Senologie up to date - Update vom 43. San Antonio Breast Cancer Symposium 2020

Auch für das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) war das Jahr 2020 eine Herausforderung. Nicht wie sonst pilgerten tausende von Brustkrebs­experten aus aller Welt nach San Antonio, Texas. Vielmehr fand das Meeting virtuell vom 8. bis 11. Dezember 2020 statt, war aber deshalb nicht minder interessant und weg-weisend. Im Folgenden habe ich Ihnen einige Kongress-Highlights ausgewählt, die neue Optionen für die Therapie unserer Brustkrebspatientinnen – sowohl in Richtung Eskalation, aber auch Deeskalation bedeuten.

Frühes Mammakarzinom

Bereits vor drei Jahren wurden in San Antonio die Daten der TailorX-Studie vorgestellt: Postmenopausale Patientinnen mit nodal-negativem, Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom und einem Oncotype Recurrence Score (RS) von <25 profitierten nicht von der Hinzunahme einer Chemotherapie [1]. In der Folge konnte vielen Brustkrebspatientinnen die Chemotherapie erspart und eine alleinige endokrine Therapie indiziert werden.

Beim SABCS 2020 wurden nun die lang erwarteten Ergebnisse des RxPONDER-Trials vorgestellt (Kalinsky et al.). In dieser Studie wurde der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie zusätzlich zur standardmässigen endokrinen Therapie für Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativen Brustkrebs und 1–3 befallenen axillären Lymphknoten untersucht. RxPONDER rekrutierte 5015 Patientinnen. Für postmenopausale Frauen mit einem Oncotype RS <25 zeigte sich auch bei nodal-positivem Mammakarzinom kein Vorteil einer Hinzunahme einer Chemotherapie (5-Jahres-DFS 91.9 % für endokrine Therapie plus Chemotherapie vs. 91.6 % für alleinige endokrine Therapie, HR = 0.97, p = 0.82; Gesamtüberleben 96.2 % vs. 96.1 %, HR = 0.96, P = 0.79). Für prämenopausale Patientinnen mit 1–3 positiven Lymphknoten war nach fünf Jahren in der Gruppe, die zusätzlich eine Chemotherapie erhielten, ein absoluter Benefit von 5.2 % bezüglich des krankheitsfreien Überlebens nachweisbar (94.2 % vs. 89.0 %, HR =0.54, P = .0004). Auch beim Gesamtüberleben zeigte sich ein absoluter Benefit von 1.3 % für die prämenopausalen Patientinnen mit zusätzlicher Chemotherapie (98.6 % vs.97.3 %, HR = 0.47, P = .032).

Ob dieser Effekt tatsächlich der Chemotherapie zuzuschreiben ist oder via Chemotherapie-assoziierte ovarielle Suppression vermittelt wird, kann die Studie leider nicht beantworten.

Eine weitere Studie, die eine Deeskalation der Therapie untersucht, wurde von Nadia Harbeck vorgestellt. Bei der ADAPT-Studie wurden Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativen Brustkrebs und 0–3 befallenen axillären Lymphknoten untersucht. Die Patientinnen erhielten einen Oncotype-DX-Test: Bei einem intermediate score (RS 12–25) erhielten sie zunächst eine dreiwöchige endokrine Therapie und wurden daran anschliessend noch einmal biopsiert (oder direkt operiert). Wenn der Ki67-Wert nach der endokrinen „Vorbehandlung“ auf ≤10 % abgefallen war, erhielten die Patientinnen keine Chemotherapie, sondern wurden nur endokrin behandelt (Gruppe der „endocrine responder“). Auch Patientinnen mit RS ≤11 erhielten eine rein endokrine Therapie. Bei >3 positiven Lymphknoten, RS ≥26 sowie bei RS von 12–25 und ausbleibendem Abfall des Ki67 unter der dreiwöchigen endokrinen Therapie wurde mit Chemotherapie behandelt.

Die 5-Jahres-iDFS-Raten lagen für die „endocrine responder“ – also ohne adjuvante Chemotherapie behandelte – bei 92.6 % (95-%-KI: 90.8 %–94.0 %). Prof Harbeck fasst die Daten so zusammen, dass eine Risikostratifizierung mittels Oncotype RS und Abfall von Ki67 während einer kurzen präoperativen antihormonellen Therapie es ermöglicht, Patientinnen zu identifizieren, denen man eine Chemotherapie ersparen kann. In der ADAPT-Studie traf dies auch auf die prämenopausalen Patientinnen zu.

