Ovulationshemmer senken Risiko für Ovarial- und Endometriumkarzinom/Auch bei BRCA-Mutationsträgerinnen/Neue Aspekte zu Lichen Sclerosus/Sexuelle Orientierung pränatal festgelegt/Mammakarzinome in der Schwangerschaft mit aggressiverem Phänotyp/Höheres Risiko für Herzkreislauferkrankungen bei Frauen mit tieferen Blutdruckwerten/Solarium soll Risiko für Endometriose erhöhen/Worte gleich analgetisch wie Tramadol/Diagnose einer intrahepatischer Schwangerschaftscholestase/Ovulationsnachweis bei Frauen mit normalen Zyklen unnötig/Neue Endometriose-Klassifikation (Enzian)
Ziel der Studie war, die Einnahme von OH über einen längeren Zeitraum mit dem Karzinomrisiko (Ovarial-, Endometrium- und Mamma-Ca) zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden die Daten der UK Biobank (UKB) einer Querschnittskohorte mit retro -und prospektivem Design benutzt. Zwischen 2006 und 2009 wurden total 502 682 Personen erfasst, davon 273 404 Frauen, die zwischen 1939 und 1970 geboren wurden.
Kumulative Risiken während der Studiendauer wurden mit der ODDS Ratio (OR), das instantane Risiko mittels Hazard Ratio (HR) ausgedrückt.
Resultate
Frauen, die OH einnahmen, hatten ein signifikant niedrigeres Risiko, an Endometrium- oder Ovarial-Ca zu erkranken (OR 0.68) (95 % CI 0.65–81) bzw. 0.72 (0.56–0.81).
Die Risikoreduktion nahm mit zunehmender Einnahmedauer signifikant weiter ab (p <0.001). Keine signifikante Veränderung ergab sich beim Mamma-Ca (OR = 1.02) (95 % CI: 0.98–1.06).
Bei 185 057 Frauen war die Einnahmedauer bekannt (durchschnittlich 10,7 Jahre).
Frauen, die OH mindestens 20 Jahre einnahmen, hatten noch deutlich niedrigere relative Risikos (Endomotrium-Ca OR 0.36, Ovarial-Ca 0.60). Dieser Trend liess sich für das Mamma-Ca nicht nachweisen (Karlsson, T. et al., Cancer Res DOI :11.1158/0008–5472. CAN-20-2476).
Kommentar
Dies ist eine der grössten Studien mit dem längsten follow-up. Die Daten belegen eine protektive Wirkung von OH auf das Endometrium- und Ovarialkarzinom, welche 30–35 Jahre nach OH-Stop anhält. Bei Mamma-Ca besteht kurzfristig ein leicht erhöhtes Risiko während weniger als zwei Jahre nach OH-Stop (HR 1.55). Das Lebenszeitrisiko für das Mamma-Karzinom ist jedoch nicht erhöht.
Wenn es um die Kontrazeptionsberatung geht, ist es schon wichtig zu wissen, dass eine längere OH-Einnahmedauer das Ovarial- und Endometriumrisiko ganz wesentlich senkt.
Michael K. Hohl
In einer retrospektiven Studie wurden knapp 4000 BRCA1-Mutationsträgerinnen und etwa 2500 BRCA2-Mutationsträgerinnen untersucht. Als Co-Variante wurde unter anderem die Diagnose eines Mammakarzinoms aufgenommen. Anwenderinnen oraler Kontrazeption zeigten unabhängig von der Dauer der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums eine geringere Inzidenz von Ovarialkarzinomen (BRCA1 59 % versus 89 %, BRCA2 54 % versus 81 %). Eine längere Einnahmedauer und ein früher Einnahmebeginn stellten sich als protektive Faktoren dar (Anwendung über 10 Jahre: HR 0.37) – diese Effekte liessen sich jedoch aufgrund der Patientinnen-Zahl statistisch signifikant nur bei BRCA1-Mutationsträgerinnen nachweisen (Schrijver LH et al., Oral contraceptive use and ovarian cancer risk for BRCA1/2 mutation carriers: an international cohort study. AJOG Feb 2020; in press).
