimenten an Oozyten von Menschen und Fröschen (Xenopus hat ebenfalls lange Ruhezeiten ihrer Oozyten) wurde gezeigt, wie Oozyten die Entstehung von ROS verhindern. Live-imaging-Bilder demonstrierten ein völliges Fehlen von ROS bei Oozyten bei Xenopus, nicht jedoch in den umgebenden Granulosazellen (Abb. 1).

In Mitochondrien gibt es fünf Komponenten (I–V), in denen die chemischen Reaktionen stattfinden ,um Energie in der Zelle zu erzeugen. Die Forschenden hemmten experimentell alle fünf Komponenten in Xenopus-Oozyten und stellten fest, dass alle Oozyten im Früh-und Spätstadium abstarben, wenn Komplex II–V inaktiviert wurden, nicht aber bei Komplex I. Das bedeutet, dass Komplex I in dieser Entwicklungsphase nicht aktiv ist.

Als nächstes wiesen sie nach, dass Komplex I in frühen Oozyten nicht oder nur in geringsten Mengen nachgewiesen werden konnte. Außerdem zeigte sich, dass ROS-Spezies anstieg, sobald Komplex I gebildet wurde.

Daraus folgerten sie ,dass Komplex I den Oozyten im frühen (Ruhe-)Stadium fehlt und so die Akkumulation von ROS verhindert und derart Oozyten vor Schäden geschützt und ihre reproduktive Kapazität über Jahrzehnte erhalten bleibt (Rodriguez-Nuero, A. et al., Nature 2022; 607:756).

Kommentar

Die Autorinnen interpretieren die Suppression von Komplex I in den oozytären Mitochondrien als evolutionäre Strategie für Langlebigkeit bei gleichzeitiger Erhaltung der biologischen Aktivität. Quasi Stellen der Batterien in „stand-by mode“. Die vorliegenden Ergebnisse geben Anlass für weitere experimentelle Vorstöße: Gibt es einen Zusammenhang bei Frauen mit prämaturer Ova­rialinsuffizienz?

Onkologischer Gesichtspunkt: Es gibt Komplex-I-Hemmer, die onkologisch aktiv sind und unter Umständen bei jungen Frauen bei Krebsbehandlungen in Frage kämen, weil dadurch gleichzeitig die Fertilität protektiert werden könnte.

Michael K. Hohl

Sectio-Nischenresektion und Myometriumdicke in der Folgeschwangerschaft

Das Phänomen der Nischenbildung im unteren Uterinsegment nach Sectio wird zunehmend beobachtet. Auch die operative Sanierung wird immer häufiger durchgeführt. Daten zum Outcome, insbesondere hinsichtlich einer erneuten Schwangerschaft, sind rar.

In einer prospektiven Studie wurden nun 100 Patientinnen mit Nischenbildung nach Sectio caesarea untersucht. Eine Gruppe von Frauen erhielt eine Nischen­resektion bei einer residuellen Myometriumdicke von <3 mm und Beschwerden. Diese wurde laparoskopisch (mit hysteroskopischer Assistenz) durchgeführt (laparoscopic niche repair LNR). In der zweiten Gruppe wurden Patientinnen mit einer asymptomatischen Nischenbildung mit ≥3 mm residueller Myome­triumdicke beobachtet. Nach Eintreten einer erneuten Schwangerschaft erfolgte die transvaginale Sonographie bei 12, 20 und 30 Schwangerschaftswochen. In der Gruppe nach LNR war das Myometrium in der 30. SSW durchschnittlich 2 mm dicker als beim Basisschall (vor Operation). In der Kontrollgruppe nahm die Dicke des Myometriums in der gleichen Zeit um 1,6 mm ab. In keiner Gruppe wurde eine Uterusruptur beobachtet, in beiden Gruppen erfolgte in >90 % eine geplante Re-Sectio. Intraoperativ wurde eine Dehiszenz in der Kontrollgruppe häufiger (19 %) beobachtet als in der Gruppe nach LNR (2%). Der intraoperative Blutverlust war nach LNR höher, in 20 % wurde ein Blutverlust >1000 ml beobachtet. Das neonatale ­Outcome der Kinder war vergleichbar.

Kommentar

Nach wie vor ist der Stellenwert einer operativen Sanierung einer Nische nach Sectio caesarea unklar, vor allem hinsichtlich einer erneuten Schwangerschaft. Offenbar ist der Effekt einer Operation auf die Myometriumdicke signifikant und anhaltend über die gesamte Schwangerschaft nachweisbar. Eine Ruptur wurde zwar in keiner der Gruppen beobachtet, ohne stattgehabte OP allerdings deutlich häufiger Dehiszenzen. Es stellt sich die Frage, ob für den Nachweis eines Rupturrisikos eine deutlich höhere Fallzahl erforderlich wäre. Kritisch stimmt die Beobachtung der vermehrten Hämorrhagien nach LNR, die für die Patientinnen natürlich hoch relevant sind. Dieser Effekt wurde in dieser Publikation erstmals beschrieben. Nach wie vor muss die Entscheidung für eine LNR individuell gefällt werden (Jordan IPM et al., AJOG 2022, Jul 13, in press).