Um eine Verbesserung der Prognose bei Patientinnen mit high-risk Tumoren zu erreichen, wurde in verschiedenen Studien der Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren im adjuvanten Setting untersucht. Auf dem SABCS 2020 stellte Joyce A. O’Shaughnessy Follow-Up Daten des Phase III- MonarchE-Trials vor, die einen persistierenden Benefit von Abemaciclib bei high-risk, HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs zeigen. Bereits am ESMO 2020 war eine Interimsanalyse gezeigt worden, die eine Überlegenheit von Abemaciclib plus endokrine Therapie nachwies. Im MonarchE-Trial erhielten Patientinnen mit high-risk, nodal-positivem Mammakarzinom (und Tumorgrösse von mindestens 5 cm oder Ki67 ≥20 %) nach OP, Radiotherapie und/oder Chemotherapie (wenn indiziert) die fünfjährige adjuvante Standard-Antihormontherapie mit oder ohne Abemaciclib für zwei Jahre. Patientinnen mit zusätzlichem Abemaciclib hatten eine Risikoreduktion von 28.7 % für invasive Rezidive. Das 2-Jahres-iDFS lag bei 92.3 % im Kombinationsarm und bei 89.3 % im Standard-Antihormontherapie-Arm. Auch das fernmetastasen-freie Survival war im Kombinationsarm besser (93.8 % vs. 90.8 %). Für Aussagen bezüglich des Gesamtüberlebens sind die Daten noch nicht reif.

Insgesamt eröffnet sich mit diesen Ergebnissen eine neue Option für Frauen mit high-risk-Mammakarzinomen, bei denen man in bis zu 30 % mit Rezidiven/Fernmetastasierung rechnen muss. Der adjuvante Einsatz von Abemaciclib hat das Potenzial, die Prognose in dieser Patientinnengruppe zu verbessern.

Jedoch wurden auf dem SABCS 2020 auch die Daten der Penelope-B-Studie von Sybille Loibl vorgestellt. Die Zugabe des CDK4/6-Inhibitors Palbociclib für ein Jahr zusätzlich zur adjuvanten endokrinen Therapie führte nicht zu einer Verbesserung des invasiven krankheitsfreien Überlebens (iDFS) bei HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs bei Patientinnen mit hohem Rezidiv- bzw. Fernmetastasierungsrisiko nach einer neoadjuvanten Chemotherapie. Das deckt sich mit Ergebnissen der PALLAS-Studie, die am ESMO 2020 vorgestellt wurden. Die Zugabe von zwei Jahren Palbociclib zur adjuvanten endokrinen Therapie führte auch dort nicht zu einer Verbesserung des iDFS.

Damit zeigt momentan nur der CDK4/6-Inhibitor Abemaciclib eine Wirksamkeit im adjuvanten Setting bei Patientinnen mit erhöhtem Rezidivrisiko. Trotz allem bleiben auch hier die langfristigen Daten insbesondere bezüglich des Gesamtüberlebens abzuwarten.

Auf dem SABCS 2020 wurde auch das 10-Jahres-Follow-Up der Prime-II-Studie von Ian Kunkler vorgestellt. 1326 Patientinnen ≥65 Jahre mit HR-positivem Mammakarzinom wurden randomisiert und erhielten nach der brusterhaltenden Operation entweder eine adjuvante Radiotherapie oder nicht. Alle Patientinnen erhielten eine endokrine Therapie. Die Lokalrezidivrate war signifikant höher bei Patientinnen ohne Bestrahlung (9.8 % vs. 0.9 %). Jedoch gab es bezüglich weiterer klinischer Outcome-Parameter keine Unterschiede zwischen den Patientinnen ohne vs. mit Radiotherapie: vergleichbare Raten an Fernmetastasierungen (1.4 % vs. 3.6 %), kontralateralem Mammakarzinom (1.0 % vs. 2.2 %) und auch Gesamtüberleben (80.4 % vs. 81.0 %). Die meisten Todesfälle waren unabhängig von der Brustkrebsdiagnose. Basierend auf diesen Resultaten stellt das Weglassen der adjuvanten Radiotherapie eine Option für ältere Patientinnen mit HR-positivem Mammakarzinom unter bestimmten Umständen dar. Wichtig ist es hier allerdings, noch einmal die Einschlusskriterien der Studie zu nennen: HR-positiver, nodal-negativer Brustkrebs mit einer Tumorgrösse bis maximal 3 cm und erreichter R0-Resektion. G3-Karzinome waren nur zugelassen, sofern keine lymphovaskuläre Invasion (L1) vorlag.

