Lipofilling im Rahmen der rekonstruktiven Brustchirurgie
Der Transfer von Fettzellen von einem Ort zum anderen ist eine alte Technik, die bereits von Dr. Neuber 1883 [1] beschrieben wurde. Dabei entnahm er Fettgewebe aus dem Oberarm eines an Tuberkulose erkrankten Patienten und füllte damit eine Einziehung in dessen Gesicht auf, welche durch einen Knocheninfekt hervorgerufen worden war.
Bekannter in der rekonstruktiven Brustchirurgie ist die Publikation von Czerny [2], welcher zwei Jahre später ein Lipom am Rücken entfernte und damit einen Defekt an der Brust auffüllte. Grosse Teile des Lipoms verkalkten, da die Durchblutung zur Ernährung des Gewebeblockes nicht ausreichte. Verderame [3] beschrieb 1904, wie durch Unterfütterung von Narben im Gesichtsbereich ein erneutes Verkleben und Hautschrumpfung verhindert werden konnten. Später fand man heraus, dass Fettzellen ca. 45% ihres Volumens innerhalb des ersten Jahres verlieren, weil sie das Trauma der Fettentnahme sowie das Einwachsen in eine neue Umgebung nicht überleben. Transplantierte Fettzellen werden negativ beeinflusst durch mechanischen Stress, Exposition an der Luft sowie exzessiven Druck von aussen (Gewebe oder enge Bekleidung) [4].
1976 entwickelten die Gynäkologen Arpad und Giorgio Fischer [5] eine Technik der Liposuktion, wobei sie eine motorisierte Saugkanüle mit einem inwendigen Schneideblatt verwendeten, um das Fett zu gewinnen. Diese Technik war mit hohem Blutverlust, Unregelmässigkeiten im Bereich der Entnahmestellen sowie Seromen vergesellschaftet. Der Durchbruch gelang erst, nachdem der französische Arzt Illouz [6] die Fettentnahme über stumpfere, kleine Instrumente popularisierte. Er war auch derjenige, welcher das Fett mittels Kanülen wieder injizierte. Dr. Fournier [7], ein französischer Chirurg, entdeckte, dass das Einbringen einer Kochsalzlösung das Absaugen der Fettzellen enorm erleichterte und popularisierte die Fettentnahme über die Spritzentechnik, indem er über die aufgesetzte Kanüle einen Unterdruck in der aufgezogenen Spritze erzeugte. Der amerikanische Dermatologe Jeffrey A. Klein [8] konnte die Lösung durch Hinzufügen von Lokalanästhetika und Adrenalin soweit verbessern, dass die Liposuktion zu weniger Blutungskomplikationen führte und sich zunehmender Beliebtheit erfreute. Seine Technik der sogenannten Tumeszenzinfiltration hat bis heute – mit einigen Anpassungen – seine Gültigkeit behalten. Sie ermöglicht die atraumatische Gewinnung von Fettzellen. Parallel zur Verbesserung der Entnahmetechnik entwickelte sich auch die Technik der Injektion des gewonnenen Fettgewebes. Miller [9] beschrieb 1926 seine Technik zur Infiltration des Fettgewebes über Kanülen. Aber erst Dr. Coleman [10] konnte anfangs der 1990er Jahre mit seiner standardisierten Technik eine relativ stabile Angehrate der transplantierten Fettzellen erreichen.
Die sogenannten Adipozyten gehören zu den grössten Zellen des Körpers. Sie bilden einen grossen Energiespeicher, sind für die Polsterung verantwortlich und an der Thermoregulation beteiligt. Das Fettgewebe ist das grösste endokrine Organ des Körpers, das Hormone wie Leptin und Östrogen in den Kreislauf abgibt. Die reifen Adipozyten entwickeln sich aus multipotenten Stammzellen mesodermalen Ursprungs (mesenchymale Stammzellen). Die terminale Differenzierung von Präadipozyten zu Adipozyten wird von einer vermehrten Lipideinlagerung begleitet. Während der Grossteil der Zellen heranreift, bleibt ein Rest an pluripotenten Stammzellen erhalten und steht bei Zellverlusten als Reserve zur Verfügung. Die Adipozyten sind in ein Stroma aus Bindegewebe eingebettet. Dieses Bindegewebe besteht aus Fibroblasten, Präadipozyten und (mikro-)vaskulären Zellen (Endothelzellen, glatte Muskelzellen und Perizyten). Zusammengenommen wird dies als stromale vaskuläre Fraktion (SVF) bezeichnet. Durch enzymatische Aufspaltung und Zentrifugieren des Fettgewebes ist es möglich geworden, die SVF zu isolieren. Die darin enthaltenen Stromazellen (ADSC, adipose derived stem cells) werden in der regenerativen Medizin in zahlreichen Studien zur Behandlung vieler Erkrankungen erforscht. Beim Lipofilling im Rahmen der rekonstruktiven Brustchirurgie sollten keine mit Stammzellen angereicherten, autologen Fettgewebstransplantationen durchgeführt werden. Da der Grossteil des Volumens des Fettgewebes aus den Adipozyten besteht, ist deren Überleben bei einer Fettgewebstransplantation essenziell. Während die Adipozyten sehr sensitiv auf Hypoxie reagieren, adaptieren sich die ADSC leicht an die Hypoxie, reagieren mit einer erhöhten Proliferationsrate und sezernieren eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren.