Martin Heubner

Sonographische Beurteilung des postmenopausalen Endometriums

Der Nutzen der Sonographie zur Endometriumbeurteilung bei asymptomatischen postmenopausalen Frauen wird kontrovers diskutiert. In einer Analyse von 18 Studien mit über 10 000 Frauen wurde nun der Stellenwert der sonographisch gemessenen Endometriumdicke untersucht. Ein Cut-off-Wert von 3 mm resultierte bereits in einem etwa 3-fach erhöhtem Risiko für eine atypische Endometriumhyperplasie (AEH) und ein Endometriumkarzinom (EC). Höhere Cut-off-Werte zeigten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des relativen Risikos. Die Sensi­tivität für AEH und EC sank bei höheren Cut-off-Werten, während die Spezifität anstieg, was leicht nachzuvollziehen ist. Ein günstiges Verhältnis zeigten Cut-off-Werte zwischen 3.0 und 5.9 mm sowie zwischen 10.0 und 13.9 mm, mit einem leichten Sensitivitätsvorteil für den niedrigeren Cut-off-Wert.

Kommentar

Cut-off-Werte können sinnvoll sein, entscheidend sollten aber das sonographische (Homogenitiät, Vaskularisation etc.) und das klinische Gesamtbild bei der Beurteilung sein. Nach wie vor wird das Ultraschallscreening asymptomatischer Frauen zur Früherkennung nicht empfohlen (Vitale SG et al., AJOG 2022, Aug 03, in press).

Martin Heubner

Langzeitergebnisse nach Sentinellymphknoten (= SNL) alleine im Vergleich zur klassischen vollständigen Lymphadenektomie

In einer umfassenden multizentrischen italienisch-schweizerischen Studie wurde die Langzeitüberlebensrate von Patientinnen untersucht, die zwischen 2006 und 2016 an einem Endometriumkarzinom erkrankten. 940 Patientinnen konnten in die Studie eingeschlossen werden und wurden retrospektiv in drei Gruppen eingeteilt, je nach Methode, die bei der ini­tialen Operation angewandt wurde:

1) 174 (18,5 %) Patientinnen hatten eine alleinige SNL, gefolgt von einer pelvinen und paraaortalen Lymphadenektomie, nur wenn die SNL positiv war.

2) 187 (19,9 %) hatten eine SNL gefolgt von einer vollständigen systematischen Lymphadenektomie (= Backup LND).

3) 579 (61,6 %) Patientinnen hatten eine systematische Lymphadenektomie ohne vorherige SNL (LND).

Unter Anwendung eines Propensity-Score-Matching-Algorithmus (1:1:2) wurden 500 Patientinnen für den Vergleich der verschiedenen Methoden selektioniert: 125 SNL, 125 SNL/Backup-LND und 250 LND. Die Baseline-Charakteristika der Studienpopulation waren in allen Gruppen vergleichbar.

Die Prävalenz von positiven Lymphknoten betrug 14 % in der SNL-Gruppe, 16 % in der SNL/Backup-LND und 12 % in der LND-Gruppe. Insgesamt wurde bei 19 (7,6 %) Patientinnen ein Low-Volume-Lymphknotenbefall diagnostiziert. Zwischen den drei verschiedenen Techniken konnte statistisch weder beim krankheitsfreien Überleben (p = 0,750) noch beim Gesamtüberleben (p = 0,899) ein Unterschied festgestellt werden. Auch nach Stratifizierung entsprechend den histologischen Risikogruppen konnte kein Unterschied im onkologischen Follow-up zwischen den Techniken festgestellt werden. Die Schlussfolgerung der Studie war, dass die onkologischen Langzeit-Ergebnisse nach SNL gleich sind wie nach LND (Bogani G et al., Gynecol Oncol [2022], doi.org/­10.1016/j.ygyno.2022.06.007).

Kommentar

Das Endometriumkarzinom ist das häufigste gynäkologische Karzinom. Die Prognose, insbesondere bei Frühstadien, ist im Allgemeinen gut. Eine adäquate Therapie muss ein optimales Gleichgewicht zwischen chirurgischer Morbidität, Langzeitüberleben und Rezidivrate anstreben. In diesem Sinne hat sich in den letzten Jahren das Konzept der SNL zunehmend durchgesetzt und wurde in den Richtlinien integriert. Bis anhin fehlten aber Langzeitresultate der Methode. Die Studie zeigt, dass sich das durchschnittliche Langzeitüberleben der drei Patientinnen-Gruppen nicht unterscheidet, was beweist, dass die Sentinel-Lymphadenektomie eine verlässliche Diagnose des Krankheitsverlaufs und damit der Therapiefindung zulässt. Eine zusätzliche prophylaktische Entfernung nicht-befallener Lymphknoten hat keinen Einfluss auf die durchschnittliche Langzeit-Überlebenschance der Patientinnen. Durch das Ultrastaging der Sentinel-Lymphknoten werden zusätzlich häufiger Patientinnen mit isoliertem Tumorzellen-Befall der Lymphknoten (= Nachweis von einzelnen Tumorzellen oder Tumorzellkomplexen von <0,2 mm Gesamtausdehnung) und Befall der Lymphknoten mit Mikrometastasen (= histologischer Nachweis von Tumorzellen im Lymphknoten von ≥0,2 mm, aber nicht größer als 0,2 cm) erkannt. Inwiefern dies auch prognostisch wichtig ist (bei den Mikrometastasen sicher), wird sich in prospektiven Studien zeigen.

Michael D. Mueller

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