Fertilitätsprotektion bei Mamma-Ca / Wie gut sind unsere Sterilisatio-nen? / Postpartale sexuelle Dysfunktion / Zytoreduktion beim Ovarialkar-zinom und Lebensqualität / CHIPS und CHAP / Spontane Regression von CIN 2
Die meisten von uns haben es irgendwann einmal gehört oder auch selber erlebt: Wir führen eine Sterilisation durch und später kommt die Patientin schwanger in die Sprechstunde … keine Situation, die Ärztin oder Patientin schätzt.
Gemäss unseres SGGG-Aufklärungsprotokolls, dass alle Patientinnen vor Sterilisationen unterschreiben müssen, kann es in 5–7 pro tausend Eingriffen trotzdem danach zu einer Schwangerschaft kommen.
Eine neue Studie aus Kalifornien stellt fest, dass die postoperative Schwangerschaftsrate nach Sterilisationen deutlich höher liegt – lesenswert!
Kommentar
Frauen wollen aus den verschiedensten Hintergründen Sterilisationen, aber eines ist ihnen gemeinsam: sie wollen definitiv nicht mehr schwanger werden.
Eine neue retrospektive Studie aus Kalifornien fand überraschend hohe Schwangerschaftsraten nach Sterilisationen.
Die Studie verglich die Effektivität und Sicherheit hysteroskopischer und laparoskopischer Sterilisationen miteinander. Obwohl beide Methoden in der überwiegenden Mehrheit Schwangerschaften verhindern konnten, war jede Methode mit 6 % Versagerraten fünf Jahre postoperativ behaftet – diese Daten sind wesentlich höher als erwartet und als wir momentan aufklären.
Das American College of Obstetricians and Gynecologists gibt eine Schwangerschaftsrate von weniger als 1 % an, etwa unserem SGGG-Aufklärungsprotokoll entsprechend.
Bei der laparoskopischen Methode wurden die Tuben chirurgisch verschlossen oder entfernt, bei der hysteroskopischen Methode wurden kleine flexible Metallspiralen in die Eileiter eingebracht, die Vernarbungen und Entzündung verursachen und damit den Tubenverschluss erreichen sollen. Diese Methode namens Essure bekam eine Produktwarnung 2016 wegen vermehrten Nebenwirkungen wie Migration, Perforation, Allergien und Schmerzen und wurde 2019 vom Markt genommen.
In der vorliegenden Studie werden 5906 hysteroskopische und 23 965 laparoskopische Sterilisationen, die in Kalifornien zwischen 2008 und 2014 durchgeführt wurden, analysiert. Ausgeschlossen waren postpartale Sterilisationen, die eine andere Methodik hatten. Das Durchschnittsalter der Frauen war 33 Jahre.
Die Studie fand heraus, dass fünf Jahre nach der Sterilisation 6 % der Frauen sowohl in der hysteroskopischen Gruppe als auch in der laparoskopischen Gruppe schwanger geworden sind. Die kumulativen Schwangerschaftsraten fünf Jahre nach Sterilisation waren in der Hysteroskopiegruppe niedriger als in der Laparoskopiegruppe (6.26 vs 7.22 pro 100 Frauenjahre).
Natürlich gibt es etliche mögliche Kritikpunkte – die üblichen Schwachpunkte retrospektiv gesammelter Daten, möglicherweise wollen Frauen, die einen Abbruch durchgeführt haben, nicht an solchen Befragungen teilnehmen, und Amerika ist immer noch ein Land hoher Mobilität, etliche Frauen sind vielleicht aus Kalifornien weggezogen und konnten in der Datenanalyse nicht berücksichtigt werden.
Ebenso wurden Frauen, die sich nach der Sterilisation einer Reproduktionstechnik unterzogen haben, nicht berücksichtigt.
Ein sehr positiver Punkt der kalifornischen Studie ist die Diversität der Population mit vielen verschiedenen Ethnien, die die Studie generalisierbar macht.
Trotz einiger Schwachpunkte dieser Daten – für mich überraschend hohe Zahlen, die sicherlich in prospektiven Studien bestätigt werden müssen. Insgesamt eine wichtige Studie, die uns erinnern sollte, sicherlich auf das Versagen der operativen Sterilisationen hinzuweisen.
