Unerklärte Sterilität: hoffnungsvoll / Topische Östrogene bei älteren Frauen / Inzidentelle Salpingovarektomie / BRCA 1 / 2: Pathogene Varianten / Akute Appendizitis: Antibiotikatherapie
Die vorliegende Studie befasst sich mit einem Langzeit-Follow-up von 503 Paaren, die beim FASTT-Trial mitgemacht hatten. Dort verglich man zwei Therapiewege prospektiv randomisiert bei der Diagnose „Unerklärte Sterilität“:
1. Konventioneller Weg: 3× Zyklen Clomifencitrat + IUI (Intrauterine Inseminationen) gefolgt von 3× Zyklen FSH-Stimulation + IUI; falls noch nicht schwanger bis zu 6× IVF-Zyklen
2. „Fast Track“: ohne FSH und IUI
63,8 % aller Paare hatten mindestens eine Lebendgeburt (kein Unterschied zwischen den Gruppen, aber beim „Fast Track“ dauerte es drei Monate weniger lang (8 statt 11 Monate) bis zur Schwangerschaft (Reindollar RH, et al. Fertil. Steril. 2010; 94:888–99).
Man folgerte daraus, dass eine Stimulation mit FSH + IUI sich nicht lohne. Das Durchschnittsalter bei der FASTT-Studie war 33 Jahre, beim jetzigen Follow-up 49,5 Jahre.
286 Paare nahmen am Follow-up teil. Davon hatten 194 (67,8 %) eine Lebendgeburt während der FASTT-Studie. 225 (78,7 %) verfolgten ihren Kinderwunsch weiter.
101 von 157 (64%), die es dann ohne Therapie versuchten, hatten noch eine Lebendgeburt. Dazu kamen 5,3 % nach IUI und weitere 36,4 % nach erneuten IVF-Zyklen.
Das heisst: Die grosse Mehrheit der
Studienteilnehmerinnen erzielten eine Lebendgeburt, nur 6.6 % hatten am Ende
keinen Erfolg (Vaughan DA et al. Fertil. Steril. 2021 https://DOI.org/10.1016//j.fertstert.2021.
09.012).
Kommentar
Diese Langzeit-Follow-up-Studie zeigt, dass die Erfolgsaussichten bei „unerklärter Sterilität“ mittels reproduktionsmedizinischen Therapien sehr gut sind. Nach Geburt eines Kindes nach IUI oder IVF/ICSI kann das Paar bei weiterem Kinderwunsch ohne weiteres versuchen, zuerst spontan schwanger zu werden (falls das Alter der Frau dies als sinnvoll erscheinen lässt). Beim Beratungsgespräch sollte man Paaren mit „unerklärter Sterilität“ immer – als Motivationsschub quasi – die grundsätzlich gute Prognose betonen.
Ausserdem empfiehlt es sich, nicht zu lange mit einer Therapie zuzuwarten, insbesondere, wenn mehr als ein Kind angestrebt wird.
Michael K. Hohl
Urogenitale Beschwerden treten oft erst zwei bis drei Jahre postmenopausal auf und können sich durch Dyspareunie, vulvovaginales Missempfinden, rezidivierende Harnwegsinfekte und Juckreiz äussern.
Ein Viertel aller systemisch substituierten Patientinnen können trotzdem eine urogenitale Atrophie entwickeln. Wieviel bringen jetzt aber die topischen Östrogene noch in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Atrophie?
Diese randomisierte prospektive Studie schloss 205 postmenopausale Frauen ein, die wenigstens drei Beschwerden des urogenitalen Menopausensyndroms hatten.
Die Patientinnen bekamen 12 Monate lang eine niedrig dosierte topische Östrogentherapie: In den ersten zwei Wochen wurde täglich eine Vaginaltablette mit 10 Mikrogramm Estradiol eingeführt, danach 2× pro Woche. Ca. ein Viertel der Frauen war 60 Jahre und älter.
In dieser Studie wurden die Therapieeffekte in einer Gruppe mit jüngeren Teilnehmerinnen gegenüber Älteren verglichen.