Autologes Fettgewebe wird als idealer Filler für die Weichteilaugmentation angesehen, weil es folgende Eigenschaften besitzt: Es ist biokompatibel, vielseitig anwendbar, stabil, langlebig, natürlich im Aussehen, jederzeit verfügbar, reichlich vorhanden und preiswert. Fett kann leicht, und wenn nötig wiederholt, entnommen werden mit minimalem Trauma im Bereich der Entnahmestellen. Eigenfett wird im kosmetischen Bereich eingesetzt als Füllstoff z.B. zur Unterfütterung tiefer Falten, Betonung feminisierender Körperkonturen (Gesäss, Brust) und Ersatz des Volumenverlusts durch Alterung im Gesicht und am Handrücken. In der rekonstruktiven Chirurgie wird Eigenfett zur Volumenkorrektur nach brusterhaltendem Eingriff, nach Mastektomie mit Wiederaufbau, nach Defektverletzungen mit Dellenbildungen, bei angeborenen Missbildungen mit Weichteil- (und Knochen-)atrophien (Poland Syndrom, Trichterbrust, Hemifaziale Atrophie) und in der Wundheilung (diabetisches Ulcus) erfolgreich angewendet.
Diese beinhaltet im Wesentlichen drei Phasen (Abb. 1). Die erste Phase ist die Fettgewebsgewinnung. Nach Füllen des Fettgewebes mit der Tumeszenzlösung wird die Wirkung des Adrenalins zur Vasokonstriktion abgewartet, meistens 20–30 Minuten. Anschliessend wird – je nach benötigter Menge – das aufgeschwemmte Fettgewebe mittels manuell oder maschinell erzeugtem Unterdruck über Kanülen abgesaugt und in einem zwischengeschalteten Behälter aufgefangen. Bisher konnte keine Studie zeigen, dass eine Entnahmestelle der anderen überlegen ist, sodass auch auf den Patientenwunsch eingegangen werden kann, um gleichzeitig einen Benefit der Körperkonturierung zu erhalten. Die zweite Phase beinhaltet die Sedimentation, das heisst die Trennung der Fettzellen von der öligen Phase (zuoberst) und vom Plasma (am Boden). Hier gibt es sogenannte geschlossene Systeme, welche das gewonnene Fettgewebe direkt in einen Behälter mit integriertem Sieb führen (Abb. 2) oder man lässt das aspirierte Fett sich entsprechend der Gravitation auftrennen. Durch Zentrifugation kann die Zeit der Sedimentation wesentlich verringert werden, dies eignet sich vor allem in Bereichen, wo nur wenig Fett infiltriert werden muss (z.B. im Gesicht). Da diese Technik recht zeitaufwendig ist und der Vorteil für grossvolumige Fetttransplantationen nicht gezeigt werden konnte, wird diese Technik vor allem in der kosmetischen Chirurgie verwendet. In der letzten Phase wird das gereinigte Fett dann über kleine stumpfe Kanülen an den Zielort gebracht. Da in den ersten Tagen das Überleben des Fettes auf Nährstoffe und Sauerstoff aus der Umgebung angewiesen ist, sollte ein Überfüllen vermieden werden. Ein Fülldruck, der die Aufnahmekapazität des Gewebes übersteigt, führt ebenfalls zu einer erhöhten Nekroserate und sollte tunlichst vermieden werden. Die Expertenmeinungen gehen dahin, dass die Angehrate des transplantierten Fettes mit der Expertise und Routine des Anwenders korreliert, da sowohl das atraumatische Handling als auch die kurze extrakorporale Exposition der Adipozyten eine wesentliche Rolle für deren Überleben spielen.
Um die Überlebenswahrscheinlichkeit der Adipozyten zu erhöhen, sollten gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Nikotinabusus stellt eine Kontraindikation dar. Nicht nur, weil die Angehrate erniedrigt ist, sondern auch weil die Fettnekroserate erhöht ist, welche gerade in der Brustkrebschirurgie durch Verkalkungen allenfalls zu späteren diagnostischen Schwierigkeiten führen kann. Sehr schlanke Patientinnen eignen sich nicht für grossvolumige Transplantationen. Insgesamt muss mit einem Verlust von bis zu 40% des Eigenfettes gerechnet werden.