Literatur
Annette Kuhn
Die vorliegende Metaanalyse von 15 retrospektiven Kohortenstudien erfasste 4643 Frauen unter 40 Jahren. Elf Studien handelten von einer COS (kontrollierten Überstimulation der Ovarien mit Follikelpunktion) vor einer Chemotherapie, 4× nach Abschluss der CT.
Im Vergleich zu Frauen, die keine Fertilitätsprotektion erhielten (N = 2386) hatten Frauen mit COS (N = 1594) ein erniedrigtes Risiko für ein Rezidiv (RR 0,58, 95 % CI 0,46–0,73) und Mortalität (RR 0,54, 95 % CI 0,38–0,76).
Ein ähnlicher Trend (nicht signifikant) wurde bei Frauen mit hormonrezeptor-positiven CA mit COS beobachtet. Das gleiche galt für Frauen mit neoadjuvanter CT. Auch bei einer COS nach CT zeigte sich ein Trend zu einer besseren Prognose. 100 Rezidive (8,6 %) wurden bei den 1167 Frauen, die eine COS vor CT erhielten beobachtet, 256 (16,2 %) bei den 1523 ohne COS.
Patientinnen mit COS nach CT hatten ein statistisch signifikant tieferes Rezidivrisiko (RR 0,58 <0,001).
Patientinnen mit COS hatten ein statistisch signifikant tieferes Todesrisiko: 40 Todesfälle (5,5 %) bei 724 Pat mit COS, 132 (10,9 %) bei 1206 Pat ohne Fertilitätsprotektion (RR 0,54 p <0,001).
Im Durchschnitt warteten die Patientinnen mit Fertilitätsprotektion sechs Tage länger auf die CT als die Kontrollgruppe (Arecco L. et al., Hum. Reprod. 2022; 37:954–68).
Kommentar
Retrospektive Studien haben immer nur eine beschränkte Aussagekraft. Beispielsweise könnte es sein, dass die Frauen in der Gruppe mit Fertilitätsprotektion eine bessere Ausgangslage gehabt haben. Trotzdem sprechen die vorliegenden Daten deutlich dafür, dass eine Fertilitätsprotektion die Prognose nach Mamma-CA nicht verschlechtert und auch den Beginn der Chemotherapie nicht wesentlich verlängert.
Manche Onkologen und Patientinnen befürchten bei hormonrezeptor-positivem Karzinom eine negative Auswirkung einer hormonellen Stimulation. In einer Metaanalyse (Bornardi B. et al., Fertil. Oncol. 2020; 10:574) konnte aber gezeigt werden, dass Letrozole, gegeben während der COS, einerseits die Östrogenspiegel senkt, dabei aber die Effizienz einer COS nicht beeinträchtigt. Dies ist auch unser Vorgehen.
Ovarielle Stimulationen mit Follikelpunktion oder Kryokonservierung von Ovargewebe?
Schwer zu beantworten. Es gibt wesentlich mehr Daten zur COS, obwohl die ASRM die Ovargewebekonservierung nicht mehr als experimentelle Methode betrachtet.
Wir und andere haben positive Erfahrungen damit gemacht (Dollmann M-M. et al., Fertil Steril. 2021; 115:1102); allerdings braucht es dazu zwei Laparoskopien.
Auch nach einem Zyklus COS erreicht man selten 14–20 Eizellen, die für eine Lebendgeburt durchschnittlich benötigt werden. Doch ist es von grosser psychologischer Bedeutung für die Betroffenen, die Option für eine Fertilitätsprotektion zu haben. Dass man überhaupt über die Möglichkeit einer Schwangerschaft nach Mamma-CA spricht, ist für manche Patientinnen eine positive Note und Motivator.
Jede betroffene Frau sollte heute über eine mögliche Fertilitätsprotektion umfassend beraten werden – was leider noch nicht überall der Fall ist.
Michael K. Hohl
Wenn auch selten thematisiert, sexuelle Dysfunktionen und Dyspareunie nach Geburt sind häufig und werden in einigen Studien mit einer Prävalenz von bis zu 60 % nach sechs Monaten beschrieben. In einem Review aus 26 Publikationen wurden die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten von entsprechenden Problemen innerhalb des ersten Jahres post partum identifiziert. Verletzungen des Sphincters erhöhten das Risiko sowohl für eine Dysfunktion (OR 3.0) als auch für Dyspareunie (OR 1.92), Episiotomien das Risiko für Dyspareunie (OR 1.64) und die vaginal-operative Entbindung das Risiko für sexuelle Dysfunktion (OR 1.82). Der Geburtsmodus (Spontangeburt versus Sectio caesarea) wirkte sich nicht signifikant aus.
