Tiefsitzender Sinus marginalis placentae
Wie viele Male haben wir uns (und der Patientin) eine vaginale Blutung mit „Blutung aus dem plazentaren Randsinus“ erklärt? Wahrscheinlich jedes Mal, wenn wir keine greifende Erklärung gefunden bzw. im Ultraschall nichts gesehen haben. Die häufigste Diagnose bei Blutungen ist entweder eine tiefsitzende Plazenta oder gar eine Plazenta praevia. Als tiefsitzend wird eine Plazenta bezeichnet, welche ≤2 cm an den inneren Muttermund heranreicht. Je näher der Plazentarand an den Muttermund reicht, desto häufiger sind Blutungen. Bei einer Distanz von <1 cm wird grosszügig eine elektive Sectio empfohlen da das Risiko einer verstärkten Blutung sub partu hoch zu sein scheint.
Nun, im vorliegenden Fall hat man eher etwas „Echoreiches, Flüssiges“ gesehen hinter dem Amnion, bis an das Ostium internum der Zervix reichend und nicht Plazentagewebe. Im Farbdoppler sieht man auch atemabhängige Bewegungen innerhalb dieser plazentaren Randzone. Ich habe das als Randsinus der Plazenta interpretiert. Der Randsinus ist eine enigmatische Struktur, welche auch in den sachkundigen Anatomiebüchern kaum erwähnt wird. Obwohl in der angloamerikanischen Literatur behauptet wird, sie seien die ersten, welche über eine „Ruptur des sinus marginalis“ als Komplikation einer Schwangerschaft 1959 berichtet haben, findet man in der deutschen Literatur bereits um die Jahrhundertwende Fallberichte über solche Rupturen (1–4). 1929 berichtet Schmidt über zwei Fälle und präsentiert auch eine Zeichnung einer solchen Plazenta (Abb. 1) (3).
Bei den beschriebenen Fällen handelt es sich meist um Blutungen im 3. Trimenon. In der neueren Literatur beschreibt Ryo et al. einen Fall, wo der marginale Sinus bis zum inneren Muttermund reicht (4). Solche Fälle sollten – seiner Meinung nach – behandelt werden wie eine Plazenta praevia. Nun, das mag wohl stimmen, wenn man Hinweise für zirkulierendes Blut in diesem Randsinus hat.
Abbildung 2A zeigt ebenfalls etwas Ähnliches wie ein Randsinus in den Videos, dieser Bereich ist aber echoleer und sieht eher wie eine chorio-amniale Separation im unteren Segment aus. Bei Kontraktion des Uterus ist diese Ablösung auch „geglättet“ worden (Bild 2B). In diesem Fall lag auch eine Zervixinsuffizienz vor mit U-förmiger Eröffnung der inneren Hälfte des Zervikalkanals. In einer retrospektiven MRI-Studie aus Taiwan wurden 27 Fälle mit darstellbarem Sinus placentae im unteren Uterinsegment beschrieben (5). In allen Fällen lag die Plazenta mindestens tief. In dieser Arbeit haben sie interessanterweise eine neue Entität definiert, und zwar Plazentatiefsitz MIT darstellbarem Sinus marginalis. Diese Beobachtung könnte hilfreich sein in der Festlegung des Geburtsmanagements bei Tiefsitz der Plazenta. Falls assoziiert mit echoleerem Sinus marginalis placentae (Abb. 1), könnte auch eine normale Geburt angestrebt werden. Falls, wie in unserem Fall, der Inhalt nicht echoleer ist (DD mit Blut gefüllter Randsinus), dann lieber elektive Sectio. Ob diese zwei sonographischen Befunde tatsächlich dem anatomischen Randsinus entsprechen, weiss ich auch nicht.
Literatur
1. Ferguson JH. N Engl J Med. 1956; 254:645–8
2. Ferguson JH. Am J Obstet Gynecol. 1955; 69:995–1004
3. Schmidt P. Archiv für Gynäkologie. 1927; 130: 646–52
4. Ryo E. et al. Clin Case Rep. 2019; 7:826–8
5. Ishibashi H et al. Taiwan J Obstet Gynecol. 2018 Aug; 57:
532–5.