FHA Persönlich

Sehr persönlich: Darf ich Ihnen Manfred vorstellen?

Mein Freund Leonhard – seines Zeichens Chef eines Sportimperiums – sagt, dass die zahlreichen Ausreden, die er hört, warum jemand keinen Sport machen kann, lediglich Ausdruck des inneren Schweinehundes sind. Will man ihn bekämpfen, so soll man ihm am besten einen Namen geben – mein innerer Schweinehund ­Manfred.

Er heisst Manfred, weil das der Vorname meines ehemaligen Chemieprofessors in der Vorklinik war, der sich nicht sonderlicher Beliebtheit erfreute. Dazu gibt es noch eine spannende, wenn auch nicht ganz faire Geschichte, die ich ein anderes Mal erzähle, heute nur so viel: Ich war wirklich nicht daran beteiligt.

Leonhard sagt, dass ich Manfred täglich austricksen muss, wenn ich meine Bewegungsziele erreichen will.

Es ist Montagmorgen, der Wecker klingelt um 5 Uhr 20, weil ich um 6 schwimmen gehen will (ja, tatsächlich, es gibt in Bern ein Schwimmbad, dass dann aufmacht!). Manfred steht in der Ecke, riesengross, auf seiner Brust glaube ich ein grosses „S“ wie bei Superman erkennen zu können. Er hält ein leuchtendes Banner hoch: „BLEIB LIEGEN! ES REGNET UND IST KALT DRAUSSEN!! DU MUSST ERST UM 7.30 IM SPITAL SEIN!“ Ich höre ihn, beschliesse aber, ihn zu ignorieren, er schrumpft unmittelbar, das Banner verblasst. Rein in den Badeanzug, anziehen, losfahren, mit ein paar anderen Irren um 6 Uhr am Hirschengraben Einlass bekommen. HURRA! Manfred hält die Klappe und sitzt mit zusammengepressten Lippen auf der Rückbank.

Der beste Moment ist der, wenn man um diese Zeit den Kopf das erste Mal richtig unter Wasser hat, dann fühlt man sich richtig wach und aktiviert. Schwimmen ist herrlich!

Manfred ist winzig klein und schrumpelig in einer Ecke, kaum sichtbar, nicht bemerkbar und schmollt. Er fühlt sich klein und insignifikant.

Ich komme nach 75 Minuten aus dem Schwimmbad und fühle mich grossartig. Mein Sieg über Manfred hat sich gelohnt. Er läuft zwei Meter hinter mir und ist immer noch zutiefst beleidigt.

Das nächste Mal schlägt Manfred zu, als es darum geht, die Treppen (… in den 5. Stock ...) zu nehmen oder den Lift zu bemühen. Manfred – deutlich grösser als zuvor, flüstert mir ins Ohr: „Denk daran, Du bist – wie immer am Morgen – in Eile, der Lift ist schneller!“ – irgendwie hat er recht, ich nehme den Lift. Manfred steht neben mir und lacht ins Fäustchen, streckt mir die Zunge heraus und ruft: „Atsch, ätsch!!“. Er sieht proper aus und sehr zufrieden. Mist, ich habe ihm nicht widersprochen. Für den Rest des Tages halte ich ihn klein und ignoriere ihn.

Das nächste Mal, dass ich das „Superman“-T-Shirt an Manfred sehe, ist am Abend, als mir mein Mann ein Apéro anbietet. Manfred steht geifernd in der Ecke und passt kaum in den Raum herein, es ist unfassbar! „Nur zu, greif zu, trink ein Schlückchen, Du hast es verdient!“, scheint er mir zuzurufen. Er jongliert mit Wein- und Champagnerflaschen, Chipstüten und Erdnüssen sehr geschickt, wobei die Gegenstände unmittelbar unter meiner Nase entlangfliegen.

Moment – kein Alkohol heisst die Devise – Manfred schrumpft. Dann brauche ich auch keine Knabbereien, ein feines Tässchen Tee tut es ja nun auch. ­Manfred jault auf.

Ausserdem gibt es gleich Abendessen, also Apéro unnötig. Manfred weint und dreht mir den Rücken zu, klein und fast unsichtbar.

Jetzt sage ich: „ÄTSCH, MANFRED!“

Warum kann ich Manfred nur nicht immer klein ­halten?

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