B3-Läsionen der Mamma – Aktuelles zum klinischen Management
Gewebeproben aus Stanz- und Vakuumbiopsien der Brust werden in vielen Ländern in die fünf Kategorien der B-Klassifikation unterteilt. Diese dient der Dokumentation histopathologischer Befunde in der Mammadiagnostik sowie der Bewertung von mittels Stanz- oder Vakuumbiopsie abgeklärten Gewebeveränderungen. Das Management nach einer Biopsie richtet sich nach der jeweiligen B-Kategorie. Während das Vorgehen bei Nachweis einer B2-, B4 oder B5-Kategorie in der Regel klar ist, ist bei den B3-Befunden – je nach Art der Läsion – eine individuelle Bewertung nötig.
Bei den B3-Läsionen handelt es sich um Veränderungen, deren malignes Potenzial nicht abschliessend eingeschätzt werden kann.
B3-Läsionen der Brust stellen dabei eine
sehr heterogene Gruppe von histopathologischen Veränderungen dar, deren
Repräsentativität in Bezug auf die bildgebenden Veränderungen kritisch
korreliert werden muss und deren klinisches Management je nach diagnostischen
und chirurgischen Möglichkeiten durchaus unterschiedlich gehandhabt wird. Ihr
Anteil an allen bioptierten Brustläsionen beträgt ca. 7 % und ist in
mammographischen und MRI-Biopsien etwas höher als in sonographisch gesteuerten
Gewebeentnahmen [1]. Ihr malignes Potenzial variiert und wird zwischen
<2 % und ca. 40 % angegeben. Nicht alle B3-Läsionen sind dabei mit
Zellatypien assoziiert.
Folgende histopathologische Veränderungen werden zu den B3-Läsionen gezählt:
Darüber hinaus werden die nachfolgenden selteneren Läsionen ebenfalls B3-klassifiziert:
Das spezifische Brustkrebsrisiko variiert dabei, die Häufigkeitsverteilung und die Assoziation mit Mikrokalzifikationen sind ebenfalls unterschiedlich. Aufgrund der verbesserten Sensitivität vor allem der radiologischen Bildgebung, aber auch durch die breiteren Screening-Angebote und höhere Bereitschaft zur minimal invasiven Abklärung auffälliger Befunde hat die Inzidenz der B3-Läsionen zugenommen. Die Mehrheit der Befunde fällt dabei als Zufallsbefund in der radiologischen Bildgebung auf und verursacht keine klinischen Symptome.
Neben dem beschriebenen histopathologischen „Upgrade“ zu einem DCIS oder invasiven Mammakarzinom im Rahmen einer offenen Nachresektion sind einige der B3-Läsionen, wie die ADH oder die LN, zusätzlich assoziiert mit einem erhöhten Risiko für die spätere Entwicklung eines Mammakarzinoms und damit als Indikatorläsionen zu sehen.
In der Vergangenheit wurden B3-Läsionen aufgrund ihres unklaren Potenzials fast durchweg einer offenen Exzision zugeführt. Dies stellte in den meisten Fällen schlussendlich eine unnötige Überbehandlung dar, da die Histopathologie bestätigt und höhergradige Neoplasien ausgeschlossen werden konnten. Das Management hat sich in den letzten Jahren daher deutlich zugunsten einer minimal-invasiven Abklärung verschoben. Dies vor allem auf der Basis neuer Daten, die zeigen, dass der prädiktive Wert für das gleichzeitige Vorliegen maligner oder prämaligner Läsionen an gleicher Stelle für einige der B3-Läsionen sehr niedrig ist.
Da die meisten B3-Läsionen typischerweise lokal wenig ausgedehnt sind, ist eine Entfernung der bildgebenden Auffälligkeiten mittels Vakuumbiopsie (VAB) in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund gerückt und wird mittlerweile in vielen Fällen als Therapie der ersten Wahl angesehen. Die VAB erlaubt in vielen Fällen eine vollständige Resektion der Befunde und kann für sonographische, mammographische sowie Veränderungen im MRI genutzt werden.