Es liessen sich positive zytologische Effekte verzeichnen, so steigerten sich die Oberflächenzellen von anfangs 3.2 % auf 15.9 % nach einem Jahr. Der vaginale pH-Wert lag vor Studienbeginn bei 83 % der jüngeren und 92 % der älteren Patientinnen über 60 Jahren über 5.5 – nach einjähriger Therapie hatte er bei 67.3 % respektive 58.2 % der älteren Patientinnen einen Wert unter 5.5 erreicht.
Auch Dyspareunie und vaginale Trockenheit gingen in beiden verglichenen Gruppen signifikant zurück. Diese Resultate sprechen für die AutorInnen dafür, dass eine topische Östrogentherapie auch bei älteren Patientinnen effektiv ist, allerdings scheinen die Patientinnen, die noch nicht 60 sind, davon mehr zu profitieren.
Auch die internationale Menopausengesellschaft empfiehlt einen frühen Therapiestart.
Dadurch dass ein Absetzen der Therapie
wieder zum Auftreten der Beschwerden führt, befürworten die AutorInnen eine
permanente Therapie (Derzko CM, Röhrich S, Panay N. Menopause 2020. Oct 5;
28:
113–8. doi:10.1097/GME.0000000000001666.PMID: 33038141).
Kommentar
Eine wichtige Studie, die die Wertigkeit der topischen Hormontherapie unterstreicht.
Bei sehr langem Zeitintervall seit der Menopause müssen wir aber auch daran denken, dass eine intensive Therapie insbesondere mit vaginalen Suppositorien Brennen und Fluor hervorrufen kann, was Complianceprobleme verursachen kann. In diesem Fall sind Tabletten und eine mit Bepanthen verdünnte Östrogencreme von Vorteil.
Annette Kuhn
Das traditionell übliche Vorgehen, im Rahmen der Hysterektomie nach der Menopause auch die beidseitige Salpingovarektomie (BSO) durchzuführen, wird vermehrt hinterfragt. Eine retrospektive kanadische Studie ging nun der Frage nach, in welchem Ausmass sich die BSO auf das Ovarialkarzinomrisiko auswirkt. Untersucht wurden fast 200.000 Patientinnen mit stattgehabter Hysterektomie bei benigner Indikation im Zeitraum von 1996 bis 2010. Bei 24 % wurde die gleichzeitige beidseitige Hysterektomie durchgeführt. Die durchschnittliche Follow-Up-Zeit betrug 16 Jahre. Das Durchschnittsalter der Patientinnen betrug 45 Jahre. Die BSO verringerte das Risiko für ein Ovarialkarzinom und die Ovarialkarzinommortalität. Bei Patientinnen >49 Jahre betrug die absolute Risikoreduktion 0.62 %, was einer number needed to treat von 161 entspricht. Die Gesamtmortalität unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (Cusimano MC et al., AJOG 2021, in press).
Kommentar
Das Ergebnis der Studie überrascht natürlich nicht. Allerdings wird die Risikoreduktion gut quantifiziert und die number needed to treat bietet eine gute Grundlage zu Beratung, sie kann auch von Patientinnen nachvollzogen werden. Unterschiedliche Studien haben eine erhöhte Gesamtmortalität nach BSO im Rahmen von Hysterektomien beschrieben. Die inzidentelle BSO ist daher – zurecht – kritisch diskutiert worden. Faktisch wurde dieser Effekt aber nur in der Prämenopause beobachtet. Für die Postmenopause gilt es wie immer Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen.
Martin Heubner
Pathogene Varianten (PV) in BRCA1/BRCA2 sind assoziiert mit einer hohen Chemosensitivität. Daher könnten Träger einer BRCA-Mutation, welche mit Chemotherapie behandelt wurden, eine niedrigere krebsspezifische Mortalität haben als Non-Carriers. Eine neue Studie von Kurian et al. untersuchte Keimbahnmutationen und Mortalität von Frauen, die für Brust- oder Eierstockkrebs mit Chemotherapie behandelt wurden.
22.495 Patientinnen mit Brust- und 4320 mit Ovarialkarzinomen wurden analysiert mit einem medianen Follow-up von 41 Monaten. PV waren bei 12.7 % aller Patientinnen mit Estrogen- oder Progesteronrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs; 9.8 % der Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs; 16.8 % mit triple-negativem Brustkrebs und 17.2 % mit Ovarialkarzinom vorhanden.