Kommentar
Auch die Sexualität sollte im Rahmen von geburtshilflichen Nachkontrollen angesprochen werden. Dass das Ausmass des geburtshilflichen Traumas eine Rolle spielt, überrascht nicht. Interessant ist die Beobachtung, dass der Geburtsmodus an sich in diesem Kontext keine Rolle zu spielen scheint.
Literatur
Martin Heubner
Dass der postoperative Tumorrest einer der wichtigsten Prognosefaktoren beim Ovarialkarzinom ist, ist seit Langem bekannt und in unterschiedlichen Publikationen immer wieder bestätigt worden. Aber geht die chirurgische Radikalität mit teils multiviszeralen Resektionen auf Kosten der Lebensqualität? Diese Fragestellung ist in einer prospektiven Studie mit 285 Patientinnen untersucht worden. Die Komplexität der Operation wurde mithilfe eines standardisierten Score-Systems erfasst, die Lebensqualität mit ebenfalls standardisierten Fragebögen 6 Wochen, 6 Monate, 12 Monate und 24 Monate nach der Operation.
Die Lebensqualität variierte zwischen den unterschiedlichen Kohorten (niedrige, mittlere und hohe Komplexität) nicht signifikant. In allen Gruppen liess sich zudem ein Anstieg der Lebensqualität nach 12 Monaten beobachten. Der prognostische Einfluss des postoperativen Tumorrestes (beobachtet insbesondere bei Prozeduren mit niedriger Komplexität) konnte erneut bestätigt werden.
Kommentar
Die operative Zytoreduktion ist und bleibt –zumindest vorerst – eines der wichtigsten Elemente in der Therapie des Ovarialkarzinoms. Eine hochkomplexe und ausgedehnte Operation ist nicht mit einer Verschlechterung der Lebensqualität vergesellschaftet. Natürlich ist die individuelle Therapieplanung, die Alter, Allgemeinzustand und Komorbiditäten berücksichtig, essenziell (Sundar S et al., BJOG 2022, 129[7]:1122–32).
Martin Heubner
Die „weniger jungen“ unter uns sind mit dem Dogma aufgewachsen, dass eine Blutdrucksenkung in der Schwangerschaft im Rahmen einer vorbestehenden, leichten Hypertonie sich schlecht auf die feto-plazentare Hämodynamik/Funktion auswirken könnte. Die Angst dabei ist/war (!), dass wir das Risiko einer intrauterinen Wachstumsrestriktion erhöhen, ohne dass das Risiko einer Präeklampsie damit gesenkt werden kann/konnte. Entsprechend haben die meisten Guidelines diese Haltung übernommen und empfohlen, die Hypertonie medikamentös zu senken, wenn der Blutdruck ≥160/100 mmHg ansteigt. Das waren auch diejenigen Frauen, welche ein hohes Risiko für akute Komplikationen wie Hirnschlag hatten. Entsprechend haben wir dies den „jüngeren unter uns“ so weitergegeben. Nun, zwei kürzlich erschienene Studien haben das Potenzial, diese Haltung zu verändern. Die CHIPS-Studie (Control of Hypertension in Pregnancy Study, wurde bereits thematisiert in der FHA) konnte zeigen, dass die Senkung des Blutdrucks bei Frauen mit einer chronischen Hypertonie das Risiko einer Plazentainsuffizienz nicht erhöht (1). Die zweite Studie, die CHAP-Studie (Chronic Hypertension and Pregnancy) (2) hat dies bestätigt und erstmals auch zeigen können, dass die Präeklampsie-assoziierte maternale Morbidität und vielleicht auch die Inzidenz einer Präeklampsie durch eine konsequente Behandlung mit Labetolol oder Nifedipin Retard bei einem Blutdruck ≥140/90 mmHg gesenkt werden kann (Tabelle 1).
