90 Covid-Impfungen! / „Pickle Juice“ bei Muskelkrämpfen / Anaerobe Kokken und Harnwegsinfektionen / Loop-Exzision hat höhere Detekti-onsrate / Turner-Syndrom in der Schwangerschaft erhöht kardiovaskulä-res Risiko / Kinder-Sterblichkeit in den USA / Haarprodukte senken SHBG / Thromboembolieprophylaxe nach laparaskopischer Hysterekto-mie / Topische Progesterontherapie überlegen bei Lichen sclerosus / Ba-riatrische Chirurgie assoziiert mit niedrigerem Krebsrisiko
Ein 60-jähriger Mann wurde in einem Impfzentrum in Magdeburg von der Polizei festgenommen, weil Verdacht geschöpft wurde, da er an zwei aufeinanderfolgenden Tagen dort erschienen war. Es wurden zahlreiche gefälschte Impfausweise konfisziert.
Der Mann soll 90 Impfdosen (verschiedene Produkte) erhalten haben und wird verdächtigt, die Impfausweise verkauft zu haben (AP-news 03.04.2022).
Kommentar
Der Mann befand sich offenbar in bester Gesundheit und ob er durch die vielen Impfungen medizinische Schäden erlitten haben soll, wird noch abgeklärt. Interessante News für Impfgegner!
Michael K. Hohl
Die Wirkung von „Pickle juice“ (Flüssigkeit der eingemachten Gurkenlake) wurde prospektiv randomisiert bei Patienten mit Leberzirrhose, die sehr häufig an Muskelkrämpfen leiden (diese dauern manchmal Stunden und können meist nur ungenügend therapiert werden), getestet im PICCLES-Trial mit 74 Erwachsenen (56,6 Jahre alt) die mindestens 4× Krämpfe im vorangehenden Monat erlitten hatten. 54 % waren Männer, 41 % hatten Aszites. Die Probanden hatten 11–12× Krämpfe pro Monat mit einer durchschnittlichen VAS von mehr als 4 (Visual Analog Scale).
69 % der Krämpfe stoppten in der Therapiegruppe (auch 40 % in der Kontrollgruppe, die einen Teelöffel Wasser einnahmen). Die Schwere der Krämpfe war statistisch signifikant geringer in der Therapiegruppe (VAS 0,36 vs. 2,25, p = 0,03) (Tapper E.B et al., Am J. Gastroenterol, 2022; doi: 10:14309/ajg.00000000001781).
Kommentar
In einer Studie mit experimentell erzeugten Muskelkrämpfen bei dehydrierten Männern war nur der „Pickle juice“ wirksam und nicht die rasche Wiederherstellung des verlorenen Flüssigkeitsvolumens mit Elektrolytlösung (Med. Sci Sports Exerc. 2010; 42:953).
Man vermutet, dass die rasche Wirkung des Gurkensafts auf einen neural vermittelten Reflex der oropharyngealen Region das Feuern von Alpha-Motoneuronen des krampfenden Muskels hemmt.
Offenbar kommt „Pickle juice“ bei Sportlern öfters zum Einsatz.
Michael K. Hohl
Anaerobe Kokken zeigen sich in etwa 7 % als Ursache von Harnwegsinfektionen, können aber mit herkömmlichen Kulturen oft nicht nachgewiesen werden.
Insbesondere bei Risikopatientinnen – Immunsupprimierte, Diabetika – kann hier eine weiterführende Diagnostik notwendig und sinnvoll sein. Enhanced quantitative urine culture (EQUC) kann hier bessere Resultate geben, bei der verschiedene Nährböden beimpft, unter anaeroben und aeroben Bedingungen bebrütet werden und die Bebrütungszeit verlängert wird.
Andere neue Methoden wie beispielsweise 16S rRNA gene sequencing, qualitative PCR und Next Generation Sequencing können ebenfalls erwogen werden. Anaerobic cocci wie Peptoniphilus, Parvimonas, Anaerococcus und Finegoldia spp. wurden bei Patientinnen mit Bakteriämie mit Ursprung im Harntrakt nachgewiesen. Dieser Review beleuchtet die Wertigkeit dieser neuen Nachweismethoden (Boyanova L. et al., 2022 Jan 4; 102509. doi: 10.1016/j.anaerobe.2021.102509).
Annette Kuhn
Gustafson LW et al BJOG 2022, April 29 online
Kommentar
Endozervikale Veränderungen sind bei TZ 3 die Herausforderung, das Ergebnis dieser Studie überrascht daher wenig. Die Praxis der Vorstellung in spezialisierten Sprechstunden ist sehr sinnvoll.
Martin Heubner
Cauldwell M et al., BJOG 2022, 129(7): 796–803
Kommentar
Das Risiko für ernsthafte kardiovaskuläre Komplikationen wie Aortendissektionen ist signifikant erhöht. Einer kardiologischen Mitbetreuung kommt daher eine grosse Bedeutung zu.
Martin Heubner
Cunningham RM et al., N Engl J Med 2018; 379:2468–75
Kommentar
Ich glaube, dass die Graphik alles sagt. In der Altersgruppe zwischen einem und 19 Jahren ist die Rate an Todesfällen assoziiert mit Schusswaffen um 29.5 % angestiegen, d. h. beinahe doppelt so hoch wie in der allgemeinen Bevölkerung. Traurig!