Kommentar
Die protektive Wirkung der Einnahme oraler Kontrazeptiva auf das Ovarialkarzinomrisiko ist schon lange bekannt. Die Fragestellung, ob dieser Effekt auch bei BRCA-Mutationsträgerinnen zu beobachten ist, erscheint durchaus relevant. Auch wenn ohne Wenn und Aber bei Vorliegen einer Mutation die beidseitige Adnexektomie empfohlen werden muss: die Planung dieses Eingriffs erfolgt erst nach Abschluss der Familienplanung. In einer Zeit, in der Testungen zunehmen und wir vermehrt auch junge Patientinnen mit bekannter BRCA-Mutation betreuen werden, ist die orale Kontrazeption nach den vorliegenden Daten möglicherweise eine Option, die zur Risikoreduktion in früheren Lebensjahren diskutiert werden kann.
Martin Heubner
Der u. g. Artikel gibt einen sehr spannenden Überblick zum Thema Lichen Sclerosus mit innovativen therapeutischen Aspekten. Diese verbreitete autoimmune Erkrankung mit genetischer Komponente ist oft mit Hashimoto Thyreoiditis, Alopecia areata, Vitiligo und perniziöser Anämie vergesellschaftet.
Die optimale Behandlung des Lichen verhindert bei complianter Patientin das Auftreten von Plattenepithelcarcinomen.
Tropische Calciparin-Inhibitoren wie z. B. Tacrolimus verhindern im Gegensatz zu der klassischen Steroidtherapie eine Atrophisierung der Haut (Krapf JM et al., International Journal of Women’s Health 2020:12, 11–20).
Kommentar
CO2-Laserapplikation hat in bisher kleineren Studien einen günstigen Effekt auf Lichen Sclerosus gezeigt.
Annette Kuhn
Die vorliegende Studie analysiert die aktuelle Evidenz hinsichtlich genetischer Einflüsse und kommt zu dem Schluss, dass die hormonellen Einflüsse in der Pubertät und später lediglich einen modifizierenden Effekt auf die sexuelle Orientierung haben (Ristori J, et. al., Int. J. Mol. Sci. 2020; 21, 2123).
Kommentar
Grosse Studien, die monozygote Zwillinge einbezogen haben, kommen in dieser Metaanalyse zu diesem Schluss.
Annette Kuhn
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei schwangeren Frauen und kommt in ca. einer von 3000 Schwangerschaften vor. Der schwangerschafts-assoziierte Brustkrebs (PABC) macht 6.9 % aller Brustkrebserkrankungen bei Frauen unter 45 Jahren aus. Dabei ist definitionsgemäss die Brustkrebsdiagnose in der Schwangerschaft bis ein Jahr danach gemeint. In einer populationsbezogenen niederländischen Kohortenstudie wurden 744 Frauen mit PABC zwischen 1988 und 2019 identifiziert. Eine altersentsprechende Kohorte mit unselektionierten Brustkrebspatientinnen unter 45 Jahren, diagnostiziert zwischen 2013 und 2016, wurde als Kontrollgruppe etabliert. PABC-Patientinnen hatten signifikant mehr G3-Tumore und geringere Hormonrezeptoren-Expression im Vergleich mit den nicht schwangerschafts-assoziierten Mammakarzinomen. HER2-positive Mammakarzinome und triple-negativer Brustkrebs waren in der PABC-Gruppe signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe (Suelmann BBM et al., Breast Cancer Research and Treatment [2021]).
Kommentar
Diese Studie zeigt, dass die PABC ein aggressiveres histopathologisches Profil aufweisen. Das verdeutlicht einmal mehr die Wichtigkeit einer frühzeitigen Diagnosestellung sowie einer optimalen Therapie in dieser Patientinnengruppe.