Kommentar
Diese Studien, v. a. die CHAP-Studie, haben das Potenzial, dass die Empfehlungen bzgl. Management einer milden, chronischen Hypertonie (140–160/90–105 mmHg) umgeschrieben werden müssen. Das Kollektiv war gross genug und die Resultate robust. Einzig zu bedenken ist, dass keine multivariate Analyse von beeinflussenden Faktoren durchgeführt wurde und wir mit einem US-amerikanischen Kollektiv konfrontiert sind, wo die Rate von Adipositas beinahe doppelt so hoch ist wie bei uns (mittlerer BMI >37, davon über ein Drittel mit einem BMI >40!). Alle hatten eine chronische Hypertonie. Entsprechend ist eine Extrapolation der Resultate für Frauen mit Gestationshypertonie nicht möglich! Nur 28 % des Kollektivs war kaukasischer Ethnizität.
Literatur
Luigi Raio
In einer prospektiven multizentrischen Studie wurden 615 Frauen unter 25 Jahren mit neu diagnostizierter und bioptisch nachgewiesener zervikaler intraepithelialer Neoplasie Grad 2 (CIN2), alle sechs Monate mittels Kolposkopie, Zytologie und zervikaler Biopsie für insgesamt 24 Monate untersucht. Bei 326 Frauen konnte im Verlauf eine Regression der CIN2 nachgewiesen werden. 156 Patientinnen wiesen in der definierten Studienzeit eine persistierende schwere zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN2, CIN3) oder ein Adenocarcinoma in situ auf. Bei 24 Frauen konnte eine Regression der CIN2 erst im Verlauf, nach der beendeten Studienzeit von 24 Monaten, nachgewiesen werden.
109 Frauen mussten in der Analyse ausgeschlossen werden: 41 wegen verspäteter Nachsorge, 41 gingen für die Nachsorge verloren, 22 entschlossen sich, die Studie abzubrechen und eine Therapie durchführen zu lassen, vier lehnten weitere Biopsien ab, eine verstarb an einer nicht zusammenhängenden Ursache.
Insgesamt konnte eine bioptisch gesicherte Regression der CIN2 bei 53 % (326 von 615) aller Frauen, welche an der Studie teilgenommen haben, beobachtet werden. Nach Imputation der fehlenden Daten wurde geschätzt, dass 64 % der Frauen (95 % Konfidenzintervall, 60–68 %) eine Regression erfahren hätten.
In ähnlicher Weise bildeten sich die Läsionen bei 64 % (326 von 506) der Frauen zurück, welche das Beobachtungsprotokoll abgeschlossen haben. Basierend auf einer multivariablen Analyse konnte gezeigt werden, dass der Nachweis von hPV16 zum Zeitpunkt der ersten Kolposkopie die Wahrscheinlichkeit einer Regression um 31 % (Risikoverhältnis 0,69; 95 % Konfidenzintervall, 0,56–0,86; P <0,001) senkt. Eine normale Kolposkopie am Anfang der Studie und im Verlauf des ersten Jahres sowie Nichtraucherin zu sein, waren weitere unabhängige Faktoren, welche eine höhere Regressionswahrscheinlichkeit vorhersagten (PH Sykes et al.; Am J Obstet Gynecol 2022; 226:222.e1–13).
Kommentar
Diese Studie zeigt, dass bei mehr als der Hälfte der Frauen unter 25 Jahren es innert 24 Monaten und ohne Lokaldestruktion zu einer Regression einer CIN2 zu einer CIN1 oder zu einer Normalisierung der Histologie kommt. Das Fehlen des Nachweises eines hPV16 ist der wichtigste Prädiktor dieser Regression.
Eine Reihe von retrospektiven und prospektiven Studien haben schon früher hohe Regressionsraten bei CIN bei jungen Frauen dokumentiert. Dementsprechend ist ein exspektatives Vorgehen, unter regelmässiger Kontrolle, bei CIN2 zunehmend akzeptiert bei Frauen <25 Jahren. Bis anhin fehlen jedoch Selektionskriterien, welche es uns ermöglichen würden zu definieren, bei welchen Frauen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie eine Regression haben oder nicht. Wichtige Fragen, insbesondere in Bezug auf die klinischen Variablen, die mit dem Risiko einer Progression oder Persistenz der Erkrankung verbunden sind, sind noch nicht geklärt, weshalb Studien wie diese sehr wichtig sind. Auch wenn der hrHPV-Genotyp zum Zeitpunkt der ersten Kolposkopie von grosser Bedeutung ist, sind die Kolposkopische Beurteilung und der Raucherstatus von höchster Wichtigkeit.
Michael D. Mueller