Bei triple-negativem Brustkrebs war die krebsspezifische Mortalität signifikant niedriger für Patientinnen mit pathogenen Mutationen in BRCA1/BRCA2 und gleich für Patientinnen mit Mutationen in anderen Genen im Vergleich mit Nicht-Mutationsträgerinnen. Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom war die krebsspezifische Mortalität signifikant niedriger für Patientinnen mit PV in BRCA2 und in Risikogenen ausserhalb von BRCA1/BRCA2.
Keine der PV in einem der Risikogene war mit einer Erhöhung der krebsspezifischen Mortalität oder auch des Gesamtüberlebens assoziiert (Kurian AW et al. J Natl Cancer Inst. 2021 Aug 9; djab151. doi:10.1093/jnci/djab151).
Kommentar
Diese Ergebnisse sind wichtig und ermutigend. Patientinnen mit einer Keimbahnmutation in einem Hochrisikogen kann man in der Beratung nun mit auf den Weg geben, dass sie kein erhöhtes krebsspezifisches Mortalitätsrisiko haben, im Gegenteil, die Prognose ist sogar besser.
Cornelia Leo
Die Inzidenz der akuten Appendizitis betrifft weltweit 96,5 bis 100 Personen pro 100.000 Erwachsene pro Jahr. Die Diagnose einer akuten Appendizitis basiert auf der Anamnese, der klinischen und laborchemischen Untersuchung und der bildgebenden Diagnostik. Nicht selten bietet die Appendizitis im Alltag Schwierigkeiten in der Differenzialdiagnose des akuten Abdomens.
Klassische Symptome einer Blinddarmentzündung sind vage periumbilikale Schmerzen, Appetitlosigkeit/Übelkeit/intermittierendes Erbrechen, Schmerzwanderung nach rechts in den unteren Quadranten und leichtes Fieber. Die laparoskopische Appendektomie ist heutzutage die chirurgische Therapie der Wahl und wird als Behandlung immer noch am häufigsten angewendet. Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren jedoch gezeigt, dass Breitbandantibiotika (Piperacillin-, Tazobactam-, Monotherapie oder eine Kombinationstherapie mit entweder Cephalosporinen oder Flurochinolonen mit Metronidazol) eine unkomplizierte akute Appendizitis bei etwa 70 % der Patienten erfolgreich therapiert. Spezifische computertomographische Befunde, wie z. B. Blinddarmdilatation (Blinddarmdurchmesser ≥7 mm) oder das Vorhandensein von Appendicolithen, definiert als die Ansammlung von Kot im Blinddarmlumen, identifizieren die PatientInnen, für welche eine Antibiotika-First-Management-Strategie eher erfolglos ist (Abb. 1). Dementsprechend sollte, bei PatientInnen ohne Co-Morbiditäten mit Nachweis eines Appendicolithen, eines Konglomerates neben der Appendix oder einem erweiterten Blinddarm im CT (Abb. 1), initial ein chirurgisches Management vorgeschlagen werden. Der minimal-invasive Eingriff hat eine niedrige postoperative Mortalität und Morbidität.
Bei PatientInnen ohne hochrisiko-CT-Befunde können sowohl die laparoskopische Appendektomie wie eine konservative Therapie mit Antibiotika als First-Line-Behandlung in Betracht gezogen werden. Bei PatientInnen mit Co-Morbiditäten ohne den erwähnten CT-Befund ist der Antibiotika-First-Ansatz empfohlen und eine Operation kann in Erwägung gezogen werden, wenn die Antibiotikabehandlung fehlgeschlagen ist. Bei PatientInnen mit Hochrisiko-CT-Befunden müssen eine perioperative Risikobewertung sowie die Präferenzen der PatientInnen in Betracht gezogen und die definitive Therapie dann eingeleitet werden (Moris D et al.; JAMA. 2021; 326:2299–311).
Kommentar
Die Übersichtsarbeit von Morris et al. führt alle Punkte auf, welche in der modernen Diagnostik und Therapie der akuten Appendizitis klinisch von Bedeutung sind und ist dementsprechend sehr empfehlenswert.
Michael D. Mueller