Forum - Implantatausbau nach Beckenbodenrekonstruktion: wann, wie, wieviel?

Seit den Nullerjahren des laufenden Jahrhunderts hat sich das Spektrum der Beckenbodenrekon-struktion um die implantatbasierten Techniken weiterentwickelt und gleichzeitig auch das Feld für entsprechend mesh-assoziierte Komplikationen eröffnet. Die Datenlage bez. Netzarrosionen, netz-bedingten Schmerzen bzw. funktionalen Einbussen und nicht zuletzt der öffentliche Druck haben schliesslich zu einem regionalen Zulassungsverbot oder aber zu restriktiven Guidelines geführt, was unweigerlich auch die Thematik des operativen Implantatausbaus in den Fokus rückt.

Implatatbasierte Beckenbodenchirurgie: aktuelle und künftige Situation

Im Zuge des von der FDA erlassenen Verbotes für die implatatbasierte Deszensuschirurgie und den nachfolgenden Moratorien im Grossteil des angelsächsischen Sprachraums sind auch die kontinentaleuropäischen Fachgesellschaften gefordert, ihre Weisungen zu überdenken und Anpassungen vorzunehmen. So führen beispielsweise Deutschland und Österreich seit Kurzem ein nationales Implantat-Register (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information), um entsprechende Datenbanken aufbauen zu können. Vonseiten der Schweizerischen Fachgesellschaft SGGG wird im aktualisierten Expertenbrief aufgerufen, die Indikationen zurückhaltender zu stellen, sprich, die trans­vaginalen Polypropylennetze nur in Ausnahmefällen v. a. bei hohem Rezidivrisiko oder in der Rezidivsituation zu verwenden [1]. Ähnlich äussert sich das unabhängige Gutachten der Europäischen Union SCENIHR, welches zum Schluss gekommen ist, dass Implantate v. a. in der Rezidivsituation verwendet werden können [2].

Die Technik der implantatgestützten Beckenbodenoperationen dürfte also künftig zurückhaltender eingesetzt werden und mittelfristig lediglich noch in den Händen der urogynäkologisch ausgebildeten Fachleute Verwendung finden.

Diese auch medial befeuerte Implantate-Diskussion führt zu einer spürbaren Verunsicherung in der Ärzteschaft, aber auch der Community der „Netzträgerinnen“, was wie erwähnt wahrscheinlich zu einem Rückgang der Implantatindikationen, aber auch zu einer höheren Ausbaurate führen wird. Es stellt sich deshalb die Frage, wann, wie und wieviel Netz resezieren bzw. wie beraten wir unsere Patientinnen im Rahmen eines allfälligen Implantatausbaus? Die Literatur basiert diesbezüglich fast ausschliesslich auf retrospektiven Daten, ist wenig übersichtlich und überaus heterogen. Immerhin, im letzten Jahr sind im BJOG [3] und im Arab Journal of Urology [4] zwei Reviewarbeiten erschienen, welche sich dem Thema Netzausbau angenommen haben.

Die Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung der Analysen beider Reviews, diese sind nur beschränkt vergleichbar.

Indikation, Technik und Outcome

Implantatresektionen im Bereich des Beckenbodens sind abdominal, endoskopisch oder transvaginal machbar, die vorhandene Datenlage lässt aber keinen schlüssigen Vergleich dieser Zugangswege zu. Aus eigener Erfahrung dürfte ein lokalisationsabhängiger, teilweise kombinierter bzw. symptomgeleiteter Approach aber vernünftig sein. Auch hinsichtlich Ausmass des zu resezierenden Implantates können wir uns nur auf wenig, äusserst heterogene retrospektive Arbeiten stützen, welche das Resektionsvolumen nicht metrisch erfasst, sondern nur zwischen partiell oder vollständig differenziert haben [8, 9, 10]. Hierzu scheint es bezüglich Outcome keinen Benefit für die vollständige Netzentfernung zu geben [12], die Komplikationsrate dürfte aber direkt vom Operationsausmass abhängig sein.

Essenziell für die Beratung der Patientin ist das Abschätzen der Erfolgsaussichten und der Komplikations- bzw. Rezidivraten. Diesbezüglich liefern die beiden Reviews einigermassen schlüssige Daten [3, 4]. Bei Arrosionen sind beim operativen Vorgehen hohe Heilungsraten von bis zu 90 % zu erwarten, bei Dyspareunie profitiert aber nur jede zweite operierte Patientin [8, 9]. Bemerkenswert ist die beachtliche Häufung von mehrfachen Revisionsoperationen in ca. 50 % der Fälle [5, 6, 7]. Das Risiko schwergradiger Komplikationen scheint dagegen niedrig zu sein [5] und auch die Rezidivraten für ein erneutes Prolapsgeschehen nach Netzausbau bewegen sich mit maximal 20 % in akzeptablem Rahmen [11, 12].

Massgeblich für die Indikationsstellung des operativen Netzausbaus ist letztlich der Leidensdruck, welcher nach Ausschöpfen möglicher konservativer Massnahmen die Risiken und die teilweise mässigen Erfolgsaussichten einer operativen Sanierung mindestens aufwiegen sollte.

Literatur

  1. Schär et al; Expertenbrief No61 SGGG 2018.
  2. SCENIHR: Opinion on the safety of surgical meshes in urogynecological surgery; 2015; 4–5, 63–67.
  3. Carter et al.; BJOG. 2020;127:28–35.
  4. Bergersen et al.; Arab J Urol 2019; 17: 40–48.
  5. Picket et al.; Obstet Gynecol 2015; 125:1419–22.
  6. Abott et al.; Am J Obstet Gynecol 2014; 210:163.e4–7.
  7. Rogo-Gupta et al.; Female Pelvic Med Reconstr Surgery 2015; 21: 320–3.
  8. Crosby et al.; Obstet Gynecol 2014; 123: 135–9.
  9. Skala et al.; Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2011; 159: 453–6.
  10. Wolf et al.; Curr Urol Rep 2016; 17:34; 1–7.
  11. Rawlings et al.; J Urol 2015; 194:1342–7.
  12. Tijdink et al.; Int Urogynecol J. 2011; 22:1395–404.
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