Metastasiertes Mammakarzinom

Für das HER2-positive Mammakarzinom gab es Updates für die Substanzen Tucatinib und Trastuzumab Deruxtecan.

In der HER2CLIMB-Studie wurde Tucatinib, ein hochselektiver HER2-Inhibitor, bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom eingesetzt, die bereits massiv vorbehandelt waren (mit Trastuzumab, Pertuzumab und Trastuzumab-Emtansin,T-DM1).

Sie wurden entweder randomisiert in die Tucatinib + Capecitabin + Trastuzumab-Gruppe (TUC) oder in die Placebo + Capecitabin + Trastuzumab-Gruppe (PBO). Bereits in einer früheren Publikation [2] zeigte sich eine signifikante Verbesserung des 2-Jahres-Gesamtüberlebens (44.9 % im TUC-Arm vs. 26.6 % im PBO-Arm, HR = 0.66; 95-%-KI: 0.50–0.88; p = 0.005) sowie im progressionsfreien Überleben (1-Jahres-PFS: 33.1 % im TUC-Arm vs. 12.3 % im PBO-Arm; HR = 0.54; 95-%-KI: 0.42–0.71; p <0.001).

Auf dem diesjährigen SABCS 2020 berichteten die Autoren (Hamilton et al), dass – unabhängig vom Hormonrezeptorstatus – durch die Hinzunahme von Tucatinib eine klinisch relevante Verlängerung von PFS und Gesamtüberleben (OS) erreicht wurde. Das mediane OS lag für die HR-positive Subgruppe bei 21,7 Monaten im Tucatinib-Kombinationsarm versus 18,2 Monate im Kontrollarm (HR = 0,85; 95-%-KI: 0,59–1,23; p = 0,4). Besonders aber bei den HR-negativen Mammakarzinomen war der Effekt von Tucatinib signifikant: 31,1 Monate im Kombinationsarm versus 14,1 Monate im Kontrollarm (HR = 0,5; 95-%-KI: 0,31–0,80; p = 0,003). Des Weiteren wurde von Wardley et al. über den Einfluss auf die Lebensqualität berichtet. Im Therapiearm mit Tucatinib zeigte sich eine verbesserte Lebensqualität bei allen Patientinnen – auch bei Vorliegen von Hirnmetastasen.

Auch für das Antikörper-Drug-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan wurde ein Update der Phase-2 DESTINY-Breast01-Studie [3] vorgestellt. Nach zusätzlichen 9.4 Monaten Follow-Up lag die mediane Ansprechdauer bei 20.8 Monaten und das 12- und 18-Monate-OS lag bei 85 % bzw. 74 %. Das mediane PFS lag bei 19.4 Monaten und das mediane Gesamtüberleben war zum Zeitpunkt der Analyse bei 24.6 Monaten, diese Daten sind jedoch noch unreif und längeres Follow-up ist nötig.

Trotz vieler Fortschritte durch neue Substanzen wurde am SABCS 2020 auch über Studien berichtet, die zu keiner Verbesserung führten: so sind die Substanzen Ipatasertib, Tesetaxel und Entinostat zum aktuellen Zeitpunkt für die Therapie des metastasierten Mammakarzinoms ohne besonderen Stellenwert.

Auch im Rahmen des virtuellen Meetings präsentierten am SABCS 2020 hervorragende WissenschaftlerInnen und ReferentInnen neue Studiendaten oder überzeugende Updates. Deeskalation, um Übertherapie zu verhindern, aber auch Therapie-Eskalation, um bei high-risk-Mammakarzinomen das Rezidivrisiko zu senken, bleiben weiterhin extrem wichtige Fragestellungen. Und während das HER2-positive Mammakarzinom im metastasierten Setting über zwei weitere Substanzen in der Therapiepalette verfügt, bleibt die Therapie des triple-negativen metastasierten Mammakarzinoms weiterhin eine grosse Herausforderung.

Literatur

  1. Sparano et al., N Engl J Med. 2018; 379(2):111–21
  2. Murthy et al., N Engl J Med. 2019; 382: 597–609
  3. Modi et al., N Engl J Med 2020; 382:610–21

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