Cornelia Leo
Tatsächlich zeigt diese Analyse von Daten, welche prospektiv aus verschiedenen Kohortenstudien (Framingham Heart Study, Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis, Atherosclerosis Risk in Communities Study, and Coronary Artery Risk Development in Young Adults Study) stammen, dass das Herzinfarktrisiko bei Frauen bei einem Blutdruck von 110–119 mmHg dem der Männer mit einem Blutdruck von ≥160 mmHg entspricht. Auch das Herzinsuffizienz-Risiko liegt bei Frauen 10 mmHg tiefer (110–119 mmHg) als bei Männern und dasjenige für Hirnschlag ist bei Frauen bei einem Blutdruck von 120 bis 129 mmHg vergleichbar mit demjenigen von Männern mit einem Blutdruck von 140 bis 149 mmHg. Diese Erkenntnisse müssen noch bestätigt werden. Ich gehe davon aus, dass die Blutdruckzielwerte bei Frauen nach unten korrigiert werden müssen (Ji H et al., Circulation 2021; 143:761–3).
Luigi Raio
In einer Studie der Universität Arizona konnte gezeigt werden, dass Frauen, die als Jugendliche und im jungen Erwachsenenalter mehr als dreimal pro Jahr ein Solarium besuchten, ein um ein Drittel höheres Risiko hatten, eine Endometriose zu entwickeln im Vergleich zu Frauen, die nie die Sonnenbank benutzt haben. Spannenderweise haben Frauen, welche in Regionen mit einer hohen UV-Belastung lebten, sogar ein erniedrigtes Risiko, an einer Endometriose zu erkranken. Natürliche UV-Strahlen scheinen also das Risiko nicht zu erhöhen. Möglicherweise ist das Risiko durch eine schädigende Wirkung der ultravioletten A-Wellenlängen in Solarien erhöht. Im Gegensatz dazu scheint die Optimierung der Vitamin-D-Synthese bei Frauen in Wohngebieten mit hoher UV-Exposition eine protektive Wirkung zu haben (Farland, L. V. et al., Hum Reprod 2021; 36:199–210).
Michael D. Mueller
In einer aktuell veröffentlichten Studie wurden 54 Frauen untersucht, die ambulant ein levonorgestrelhaltiges IUD erhielten. Randomisiert bekamen diese vor der Insertion entweder Tramadol oral oder keine medikamentöse Unterstützung, sondern stattdessen eine besondere Zuwendung im Sinne einer ausführlicheren Beratung und Aufklärung mit Fokus auf das Schaffen einer vertrauensvollen, professionellen Atmosphäre. Das Ergebnis: Die Schmerzangabe auf der visuellen Analogskala unterschied sich im Median bei beiden Gruppen nicht voneinander, Komplikationen oder Schwierigkeiten bei der Insertion traten in gleicher Häufigkeit auf (Daykan Y, EJOG 2021 in press).
Kommentar
Wie so oft zeigt sich die enorme Wichtigkeit der persönlichen Betreuung der Patientinnen. Was wohl passiert wäre, wenn die Frauen beide Interventionen erhalten hätten?
Martin Heubner
Eigentlich ist dieses klinisch-anamnestische Krankheitsbild klar definiert. Die Frauen leiden an einem extremitätenbetonten Pruritus ohne Effloreszenzen, ohne primäre Ursachen, meist im dritten Trimenon, und die Serumgallensäuren (SGS) sind erhöht. Die Krux dabei sind gerade diese SGS. Es gibt verschiedene Normwerte in der Literatur, um eine Diagnose zu stellen, Werte, um den Schweregrad und auch das Risiko für die Schwangerschaft abzuschätzen (<40 µmol/l für leicht, ≥100 µmol/l für schwere Formen), und ob nüchtern oder postprandial abgenommen. Wir haben bereits in der zweiten FHA Ausgabe 2019 ausführlich über die ISC berichtet. Auch dort war nie ganz klar, ob man von nüchtern- oder postprandialen SGS spricht. Nun, Mitchell et al. scheinen diese Problematik ebenfalls erkannt zu haben und präsentieren in einem komplexen Studienaufbau ihre Schlussfolgerungen zu dieser SGS-Problematik (Mitchell AL et al., BJOG 2021; Feb 15).