Luigi Raio
Rivera-Núnez Z et al. Environ Res Vol 206, 2022, 112376
Kommentar
Das ist eine sehr interessante Studie, welche systematisch den Einfluss von Kosmetika in der Schwangerschaft untersucht hat. Dabei bewirken v. a. Haarprodukte wie Sprays, Bleich- oder Färbemittel, Haarglätter oder Styling Mousse einen signifikanten Abfall der Sexualhormone SHBG, Progesteron, Testosteron und auch Veränderungen von Schilddrüsenhormonen. Eine ähnliche Wirkung auf die Schilddrüsenachse zeigten auch Parfüms. Diese Veränderungen waren aber nur von labortechnischer Relevanz. Es wurden keine Informationen zu klinischen Implikationen publiziert. Es gibt aber Hinweise, dass z. B. Haarfärbemittel mit einem erhöhten Risiko von Plazentainsuffizienz assoziiert zu sein scheinen.
Luigi Raio
In einer retrospektiven Kohorten-Studie über 22 007 Patientinnen wurde untersucht, ob bei Patientinnen mit einer „minimal-invasiven“ Hysterektomie wegen gutartiger Indikation zusätzlich zu einer standardisierten mechanischen Thromboembolie-Prophylaxe (= VTE) eine pharmakologische Prophylaxe das Outcome der Patientinnen verbessert.
Bei einer insgesamt sehr tiefen VTE-Rate führte die zusätzliche perioperative pharmakologische VTE-Prophylaxe zu längeren Operationszeiten und einem höheren Blutverlust. Bei den anderen untersuchten perioperativen Faktoren konnte kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden, sodass die Autoren zum Schluss kamen, dass bei Patientinnen, die sich einer gutartigen minimal-invasiven Hysterektomie unterziehen, eine individualisierte und nicht eine routinemäßige zusätzliche pharmakologische VTE-Prophylaxe durchgeführt werden sollte (Travieso J et al., JMIG 2022; 29:776−83).
Michael D. Mueller
In einer randomisierten (Verhältnis 1:1), doppelblinden, 2-armigen, monozentrischen Überlegenheitsstudie wurde bei 37 prämenopausalen Frauen mit histologisch bestätigtem vulvärem LS untersucht, ob eine topische Therapie mit einer Progesteron-8%-Salbe besser als eine topische Standardtherapie mit Clobetasolpropionat-0,05%-Salbe ist. Der primäre Endpunkt war die Schwere des klinischen LS-Scores, bestehend aus sechs von der Ärztin bzw. vom Arzt beurteilten klinischen Merkmale. Sekundäre Endpunkte waren: Schwere der Symptome entsprechend LS-Score (bestehend aus drei von der Patientin bewerteten Symptomen), Punktezahl einer Kurzform des SF-12 (körperliche und geistige Gesundheit) sowie aufgetretene Nebenwirkungen. Das Ansprechen auf die Medikation wurde zusätzlich durch Biopsien mit histologischer Beurteilung der Entzündungsparameter am Ende der zu bewertenden Behandlung beurteilt.
Nach 12 Wochen Therapie verbesserten sich die mittleren klinischen LS-Scores von 4,6 auf 4,5 im Progesteron-Arm und von 4,6 auf 2,9 im Clobetasolpropionat-Arm (Unterschied zugunsten von Clobetasol 1,61; p = 0,009). Die mittlere Schwere der Symptome entsprechend LS-Scores verbesserte sich von 4,5 auf 3,1 in der Progesteron-Gruppe und von 4,7 auf 1,9 in der Clobetasolpropionat-Gruppe (Unterschied zugunsten von Clobetasol 1,32; p = 0,095). Bioptisch war der LS im Progesteron-Arm bei 6 von 10 Patienten (60 %) und im Clobetasolpropionat-Arm bei 13 von 16 Patienten (81,3 %) in vollständiger Remission. Es traten keine arzneimittelbedingten schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.
Diese Resultate zeigen die Überlegenheit der Standardtherapie mit einer topischen Clobetasolpropionat-0,05-% Salbe, im Vergleich zu einer Progesteron-8%-Salbe, bei zuvor unbehandelten prämenopausalen Frauen mit Vulva-LS (Günthert AR et al., Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2022; 272:88–9).
Michael D. Mueller
In die SPLENDID (Surgical Procedures and Long-term Effectiveness in Neoplastic Disease Incidence and Death)-Kohortenstudie wurden erwachsene Patienten mit einem BMI von 35 oder grösser eingeschlossen, die sich bariatrischer Chirurgie in den Jahren 2004 bis 2017 unterzogen. Diese Patienten wurden 1:5 gematcht mit Patienten, die keine bariatrischen Massnahmen hatten, was zu einer Gesamtbetrachtung von 30 318 Patienten führte. Nach zehn Jahren lag der mittlere Gewichtsunterschied zwischen den beiden Gruppen bei 24,8 kg. Während des Follow-ups wurden 96 Patienten aus der Bariatriegruppe und 780 Patienten aus der nicht-chirurgischen Kontrollgruppe mit einer adipositas-assoziierten Krebserkrankung diagnostiziert. Die kumulative Inzidenz für eine solche Krebserkrankung lag nach zehn Jahren bei 2.9 % in der Bariatriegruppe vs. 4.9 % in der nicht-chirurgischen Gruppe. Die krebs-assoziierte Mortalität lag nach zehn Jahren bei 0.8 % in der Bariatriegruppe und bei 1.4 % in der nicht-chirurgischen Kontrollgruppe, der Unterschied war statistisch signifikant.
Zu den adipositas-assoziierten Krebserkrankungen zählen multiple Krebserkankungen, wie z. B. postmenopausaler Brustkrebs, Endometrium- und Ovarialkarzinom, Ösophagus-, Gallenblasen-, Magen-, kolorektales, Nierenzell-, Leber-, Pankreas- und Schilddrüsenkarzinom, Meningeom und Multiples Myelom (Aminian A. et al., Association of Bariatric Surgery With Cancer Risk and Mortality in Adults With Obesity, JAMA 2022; 327(24):2423–33. doi:10.1001/jama.2022.9009).
Cornelia Leo