Mittlerweile stehen umfangreiche Daten zur Bewertung von B3-Läsionen sowie entsprechende Guidelines zur Verfügung, dennoch wird die Frage nach der suffizienten Behandlung weiterhin oft kontrovers diskutiert. Eine interdisziplinäre Diskussion der Behandlungsoptionen durch ein Team aus Radiologen, Senologen und Pathologen sollte jeder minimal-invasiven Brustbiopsie (MIBB) folgen und wird im Setting eines zertifizierten Brustzentrums auch explizit gefordert. Bei der Entscheidung für eine offene Biopsie oder alternativ ein klinisch-radiologisches Follow Up sollten neben dem Subtyp und der Grösse der Läsion der prä- und postinterventionellen Diagnostik und Befundkongruenz sowie der MIBB-Methode auch das Alter der Patientin, individuelle Risikofaktoren und die Lebenserwartung berücksichtigt werden.
Die stärksten unabhängigen Risikofaktoren für ein histopathologisches Upgrade sind dabei in grossen retrospektiven Untersuchungen Alter >55y, Befundgrösse >1 cm und mammographischer BIRADS 4b/4c-Befund.
In der Schweiz werden mittels Vakuumbiopsie diagnostizierte oder resezierte Mammaläsionen seit 2007 in eine Datenbank der MIBB eingegeben, die mittlerweile die Daten von mehr als 30 000 VABs umfasst. Der Anteil an B3-Läsionen beträgt dabei knapp 20 %. Die gewonnenen Daten und Informationen wurden zuletzt in 2018 ausgewertet, innerhalb einer Konsensuskonferenz kritisch diskutiert und in 2019 publiziert [2].
Papilläre Läsion
Papillome sind histomorphologisch heterogene, fibrovaskuläre und von Epithel bedeckte Ausstülpungen in das Milchgangslumen und zählen zu den häufigsten B3-Läsionen (Abb. 1). Eher selten sind sie mit Atypien assoziiert und sehr variabel in ihrer Grösse. Unterschieden werden je nach Lokalisation zentrale, zumeist solitär in den grossen Ausführungsgängen vorkommende Läsionen von peripheren Papillomen, die zumeist deutlich kleiner sind und multipel auftreten. Die Detektion erfolgt eher selten mammographisch, häufiger fallen sie durch eine uniduktale seröse, seltener auch blutige Mamillensekretion auf und sind dann sonographisch oder im MRI darstellbar. Finden sich Atypien, ist deren Ausdehnung innerhalb des Papilloms massgebend für die histopathologische Zuordnung. Diese kann erschwert sein, wenn die Läsion nur partiell in mehreren Biopsiezylindern erfasst wurde.
Papillome ohne Atypien sind eher nicht mit einem relevant erhöhten Karzinomrisiko verbunden, das Risiko assoziierter Neoplasien ist gering (9–13 %). Bei Nachweis von Atypien ist ein Upgrade zu einem DCIS dagegen wesentlich wahrscheinlicher (36–48 %) [3].
Radiäre Narbe /
komplexe sklerosierende Läsion
(RN/CSL)
Histopathologisch handelt es sich bei diesen Läsionen um gleichartige Befunde mit zentraler Fibroelastose und peripheren fibrozystischen Veränderungen mit sternförmiger Kontur (Abb. 2). Die Unterschiede in der Definition richten sich nach der Grösse. Während Läsionen <1 cm als radiäre Narbe bezeichnet werden, zählen solche >1 cm zu den komplexen sklerosierenden Läsionen. Zellatypien sind eher selten, höhergradige Neoplasien können aber vorhanden sein. In der Regel fallen die Veränderungen in der Mammographie als spikulierte Retraktion oder Architekturstörung auf. Sie sind eher selten (1–2 % der Stanzbiopsien) und kommen häufiger bei älteren Patientinnen vor. Mikroverkalkungen können vorkommen. Insgesamt kann in der Bildgebung die differenzialdiagnostische Unterscheidung von einem Karzinom schwierig sein. Auch bei der RN/CSL hängt das Risiko eines Upgrades vom Ausmass vorhandener Atypien ab, liegt aber in Stanzbiopsien bei durchschnittlich <10 % [4].
FEA
Zu dieser Gruppe werden Kolumnarzellveränderungen in den terminalen Drüsenendgängen mit niedriggradigen Atypien gezählt. Die differenzialdiagnostische Unterscheidung von einem Flat-high-grade-DCIS kann hierbei schwierig sein, eine gleichzeitig vorhandene ADH, LN oder LCIS ist nicht selten [5]. Die FEA ist oftmals mit gruppierten amorphen Mikrokalzifikationen assoziiert, nicht selten aber auch ein Zufallsbefund in Stanzbiopsien. Sie kommt häufiger bei Frauen mit dichtem Brustdrüsenparenchym vor.
