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Der suspekte Adnexbefund in der Praxis

Mit dem Einsatz fast jeder diagnostischen Massnahme geht die Erhebung von Zufallsbefunden einher. Dies gilt für unseren Fachbereich vor allem für die Anwendung der transvaginalen Sonographie. Sie ist im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen längst Teil unserer Untersuchungsroutine geworden. So wertvoll sie ergänzend zu unserer klinischen Unter­suchung auch ist – sie stellt uns immer ­wieder vor das Dilemma von Zufallsbefunden, insbesondere nicht eindeutig einzuordnenden Adnexbefunden.

Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Vaginal­sonographie als Screeningmethode ist so alt wie die Methode selbst und wird nach wie vor kontrovers geführt. Fakt ist: auf die Palpation als alleiniges diagnostisches Instrument verlassen sich nur noch wenige, die Sonographie wird als konsequente Fortsetzung der gynäkologischen Untersuchung empfunden und entsprechend flächendeckend eingesetzt. Umso wichtiger ist es, Befunde einordnen und interpretieren zu können. Diese Einordnung kann korrekt nur im Kontext mit der Anamnese und Klinik der Patientin erfolgen, gerade das Alter der Patientin, der Menopausenstatus, bestehende Symptome, die Eigen- und Familienanamnese spielen hierbei neben den Befunden der körperlichen Untersuchung eine Rolle. Bei der Indikationsstellung zur Sonographie sollte bedacht werden, dass Ovarialkarzinompatientinnen über einen langen Zeitraum nur wenige und oft unspezifische Symptome aufweisen. Dies ist einer der Gründe, warum die Diagnosestellung in drei Viertel der Fälle erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium erfolgt. Insbesondere bei postmenopausalen Frauen mit uncharakteristischen abdominalen Beschwerden sollte die Indikation daher grosszügig gestellt werden. Problematisch ist nach wie vor die Situation der Kostenübernahme des Ultraschalls: im Rahmen der normalen Jahreskontrolle findet in der Regel keine Vergütung statt, ist die Anwendung des Ultraschalls klinisch begründet, folgt die Übernahme der Kosten franchiseabhängig.

Grundsätzlich können Adnexbefunde vom Ovar, der Tube, paratubaren oder extragenitalen Strukturen ausgehen. Weiter können primäre von sekundären Adnextumoren unterschieden werden, funktionelle (z. B. funktionelle Zysten) von nicht-funktionellen ovariellen Befunden. Abszesse, Endometriome, Myome, Tubargraviditäten, Hydatiden, Teratome, Brenner-Tumore, Zystadenofibrome, Kystome, sogar Skybala, Lymphome oder Beckennieren – das Spek­trum der Differenzialdiagnosen ist gross (Abb. 1–4). Die im klinischen Alltag relevanteste Differenzialdiagnose ist natürlich das primäre Malignom des Ovars.

Häufig wird angeführt, dass sich in gross angelegten prospektiven Studien durch die regelmässige Anwendung der Sonographie als Screeningmethode kein Einfluss auf die Ovarialkarzinommortalität nachweisen liess (1, 2, 3). Die Sensitivität des vaginalen Ultraschalls zur Detektion ovarieller Malignome wird in den meisten Analysen zwischen 80 % und 95 % angegeben, die Spezifität zwischen 70 % und 80 %. Falsch positive Resultate sind wie bei vielen bildgebenden Verfahren ein grosses Thema. Eine generelle Empfehlung zur Anwendung des Ultraschalls als Screening wird auch in den aktuellen S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumore mangels ausreichender Datenlage nicht gegeben (12). Es existieren jedoch sehr wohl Daten, dass ein multimodales Screening mittels Ultraschall und anderer Parameter (4) einen signifikanten positiven Einfluss auf die Detektionsrate und die Mortalität haben könnte (2). In einer nicht randomisierten Kohortenstudie mit über 45.000 Probandinnen >50 Jahre (oder >25 Jahre mit positiver Familienanamnese) wurde durch die Anwendung eines jährlichen vaginalen Ul­traschalls mit Folgealgorithmus bei suspekten Befunden ein beachtliches Ergebnis erreicht. Das Screening führte dazu, dass Tumore zu 53 % im Stadium I und II diagnostiziert wurden, in der Kontrollgruppe waren dies nur 27 %. Dies hatte unmittelbaren Einfluss auf die 5-Jahres-Überlebensrate, die bei 86 % versus 45 % lag (5). Die Detektion früherer Tumorstadien durch Ultraschall wurde auch von einer japanischen Arbeitsgruppe beschrieben (6). Dies entspricht unserer klinischen Erfahrung – wenn wir Frühstadien eines Ovarial-/Tubenkarzinoms diagnostizieren, so meist per Ultraschall und nicht selten als Zufallsbefund. Für die einzelne Patientin können die Implika­tionen gross sein, auch wenn sie sich in einer grossen Kohorte nur schwer nachweisen lassen. Die routinemässige Anwendung der Sonographie im Rahmen der Vorsorge ist daher sehr nachvollziehbar, selbst wenn die Datengrundlage hierfür eingeschränkt ist. Der Preis der Anwendung ist die vermehrte Konfrontation mit interpretationsbedürftigen Befunden.

