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Inversio uteri, eine seltene geburtshilfliche Kom-plikation

Eine 31-jährige I Gravida, 41+0, stellt sich bei Terminüberschreitung im Gebärsaal vor. Unauffälliger Schwangerschaftsverlauf, keine Vorerkrankungen, angestrebte Spontangeburt. Bei reifem Muttermund bei einer Muttermundsweite von 3 cm erfolgt die Ge­burts­einleitung mit Oxytocin. Es kommt zu einer zeitgerechten Eröffnungsperiode, in deren Verlauf ein Periduralkatheter angelegt wird. Unter weiterer Oxytocinunterstützung protrahierte Austreibungsperiode mit suspektem CTG, die Geburt eines lebensfrischen Mädchens erfolgt spontan über eine mediolaterale ­Episiotomie.

Plazenta und Eihäute folgen trotz erneuter Oxytocingabe nicht spontan, sodass nach 20 Minuten Massnahmen eingeleitet werden. Auch nach Entleerung der Harnblase, Akkupunktur und Pressversuch kommt es nicht zur spontanen Geburt der Plazenta, sodass ein Credé Handgriff mit Cord-Traction durchgeführt wird. Es entsteht zunächst der Eindruck, dass die Plazenta hierdurch gelöst wird, jedoch gibt die Patientin unmittelbar darauf Schmerzen an, and es kommt zu einer partiellen Inversio uteri. Es wird sofort die Anästhesie benachrichtigt und die Einleitung einer Allge­meinnarkose bei Inversio uteri wird veranlasst. Nach Narkoseeinleitung zeigt sich eine vollständige Inversio uteri mit Prolaps vor die Vulva.

Die Inversio uteri ist eine sehr seltene, bedrohliche peripartale Komplikation. Die Häufigkeitsangaben schwanken zwischen 1:2000 und 1:20 000 Geburten. Genaue Häufigkeitsangaben zur Inzidenz in der Schweiz existieren nicht. Es werden eine inkomplette und eine komplette Inversio uteri mit Prolaps, wie in unserem Fallbeispiel, unterschieden.

Unterschiedliche Pathomechanismen können diesem Ereignis zugrunde liegen: exzessive Chord Traction und Fundusdruck insbesondere bei schlechtem Uterustonus begünstigen das Entstehen einer Inversio uteri. Eine schnelle Austreibungsperiode, fetale Makro­somie, Plazentationsstörungen und Bindegewebserkrankungen (Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom) können ebenfalls begünstigende Faktoren sein.

Postpartale Hämorrhagie und ein drohendes Schockgeschehen erfordern ein unverzügliches Management. Es handelt sich um eine absolute geburtshilfliche Notfallsituation. Das Schockgeschehen kann durch den zusätzlich bestehenden Vagusreiz (peritoneal, Bänderdehnung) begünstigt werden, sodass anästhesiologisch ein aggressives Schockmanagement gefahren werden muss. Schmerzen, Druckgefühl und auch Übelkeit sind zu beobachtende Symptome.

Häufig ist, wie im beschriebenen Fall, die Plazenta noch adhärent. Sie sollte nicht gelöst werden, bevor eine suffiziente anästhesiologische Situation hergestellt worden ist, da hierdurch eine verstärkte Hämorrhagie ausgelöst werden kann.

In einer Allgemeinnarkose erfolgen die Plazentalösung sowie die Reposition und Tonisierung des Uterus. Einige Autoren empfehlen eine Reposition vor Plazentalösung zur Vermeidung eines grösseren Blutverlustes. Im vorgestellten Fall war die Plazenta bereits partiell gelöst, bei stabiler Blutungssituation wurde sie daher vor Reposition gelöst.

Unterschiedliche Repositionstechniken werden in der Literatur beschrieben, am geläufigsten ist das sogenannte Johnson-Manöver: mit der Handfläche auf dem invertierten Fundus wird mit der führenden Hand Druck in Richtung der vaginalen Achse ausgeübt und so der zervikale Schnürring überwunden, bis die komplette Reversion erreicht ist (in diesem Zustand sind Hand und Unterarm vollständig eingeführt). Die Gegenhand kontrolliert von abdominal die Prozedur. Sollte die vaginale Reposition nicht gelingen, sind abdominale Manöver beschrieben: nach der Huntington-Technik erfolgt die retrograde Reversion mithilfe von stumpfen Klemmen, mit denen die Ligg. rotunda an ihren Ansätzen gefasst werden, über diese erfolgt dann der Zug nach kranial. Sollte die Überwindung des zervikalen Schnürrings nicht gelingen, kann dieser im Sinne einer Längsinzision dorsal gespalten werden (Haultain-Manöver).

Sämtliche Techniken haben gemein, dass während der Reposition ein relaxierter Uterus von Vorteil ist, während unmittelbar anschliessend die Kontraktion erforderlich ist, um eine erneute Inversion, und natürlich Blutungen, zu verhindern.

Im beschriebenen Fall wird eine zügige Allgemein­anästhesie eingeleitet. Nach manueller Lösung der Plazenta gelingt die Reposition von vaginal mittels Johnson-Manöver, anschliessend erfolgt die Tonisierung des Uterus mit Oxytocin und Sulproston, die Episiotomie wird in üblicher Weise versorgt. Der Gesamtblutverlust beträgt 1500 ml. Intraoperativ und postoperativ wird jeweils ein Erythrozytenkonzentrat verabreicht, bei einem Hb von 7.0 g/dl wird zudem Eisen i.v. substituiert. Eine prophylaktische Antibiotikaabschirmung mit Co-Amoxicillin wird für drei Tage verabreicht.

Die Entlassung der Wöchnerin erfolgt ohne weitere Komplikationen am 4. Tag post partum.

Fazit

Bei der Inversio uteri handelt es sich um eine seltene, aber bedrohliche geburtshilfliche Komplikation, die sofortiges Handeln erfordert. Zum Risiko der erneuten Inversio bei allfälligen Folgegeburten gibt es keine klaren Daten. In einer retrospektiven Studie wurde in 26 Folgeschwangerschaften keine wiederholte Inversio beobachtet.

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