In dieser neuen Rubik zum Jahresende nennen die Herausgeberinnen und Herausgeber Publikationen, die sie als bedeutend ansehen und die für Sie – unsere Leserschaft – von praktischer Bedeutung sein könnten. Natürlich ist die Auswahl subjektiv und sicher unvollständig, aber vielleicht eine anregende Lektüre!
Kommentar
In Zeiten einer intensiven Diskussion um vaginale Netzimplantate, die durch die Presse teilweise auch sehr polemisch und unkritisch geführt wird, zeigt dieser Artikel die durchaus valablen Outcomes auf, wenn ohne alloplastisches Material sowohl bei Senkungen als auch bei Inkontinenz operiert wird. Nach Datenlage gibt es keinen Grund, Operationen, die nur Eigengewebe benutzen, abzulehnen.
Annette Kuhn
Kommentar
Endlich ein valabler Review zum viel diskutierten Thema der Lasertherapie, bravo!
Lasertherapie wird schon vielfältig in der Gynäkologie eingesetzt, zum Teil mit sehr unrealistischen Ideen.
In diesem kürzlichen Review wurden insgesamt 31 Studien mit 1530 Patientinnen, die entweder unter Senkungen oder Inkontinenz litten, evaluiert. Wir sehen es schon an den Zahlen: 1530 Patientinnen auf 31 Studien verteilt macht im Schnitt 49.4 Patientinnen pro Studie, wobei wir auch zu Weihnachten nicht wissen, wie wir die „.4“-Patientin werten sollen … Die Qualität der Studien ist wahrlich nicht grandios, die Studien zeigen eine zumeist milde Verbesserung der Symptomatik, ein grosser Vorteil besteht in der nebenwirkungsarmen Anwendung. Immerhin.
Das ist auch ein Argument, das dafür spricht!
Annette Kuhn
Kommentar
Das Präimplantationsscreening auf aneuploide Embryonen (PGT-A) im Rahmen einer IVF-ICSI wurde im grossen Stil vor allem in den USA; aber auch in anderen Ländern eingeführt; allerdings ohne hinreichende Evidenz. PGT-A erhöht nicht nur sehr signifikant die vom Paar oft selbst zu zahlenden Kosten, sondern ist möglicherweise sogar abträglich (Methodenbedingte Embryoverluste).
R.J. Paulson; ehemaliger Präsident der American Society of Reproductive Medicine(ASRM); argumentiert überzeugend im Sinne von „des Kaisers neue Kleider“.
Michael K. Hohl
Kommentar
Immer mehr Daten belegen den negativen Einfluss einer Endometriose auf die Fertilität der Frau. Insbesondere chirurgische Eingriffe (vor allem bei Ovarialendometriose) können negative Folgen haben (Verminderung der Ovarialreserve nach OP). Folgen; derer sich vielleicht nicht alle Chirurg*innen bewusst sind. Insbesondere solche, die keine Kinderwunschbehandlungen machen.
Neben der wichtigen Frage, ob Endometriosezysten bei zu erhaltender Fertilität überhaupt operiert werden sollten (und wenn ja, wie?), gibt es heute eine bedenkenswerte Alternative, welche zuerst als fertilitätserhaltender Eingriff bei Krebspatientinnen, dann als „Social Freezing“ Anwendung gefunden hat. Die obige Publikation zeigt, in welchen Fällen „Oocyte Freezing“ auch bei Endometriosepatientinnen einen sinnvollen Platz haben könnte. Zumindestens sollten wir jüngere Frauen mit Endometriosezysten über diese Alternative informieren!