Kriterien der Dignitätseinschätzung

Als klassische sonomorphologische Kriterien der Dignitätseinschätzung können der Tumordurchmesser, die Einteilung zwischen zystischen(uni-poly-), soliden, zystisch-soliden Befunden, das Vorhandensein von Septen und (papillären) Binnenstrukturen, das Vorhandensein von Ascites und die Vaskularisation zu Rate gezogen werden. Verbunden mit der Anamnese der Patientin und einer entsprechenden Erfahrung sind diese Kriterien wertvoll, die diagnostische Sicherheit ist in hohem Masse untersucherabhängig. Daher gibt es unterschiedliche Versuche, ein objektives und standardisiertes Beurteilungsverfahren zu etablieren. Der Mainz- oder Sassone-Score sind ältere Score Systeme, die sich jedoch in der klinischen Routine nur wenig durchgesetzt haben (7, 8). Die Bestimmung des CA-125-Wertes kann als Zusatzkriterium herangezogen werden. Zu beachten gilt hier aber, dass bei frühen Ovarialkarzinomen im Stadium I die Sensitivität um 50 % liegt und bekanntermassen auch bei benignen Erkrankungen, allen voran der Endometriose, erhöhte Werte vorliegen können.

Eine mögliche Hilfestellung zur Risikoeinschätzung – IOTA Kriterien

Unter den unterschiedlichen Modellen der Risikoeinschätzung für Adnexbefunde sind die der International Ovarian Tumor Analysis Group (IOTA) die jüngst publizierten. Die Analysen fussen auf einer breiten Datengrundlage: In über 15 Jahren wurden Daten von mehr als 10.000 Patientinnen erfasst, das Modell wurde sowohl an wenig erfahrenen Untersuchern als auch an Experten validiert. Es wurden verschiedene Modelle zur Berechnung evaluiert, mit jeweils sehr unterschiedlicher Komplexität. Da Einfachheit in der Regel auch Praktikabilität für den klinischen Alltag bedeutet, soll hier etwas detaillierter auf das Modell der „Simple Rules“ eingegangen werden. Dieses beinhaltet fünf B-Kriterien, die für einen benignen Befund sprechen, und fünf M-Kriterien, die für einen malignen Befund sprechen. Wenn nur M- oder B-Kriterien erfüllt sind, ist die Interpretation leicht. Für einen Befund, der sowohl B- als auch M-Kriterien erfüllt, kann mittels Risiko-Kalkulator das Malignitätrisiko berechnet werden. Für maligne Befunde wurde eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 96 % beschrieben (9), was in etwa dem Niveau eines erfahrenen Untersuchers entspricht. Die Klassifikation hilft also vor allem weniger erfahrenen Kollegen – hier unterscheidet sich dieses IOTA-Modell nicht von den meisten anderen klinischen Modellen, die mit Scores arbeiten. Die einzelnen Parameter sind in Tab. 1 aufgeführt.

Beschrieben werden im Einzelnen die Art des Befundes (zystisch versus solide), die Begrenzung des Befundes, die Vaskularisation, das Vorhandensein von Schallschatten und Binnenstrukturen respektive solide Anteile. Als solide Anteile eines zystischen Befundes gelten keine Koagel oder der sog. Rokitansky Knoten bei Teratomen. Koagel sind häufig sonomorphologisch an ihrer Struktur zu erkennen und zeigen sich häufig bei der Untersuchung (Bewegung mit der Sonde) beweglich. Für papilläre Anteile gilt: die minimale Grösse muss 3 mm (von der Innenseite des zystischen Befundes gemessen) betragen, sonst hat die Klassifikation als irreguläre Zystenwand zu erfolgen. Das komplexere IOTA-ADNEX-Modell inkludiert neben sonomorphologischen Befunden noch andere Parameter, namentlich den Serum-CA-125-Wert, das Alter der Patientin und interessanterweise auch die Art der untersuchenden Klinik (onkologisches Zentrum oder nicht). Dieses Modell hat zusätzlich zur klassischen Dignitätseinschätzung zum Ziel, zwischen Borderline-Tumoren, frühen und fortgeschrittenen Karzinomen und sekundären Malignomen zu differenzieren (10, 11). Der Ansatz ist interessant, die Komplexität des Modells führt zu einer eingeschränkten Anwendbarkeit in der täglichen Routine. In besonderen Fällen kann eine online durchgeführte Risikokalkulation (https://www.iotagroup.org/iota-models-software/adnex-risk-model) jedoch durchaus hilfreich sein (Beispiel Abb. 5). Auch einige Ultraschalldokumentationsprogramme bieten eine IOTA-Berechnung an, mittlerweile gibt es auch APPs für das Smartphone.