Kommentar
Ich will mich hier kürzer fassen als in der Einführung: Nüchtern-SGS ≥11 µmol/l oder postprandial >19 µmol/l für die Diagnose einer ISC, wobei die pp-Bestimmung eine höhere Effektivität aufweist, um auch die schweren Formen (≥40 µmol/l) zu erfassen. Ein Wert <19 µmol/l ist nicht mit einer höheren perinatalen Problematik assoziiert.
Luigi Raio
Ganz selbstverständlich gilt der Nachweis einer Ovulation als integraler Bestandteil einer Sterilitätsabklärung. So lauten dementsprechend auch die Empfehlungen von Sterilitätsorganisationen (ASRM [USA]; NICE [UK] etc.)
Eireifungsstörungen sind ja ein häufiger Grund (bis 40 %) für eine Subfertilität.
Aber: Alle drei WHO-Typen von Ovulationsstörungen (Hypothalamisch, Hypophysär und Ovariell) gehen einher mit Zyklusstörungen (Oligo-Amenorrhoe).
Auch eine sogenannte sporadische Anovulation (ein- bis zweimal pro Jahr) führt nicht zu einer Fertilitätsminderung. Bei einer prospektiven Untersuchung fanden die Autorinnen bei eumenorrhoischen Frauen anovulatorische Zyklen nur in 0.5 % (Ultraschall) bis 7,1 % (Progesteron). Während Chinta et al. schlussfolgern, dass ein getimter Ultraschall genüge, eine Progesteronbestimmung hingegen unnötig sei, stellt sich trotzdem die Frage, ob ein Ovulationstest überhaupt indiziert ist.
DeVilbiss, E et al. kommen zum Schluss, dass sogenannte sporadische Anovulationen bei eumenorrhoischen Frauen (1–4 % Häufigkeit) die Zeit bis zu einer Schwangerschaft nur um einen Zyklus verlängern und deshalb die Ovulationstestung in dieser Gruppe unnötig sei (Chinta P.R et al., Fertil. Steril. 2020; 114:1315) (DeVilbiss E et al., Fertil. Steril. 2020; 114:1187).
Kommentar
Ganz darauf verzichten bei Frauen mit regelmässigen Zyklen?
Aus ökonomischen Überlegungen: Ja. Andererseits benutzen viele Frauen bereits sogenannte Ovulationskits zum besseren GV-Timing „fertiles Fenster“ (was die Fekundabilität tatsächlich erhöht!)
Ein „getimter Ultraschall“ ist sehr zuverlässig und gehört sowieso zur Grundabklärung (Uteruspathologie? Endometriumpolypen etc.).
Unsere Empfehlung ist deshalb: Auf eine Progesteronbestimmung kann man absolut verzichten. Ein getimter Ultraschall hingegen beantwortet zusätzliche Fragen.
Michael K. Hohl
Die Fortschritte der präoperativen Diagnostik und der chirurgischen Therapiemöglichkeiten in der Behandlung der Endometriose, insbesondere der tief-infiltrierenden Endometriose, haben ein neues Klassifikationssystem gefordert, welches alle Aspekte der Krankheit (Peritoneal-, Ovarial- und tief-infiltrierende Endometriose) und deren Begleitadhäsionen einbezieht.
Die allgemein akzeptierte r-ASRM-Klassifikation weist gewisse Einschränkungen auf. Sie ermöglicht zum Beispiel nur eine unvollständige Beschreibung der tief-infiltrierenden Endometriose (TIE). Im Gegensatz dazu hat die Enzian-Klassifikation sich in den letzten Jahren als die beste Möglichkeit, die TIE einzuteilen, erwiesen. Peritoneal-, Ovarialendometriose sowie Adhäsionen können mit der Enzian Klassifikation jedoch nicht eingeteilt werden, weshalb nun mit #Enzian ein umfassenderes Klassifikationssystem erarbeitet wurde, um die Ausdehnung der Krankheit vollständig abbilden zu können (Keckstein J et al., Acta Obstet Gynecol Scand. 2021; 00:1–11).
Michael D. Mueller