Michael K. Hohl
Kommentar
Seit der Veröffentlichung des LACC Trials und unterschiedlicher retrospektiver Analysen wird die minimalinvasive Behandlung des Zervixkarzinoms heftig diskutiert. Beide angeführten Studien sind zwar retrospektiv, liefern aber dennoch einen sehr wertvollen Beitrag zur Diskussion der minimalinvasiven Operationstechnik beim Zervixkarzinom. Während die minimalinvasiv operierten Patientinnen im LACC Trial einem massiv erhöhten Risiko für Rezidiv und Tod ausgesetzt waren, liess sich dies in den vorliegenden Analysen nicht beobachten. Dass Tumorkontamination und vaginale Manipulation eine Rolle spielen könnten, wird insbesondere durch die Ergebnisse der ersten Arbeit gestützt. Hier wurden Patientinnen eingeschlossen, bei denen eine Kontamination durch Präformierung der Scheidenmanschette von vaginal verhindert wurde (398 Patientinnen mit frühem Zervix CA, 10-Jahres-Überlebensrate 95.8 %, 93.1 % ohne Rezidiv nach zehn Jahren). Die zweite Arbeit bescheinigt der roboterassistierten Operation ein gutes Ergebnis: nach landesweiter Umstellung der Operationstechnik von offen-chirurgisch auf minimalinvasiv-robotisch zeigten sich keine Unterschiede im Überleben (1125 Patientinnen, 530 offen, 595 roboterassistiert operiert, 5-Jahres-Rezidivrate 8.2 % resp. 6.3 % [p = 0.55], krebsspez. Überleben 94.1 % resp. 95.9 % [p = 0.10]). Die Kontroverse um den Einsatz minimalinvasiver Verfahren bleibt aktuell weiter bestehen, neue klinische Studien sind auf dem Weg.
Martin Heubner
Die KEYNOTE-522-Studie (Schmid et al. 2020) untersuchte, ob die Zugabe von Pembrolizumab im neoadjuvanten Setting zusätzlich zur etablierten neoadjuvanten Chemotherapie zu signifikant mehr pathologischen Komplettremissionen (pCR) und zu einem längeren ereignisfreien Überleben bei triple-negativem Brustkrebs (TNBC) führt. In dieser randomisierten doppelblinden Phase-3-Studie erhielten Patientinnen mit einem neudiagnostizierten TNBC im Stadium II oder III eine anthrazyklin-, taxan- und carboplatinhaltige neoadjuvante Chemotherapie mit Pembrolizumab oder Placebo. In der Pembrolizumabgruppe wurde signifikant häufiger eine pathologische Komplettremission erreicht (64.8 %) als in der Placebogruppe (51.2 %).
Die Krankheitsprogressionsraten waren unter Zugabe von Pembrolizumab geringer als unter Placebo (7.4 % vs. 11.8 %), allerdings sind hier die Daten nach erst 15.5 Monaten Follow-up noch unreif.
Kommentar
Triple-negativer Brustkrebs (TNBC) gehört zu den aggressiveren Brustkrebs-Subtypen und ist nach wie vor assoziiert mit einem höheren Rezidiv- und Fernmetastasierungsrisiko und damit auch ungünstigerer Prognose. Die Standardtherapie besteht – neben der Lokaltherapie – in einer Chemotherapie, die meist neoadjuvant verabreicht wird. Eine pathologische Komplettremission dient bei TNBC als Surrogatmarker, der mit einer günstigeren Prognose verbunden ist.
Zielgerichtete Therapien gibt es bislang – aufgrund des Fehlens von „actionable targets“ – nicht. Mit den neuen Wirkstoffen aus der Immuno-Onkologie eröffnet sich nun auch für diesen Brustkrebs-Subtyp eine vielversprechende, personalisierte Therapieoption.
Cornelia Leo
In dieser Studie wurde untersucht, ob eine adjuvante Trastuzumab-Monotherapie für ältere Patientinnen eine Option zum bisherigen Standard einer adjuvanten Chemoherapie plus Trastuzumab sein könnte.
Patientinnen zwischen 70 und 80 Jahren mit chirurgisch therapiertem HER2-positivem Brustkrebs erhielten entweder adjuvant Trastuzumab oder Chemotherapie plus Trastuzumab. 275 Patientinnen wurden eingeschlossen, das Follow-up betrug 4.1 Jahre. Das 3-Jahres-DFS (krankheitsfreies Überleben) lag bei 89.5 % für Trastuzumab-Monotherapie vs. 93.8 % für Chemotherapie plus Trastuzumab. Das 3-Jahres-RFS (relapse free survival) lag bei 92.4 % mit Trastuzumab-Monotherapie versus 95.3 % mit Trastuzumab plus Chemotherapie. Nicht hämatologische schwerwiegende Nebenwirkungen traten in 11.9 % vs. 29.8 % auf für Trastuzumab Mono vs. Trastuzumab plus Chemotherapie. Und die Rate der Verschlechterung der Lebensqualität zeigte bereits nach zwei Monaten signifikante Unterschiede (31 % für Trastuzumab Mono vs. 48 % für Trastuzumab plus Chemotherapie).