Operieren oder Beobachten?

Ziel einer allfälligen Operation ist vor allem die frühzeitige Detektion eines Ovarialkarzinoms. Die nach wie vor hohe Mortalität dieser Erkrankung, verbunden mit dem späten Auftreten von Symptomen, lassen bei der Diagnose eines komplexen Adnexbefundes die Alarmglocken des betreuenden Gynäkologen läuten. Gerade in der Postmenopause sollten Befunde, die mögliche Malignitätskriterien erfüllen, operativ abgeklärt werden, in aller Regel im Rahmen einer laparoskopischen Adnexektomie im Bergebeutel. Adnexbefunde mit ausschliesslich benignen Schallkriterien können verlaufskontrolliert werden, bei Persistenz, Grössenprogredienz, Veränderung der Eigenschaften oder natürlich klinischen Symptomen sollte ebenfalls die operative Abklärung diskutiert werden. Bei hochgradigem Verdacht auf ein Ovarialkarzinom FIGO >I muss unabhängig vom Menopausenstatus die operative Therapie respektive Sicherung indiziert werden.

In der Prämenopause sollte ein gutartiger oder wahrscheinlich gutartiger Befund nach 6–9 Wochen verlaufskontrolliert werden, am besten in der ersten Zyklushälfte. Bei Persistenz muss die operative Abklärung diskutiert werden, die vorzugsweise organerhaltend erfolgen sollte. Bei Malignitätsverdacht sollte eine Adnexektomie im Bergebeutel erfolgen. Grundsätzlich sollte die laparoskopische Abklärung eines suspekten Adnexbefundes die Entnahme einer peritonealen Spülzytologie und die Inspektion der gesamten Bauchhöhle beinhalten (12).

Ein möglicher Algorithmus zum Vorgehen ist untenstehend (Abb. 6) abgebildet.

Fazit

Der routinemässige Einsatz der Vaginalsonographie hat sich zunehmend etabliert. Ein generelles Screening per Ultraschall im Rahmen der Vorsorge wird nach wie vor nicht empfohlen und ist aufgrund der Ergebnisse mehrere grossangelegter Studien umstritten. Dennoch geben einige Publikationen Hinweise auf einen möglichen Benefit, insbesondere durch die frühere Detektion von Ovarialmalignomen. Die Anam­nese der Patientin hat im Sinne des ersten diagnostischen Schrittes einen hohen Stellenwert. Der suspekte Adnexbefund stellt in der Praxis nach wie vor eine diagnostische Herausforderung dar. Die Verlässlichkeit der Dignitätseinschätzung ist stark untersucherabhängig, standardisierte Bewertungs-Systeme wie die IOTA-Kriterien können eine gute Hilfestellung vor allem für weniger erfahrene Untersucher bieten. Bei zweifelhaften oder suspekten Befunden empfiehlt sich die Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum mit onkologischem Fokus.

Literatur

 1. Buys S. et al., PLCO. JAMA 2011; 305(22):2295–303

 2. Jacobs I.J. et al., UKCTOCS, Lancet 2016; 387:945–56

 3. Henderson J. et al., JAMA 2018; 319(6):595–606

 4. Van Nagell J.R. et al., Obstet Gynecol 2011; 118:1212–21

 5. Van Nagell J.R. et. al., Obstet Gynecol 2018; 132:1091–100

 6. Kobayashi H et. al., Int J Gynecol Cancer 2008; 18(3):414–20

 7. Weber G., Ultraschall Med 1999; 20: 2–8

 8. Sassone A.M. et al., Obstet Gynecol 1991; 78:70–5

 9. Timmermann D. et al., AJOG 2016; 4:424–33

10. Van Calster B. et. al., Facts Views Vis Obgyn. 2015; 7(1):
32–41

11. Araujo K.G. et al., Ultrasound Obstet Gynecol 2017; 49:
778–83

12. Aktuelle S3-Leitline Diagnostik, Therapie und Nachsorge maliger Ovarialtumore: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ovarialkarzinom/

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