Das Risiko für höhergradige Neoplasien liegt für die FEA bei ca. 15 % und ist assoziiert mit der Grösse der radiologischen Läsion, dem Alter der Patientin und dem Vorhandensein multipler Foci. Frauen mit einer nachgewiesenen FEA haben ein gering höheres Brustkrebsrisiko (ca. 1.5-fach) [6].
ADH
Als atypische duktale Hyperplasie werden mikrofokale Läsionen bezeichnet, die histopathologisch heterogene atypische Epithelproliferationen enthalten (Abb. 3). Sie unterscheiden sich allein durch ihre geringe Ausdehnung von <2 mm von einem Low-grade-DCIS. Üblicherweise sind sie mit gruppierten Mikrokalzifikationen assoziiert (75–86 %) [4]. In der Regel stellen sie mammographische Zufallsbefunde dar. Eine abschliessende Beurteilung ist in Stanz-Biopsieproben in der Regel nicht möglich.
Das Risiko eines Upgrades zu einer höhergradigen Neoplasie ist sehr heterogen, eng mit der Probengrösse verknüpft und somit beim Nachweis in einer Stanzbiopsie (14G) am grössten (18–87 %). Durchschnittlich beträgt es knapp 40 %. Ebenfalls assoziiert mit einem histopathologischen Upgrade sind das Alter der Patientin und die bildgeberische Ausdehnung der Läsion. Nach vakuumbioptischer vollständiger Befund-Entfernung ist das Restrisiko dagegen insgesamt moderat.
Patientinnen mit einer nachgewiesenen ADH haben ein ca. 4-fach höheres Brustkrebsrisiko ipsi- und kontralateral, sodass hier im Verlauf regelmässige jährliche Mammographien empfohlen werden.
LN
Als „klassische LN“ werden hoch bis mässig differenzierte intralobuläre Epithelproliferationen bezeichnet, die der ALH und dem LCIS biologisch sehr ähnlich sind (Abb. 4). Hiervon abzugrenzen sind die „pleomorphe und die floride LN“, die einem DCIS vergleichbar sind, als B5a-Läsion klassifiziert und entsprechend therapiert werden [5].
Die klassische LN ist in der Regel asymptomatisch. Sie wird zumeist als Zufallsbefund ohne eigenes bildgebendes Korrelat bei der Abklärung auffälliger, letztlich benigner radiologischer Befunde nachgewiesen. Sie kann uni- oder bilateral, uni- oder multifokal bzw. multizentrisch vorkommen. Mikroverkalkungen sind eher selten, typischer werden sie jedoch im Zusammenhang mit dem pleomorphen Subtyp gefunden [7]. In der offenen Biopsie ist ein histopathologisches Upgrade zu einer höhergradigen Neoplasie nicht selten (27–36 %), darüber hinaus ist eine LN auch eine Indikatorläsion und ein Risikomarker für ein bis zu 10× erhöhtes ipsi- und kontralaterales Brustkrebsrisiko. Zusätzliche Risikofaktoren sind der Nachweis von Nekrosen, die pleomorphe Histopathologie, pathologisch-radiologische Diskordanzen, die Assoziation mit einer ADH.
Bis vor einigen Jahren wurde der Grossteil der histopathologisch gesicherten B3-Läsionen nach Diagnosestellung in einer minimal invasiven Biopsie einer anschliessenden offenen Exzision zugeführt. Mittlerweile wissen wir, dass hierauf bei einer Vielzahl der Fälle verzichtet werden kann.
Aufgrund der insgesamt geringen, aber ausgesprochen heterogenen Wahrscheinlichkeit einer höhergradigen Neoplasie neben einer B3-Läsion ist ein individuelles Management abhängig von der Art der Läsion und der Präsentation in der Bildgebung notwendig. Konkordanz zwischen Histopathologie und Bildgebung sowie Management sollten zwingend in interdisziplinären Konferenzen mit Beteiligung eines Radiologen, Operateurs und Pathologen individuell besprochen werden. Dennoch können und sollten dabei auch grundsätzliche Verfahrensempfehlungen berücksichtigt werden.