Kommentar
Das primäre Ziel, eine Non-Inferiority für Herceptin-Monotherapie zu zeigen, wurde nicht erreicht. Jedoch liegt der beobachtete Verlust an Lebenszeit für die Herceptin-Monotherapie nach drei Jahren bei einem Monat. Die geringere Toxizität und das günstigere Profil bezüglich der Lebensqualität machen die adjuvante Trastuzumab-Monotherapie daher für ältere Patientinnen zu einer validen Therapieoption, die man durchaus in Erwägung ziehen darf und sollte.
Cornelia Leo
Kommentar
Im Vergleich zu anderen Ländern ist in der Schweiz die Impfrate bei der HPV-Impfung sehr tief. Verschiedene randomisierte Studien haben die Sicherheit der HPV-Impfung und die Wirksamkeit gegen die Entwicklung von Zervikalen Intraepithelialen Neoplasien nachgewiesen. Zusätzlich hat 2017 eine Epidemiologiestudie eine signifikante Reduktion der HPV-assoziierten Karzinome nach Einführung der HPV-Impfung in Finnland belegt. Trotzdem forderten die Impfskeptiker immer noch den Beweis, dass die Impfung tatsächlich die Häufigkeit des Zervixkarzinoms senkt.
In dieser schwedischen Studie wurde nun nachgewiesen, dass Frauen vor dem 30. Lebensjahr fast 90 % seltener ein Zervixkarzinom entwickeln, wenn sie sich vor dem 17. Lebensjahr gegen humane Papillomaviren (HPV) impfen liessen. In der Studie wurden 1 672 983 Frauen im Alter zwischen zehn und 30 Jahren während elf Jahren verfolgt. In diesem Zeitraum wurde bei 19 geimpften Frauen ein Zervixkarzinom diagnostiziert, verglichen mit 538 bei nicht geimpften Frauen. Besonders wirksam war der Schutz, wenn die Impfung vor dem 17. Lebensjahr erfolgte. Von diesen Frauen haben nur zwei einen Gebärmutterhalskrebs entwickelt! Umgerechnet auf die Gesamtzahl betrug die Senkung des Krebsrisikos 81 % und nach Korrektur von anderen Kovariaten fast 90 %.
Der Bund empfiehlt die Impfung gegen humane Papillomaviren seit 2007 für Mädchen und seit 2015 auch für Knaben, im Alter von elf bis 26 Jahren. In der Studie wurde die Impfung mit dem Quadrivalenten Impfstoff durchgeführt. Mit dem Nonavalenten Impfstoff wären die Resultate sicher noch besser gewesen. Es ist zu hoffen, dass nach dieser Studie die Impfrate auch in der Schweiz zunimmt.
Michael D. Müller
Kommentar
Im Juni 2016 wurde von der Qualitätssicherungskommission (QSK) und der Akademie für Feto-Maternale Medizin (AFMM) der Expertenbrief No. 47zum Thema „Cytomegalievirus und Schwangerschaft“ publiziert. Es wurden verschiedene Aspekte dieser häufigsten viralen Infektion in der Schwangerschaft diskutiert und die Haltung vertreten, dass ein Screening mangels therapeutischer Konsequenz nicht gerechtfertigt sei. Das war zur damaligen Zeit eine richtige Haltung, da randomisierte Studien zu IVIG und Verhütung einer vertikalen Transmission keinen signifikanten Effekt zeigten und der Einsatz von Virostatika wie das Valaciclovir noch wenig untersucht waren. Nun, die israelische Studie – publiziert im Lancet – relativiert die aktuelle Haltung zu Screening und Behandlung einer CMV-Serokonversion in der Schwangerschaft erheblich. Sie zeigt, dass die Behandlung einer frühen Infektion (Infektionszeitpunkt perikonzeptionell bis erstes Trimenon) mit 8 g Valaciclovir/d die vertikale Transmission signifikant zu senken vermag. Die Frauen haben das Medikament gut toleriert, wobei die Leber- (Transaminasen-) und Nierenfunktion monatlich kontrolliert wurden.
Der Expertenbrief wird auf der Basis dieser neuen Erkenntnisse überarbeitet werden müssen. Es ist klar, dass diese Studie alleine wahrscheinlich noch nicht ausreicht, um ein generelles Screening zu empfehlen. Wir stehen aber in der Pflicht, die Frauen aufzuklären (wenn möglich bereits präkonzeptionell), da nur eine zeitnahe Behandlung (vor 16 Wochen) einer frühen Primoinfektion eine Fetopathie mit Langzeitschäden zu verhindern vermag.
Luigi Raio