Für Sie kommentiert

Netze in der Gynäkologie/Akute Appendizitis: Appendektomie oder Antibiotikatherapie/ Weist die atypische Endometriose ein erhöhtes Rezidivrisiko auf?

Netze in der Gynäkologie

Wir danken Herrn Müller für seinen Beitrag! Zusammenfassend möchte ich das Thema Netze mit dem Schlussabsatz unseres SGGG-Expertenbriefes 61 zum Thema Netzeinsatz in der Gynäkologie kommentieren:

Schlussbemerkung:

„Von einer unkritischen Anwendung von Netzen muss abgeraten werden. Die Netze bleiben aber eine Option zur operativen Korrektur der Senkung, am besten belegt bei der Sakrokolpopexie, bei höherem Rezidivrisiko auch bei der vaginalen Korrektur der Zystozele, nicht aber bei der primären Rektozele. Moderne vaginale Netze sind vor allem bei älteren Patientinnen nach Voroperationen, Adhäsionssitus und bei Adipositas per magna zu empfehlen. Anwender müssen kontinuierlich dafür sorgen, die neuen Daten zu kennen. Entscheidend sind fundierte Ausbildung und Schulung an zertifizierten Weiterbildungszentren. Gutes operatives Training, genügend Erfahrung sowie die Kompetenz, Komplikationen beheben zu können, sind die Voraussetzungen für eine gute Patientinnenbetreuung. Die verständliche, sorgfältige Aufklärung der Patientin, sorgfältige Nachkontrollen und die fachgerechte Dokumentation sind unabdingbar. Das gilt nicht nur für netzunterstützende Operationen, sondern für alle Prolapsoperationen.“ – wir müssen weiterhin umsichtig sein und den Netzeinsatz kritisch überdenken.

Kommentar

Viele Frage sind hier noch offen – neuere Pathologiestudien zeigen, dass die Netze vermutlich lebenslang eine lokale inflammatorische Reaktion begründen. In vielen Teilen der Welt wird zum Thema, welches das Material noch besser, inerter und gewebeverträglicher macht, geforscht.

Beim Material haben wir – wie am Beckenboden überhaupt – widersprüchliche Anforderungen: einerseits ­Stabilität, andererseits Elastizität erhalten eine schwierige Aufgabe.

Solange diese nicht gemeistert ist – jeder Netzeinsatz muss begründet sein und eine Indikation haben.

Annette Kuhn

Akute Appendizitis: Appendektomie oder ­Antibiotikatherapie?

In der bisher grössten prospektiv randomisierten, „Non Inferiority“-Studie an 25 US-Spitälern wurden 1552 Erwachsene (414 mit einem Appendicolith d.h „Stein“ in der Appendix) randomisiert. 776 erhielten Antibiotika (AB), 47 % ambulant (während 10 Tagen, zuerst per Infusion, dann oral entsprechend den Guidelines für intraabdominale Infektionen). 776 wurden appendektomiert (96 % laparoskopisch). Nicht in die Studie aufgenommen wurden Pat. mit diffuser Peritonitis oder septischem Schock. Die Antibiotikatherapie erwies sich nach 30 Tagen als nicht unterlegen (Qualitiy of Life score). Allerdings hatten 29 % der Pat. in der AB-Gruppe innert 90 Tagen eine sekundäre Appendektomie (41 % derer mit einem Appendicolith, 25 % ohne) Auch die Komplikationsrate war höher in der AB-Gruppe, vor allem bei solchen mit Appendicolith (20.2 vs. 3.6 pro 100 Teilnehmer), RR 5.69! (The CODA-Collaborative, N.Engl.J Med DOI: 10.1056/NEJMoa 2014320).

Kommentar

Trotz „non inferiority“ der AB-Therapie spricht nach wie vor einiges für die traditionelle (heute laparoskopische) Appendektomie. Dies gilt ganz besonders für Pat. mit Appendicolith (Bildgebung: US, CT), die häufig doch noch sekundär operiert werden müssen und deutlich mehr Komplikationen nach AB zeigten.

Sicher zeigt diese bisher grösste Studie zum Thema aber auch Alternativen auf für operationsunwillige Pat. (hohes medizinisches Operationsrisiko, Angst vor einer COVID-19-Infektion im Spital etc.).

Auch wenn man unterwegs ist an abgelegenen Orten (Expeditionen, Transatlantik Segeltörn etc), können mitgenommene AB beruhigend wirken. Für mich gilt das auch für Orte (auch in Europa!), an denen ich mich nicht gerne operieren lassen würde. Die früher nicht selten geübte prophylaktische Appendektomie vor grösseren Expeditionen in schlecht zugängliche Regionen ist aufgrund dieser Daten nicht mehr so zwingend (ausser vielleicht, wenn man einen Appendicolith hat).

Auf jeden Fall ist es positiv, heute eine Alternative zu haben!

Michael K. Hohl

Weist die atypische Endometriose ein erhöhtes ­Rezidivrisiko auf?

Endometriose ist nicht gleich Endometriose. Atypische Endometriose ist histopathologisch durch zytologische Atypien, Architekturstörungen oder Hyper­plasie definiert. Es ist bekannt, dass das Risiko für maligne Transformationen, sprich endometrioseassoziierte Malignome, bei diesen Patientinnen erhöht ist: es wird mit ca. 1 % beziffert. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden 2681 Endometriose-Patientinnen untersucht, die wegen einer Endometriose operativ behandelt wurden. Bei 86 (3,2 %) Patientinnen lag eine atypische Endometriose vor. Demografische Parameter und auch das Stadium der Endometriose unterschieden sich nicht signifikant. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 26 Monate. Kumulativ stellte sich ein signifikant erhöhtes Risiko für ein Endometrioserezidiv bei Vorliegen einer atypischen Endometriose dar (Seyeon Won et al., EJOG 2020; 254:44–51).

Kommentar

Insgesamt erscheint es schlüssig, dass sich das pathomorphologische Bild der atypischen Endometriose auch in einem aggressiveren biologischen Verhalten manifestiert. Erstaunlicherweise lagen bei Erstdiagnose keine höheren Stadien im Vergleich zu einer nicht-atypischen Endometriose vor. Insgesamt ist die atypische Endometriose selten, die Fallzahl ist auch in dieser Analyse entsprechend klein. Die Untersuchung einer grösseren Kohorte erscheint wünschenswert.

Martin Heubner

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