Die Entscheidung für oder gegen eine offene Exzisionsbiopsie sollte dabei grundsätzlich anhand von histopathologischen Befunden gefällt werden, die durch eine Vakuumbiopsie gewonnen wurden. Im Kontext einer B3-Läsion sollte dabei beabsichtigt werden, nicht nur eine diagnostische Biopsieentnahme durchzuführen, sondern möglichst die bildgebende Veränderung komplett oder zumindest überwiegend und damit ausreichend repräsentativ zu resezieren. Die Wahl der Nadelgrösse sollte sich dabei nach dem Durchmesser der zu entfernenden Läsion richten. Bei grösseren Läsionen sollte zudem immer die Entnahme von Proben an mehreren Stellen erwogen werden.
Internationale Leitlinien empfehlen folgendes grundsätzliches Vorgehen nach Diagnosestellung einer B3-Läsion in einer minimal invasiven Biopsie [2, 8, 9].
Papilläre Läsion
Bei Nachweis eines Papilloms in einer minimal invasiven Biopsie kann auf eine offene Biopsie verzichtet werden, die repräsentative Probe und Konkordanz der Histopathologie mit der radiologischen Bildgebung vorausgesetzt. Das heisst, dass ein mittels Stanzbiopsie diagnostiziertes Papillom mittels Vakuumbiopsie entfernt werden sollte, aber nicht mittels offener Biopsie behandelt werden muss. Bei Nachweis multipler, vor allem peripherer Papillome sowie vorhandenen Atypien muss die offene Exzision erwogen werden.
Radiäre Narbe / komplexe sklerosierende Läsion
Ist die Läsion klein und der radiologische Befund nach VAB bereits vollständig entfernt, kann auf die offene Biopsie verzichtet werden. Bei Nachweis am Resektionsrand einer offenen Exzision ist keine Nachresektion erforderlich.
FEA
Nach vollständiger interventioneller Entfernung der radiologischen Läsion kann auf eine offene Biopsie verzichtet werden. Bei Nachweis einer FEA im Randbereich einer Exzisionsbiopsie ist ebenfalls keine Nachresektion erforderlich. Bei verbliebenen Mikrokalzifikationen sollte dies dennoch kritisch diskutiert werden.
ADH
Grundsätzlich sollte eine offene Exzision diskutiert werden. Ein Verzicht ist möglich nach vollständiger Entfernung der radiologischen Läsion, bei lediglich kleinem Focus in der VAB-Probe oder nach histopathologischen Zufallsbefunden bei fehlender Auffälligkeit in der Bildgebung.
LN
Bei Nachweis einer pleomorphen oder floriden LN (B5a-Läsion) in der VAB besteht die Indikation zu einer offenen Exzision.
Wird eine klassische LN in einer VAB nachgewiesen, so kann nach vollständiger Entfernung der radiologischen Läsion und gesicherter Konkordanz mit der Bildgebung gegebenenfalls auf die offene Biopsie verzichtet werden. Auch bei Nachweis einer klassischen LN am Resektionsrand einer offenen Biopsie besteht keine Indikation zu einer Nachresektion.
Die weiteren Verlaufskontrollen nach der Entfernung einer B3-Läsion mittels Vakuumbiopsie oder offener Exzision sollten sich grundsätzlich nach dem Alter der Patientin und dem aus der Läsion resultierenden Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms richten.
Für den Grossteil der B3-Läsionen (radiäre Narbe, komplexe sklerosierende Läsion, FEA, Papillome ohne Atypien) sind mammographische Verlaufskontrollen in 2-Jahres-Intervallen ausreichend.
Patientinnen nach Behandlung einer LN oder ADH haben dagegen ein relevant erhöhtes ipsi- und kontralaterales Brustkrebsrisiko und sollten in der Folge jährliche senologische Kontrollen inklusive Mammographie erhalten.
Die Wahrscheinlichkeit, eine höhergradige Neoplasie im Zusammenhang mit einer B3-Läsion zu finden, die mittels minimal invasiver Biopsie detektiert wurde, ist insgesamt gering und liegt durchschnittlich bei etwa 17 % (6–32 %) [10].
Ein konservatives Management und der Verzicht auf eine offene Exzisionsbiopsie sind damit überwiegend gerechtfertigt, setzen aber eine interdisziplinäre kritische Diskussion und die Konkordanz von radiologischer Bildgebung und histopathologischem Befund voraus.
Insbesondere eine ADH oder LN sind sowohl mit einem erhöhten Risiko für ein histopathologisches Upgrade als auch mit einem langfristig höheren ipsi- und kontralateralen Brustkrebsrisiko assoziiert. Hier sollte eine offene Exzision diskutiert und die Patientinnen nachfolgend jährlich mammographisch nachkontrolliert werden.