Eine klassische Indikation ist die Volumenkorrektur nach einem brusterhaltenden Eingriff meistens im Zusammenhang mit Bestrahlung des restlichen Brustdrüsenkörpers. Da die gemeinsam mit den Stromazellen transplantierten Fettzellen Wachstumsfaktoren sezernieren und in Tierversuchen eine Wachstumsstimulation von Tumorzellen beobachtet werden konnte, folgen wir den Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (Link SGPRAEC am Schluss angefügt), welche eine Latenz von zwei Jahren zwischen Lipofilling und Abschluss der Brustkrebsbehandlung empfiehlt.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist das Lipofilling nach einer Mastektomie. Hier hat sich das Lipofilling vor allem zur Behebung von Kontourunregelmässigkeiten nach Eigengewebsrekonstruktion (Abb. 3) und zur Weichteilaugmentation bei sichtbarer Faltenbildung im Zusammenhang mit Implantatrekonstruktionen bewährt. Auch nach einem Implantatverlust kann das Lipofilling sinnvoll eingesetzt werden. Da ein elastischer Hautmantel eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Lipotransfer ist, gibt es Chirurgen, welche nach Implantatverlust den kontrakten Hautmantel mittels einer externen Unterdruckglocke vordehnen, um anschliessend den neu geschaffenen Raum mit Fett zu füllen. Der Unterdruck hat als willkommenen Nebeneffekt auch die Anregung zum Einsprossen von neuen Kapillaren, sodass die Überlebenswahrscheinlichkeit des Fetts zusätzlich erhöht wird. Da diese Technik für die Patientin unangenehm sein kann und mehrere Sitzungen erfordert, wird sie bei uns nur in Ausnahmefällen angewendet. Eine elegantere Methode ist die Vorbereitung der Haut mittels Lipofilling falls nötig, dann die Dehnung der Haut von innen mit einem Expander und dann sukzessives Lipofilling der Mastektomie nach Ablassen des Expanders und am Schluss, falls erwünscht, den Ersatz des Expanders durch ein kleines Implantat, was schlussendlich einer ästhetischen Augmentation ähnelt.
Obwohl eine stark strahlengeschädigte, kontrakte Haut unter Umständen mittels Lipofilling in einen besseren trophischen Zustand überführt werden kann, der eine Aufbauplastik über eine Hautdehnung ermöglicht, braucht es eine klinische Einschätzung eines erfahrenen rekonstruktiven Brustchirurgen, ob hier nicht ein Hautersatz eine bessere Option darstellt (mikrovaskuläre oder lokale, gestielte Lappenplastiken).
Eine strenge Indikationsstellung für das Lipofilling gilt v.a. bei Volumenangleichungen der Gegenbrust bei Krebserkrankungen in direkter Linie in der Familie und bei familiärer genetischer Prädisposition.
Diese sind bei korrekter Anwendung gering. Die Eingriffe werden ambulant und in der Regel in Narkose durchgeführt. Im Bereich der Entnahmestellen können Hämatome und manchmal vorübergehende Sensibilitätsstörungen auftreten. Bei unsachgemässer Vorgehensweise können auch Unregelmässigkeiten im Gewebe mit Dellenbildungen entstehen.
Die mit Eigenfett gefüllten Areale können Ölzysten oder Verkalkungen entwickeln. Hier ist es wichtig, dass die Nachsorge an spezialisierten Zentren durchgeführt wird und die Bildgebung durch entsprechend versierte Radiologen begutachtet wird, welche in der Beurteilung von Verkalkungen nach Lipofilling Erfahrung haben. Beim sogenannten „Overgrafting“ kann es zu Konturunregelmässigkeiten kommen und grössere Gewichtsschwankungen können sich bei grossvolumigen Transplantationen bemerkbar machen.
Insgesamt vervollständigt das Lipofilling das Spektrum der rekonstruktiven Brustchirurgie. Es ist technisch einfach zu handhaben, hat ein niedriges Potenzial für Komplikationen und kann das ästhetische Ergebnis verbessern. Aus onkologischer Sicht ist nach brusterhaltenden Operationen eine entsprechende Abwägung vorzunehmen und es sollten mindestens zwei Jahre zwischen der Brustkrebs-Operation und dem Lipofilling liegen. Insgesamt aber zeigen zwischenzeitlich verschiedene Studien, dass das Lipofilling nicht zu einer erhöhten Lokalrezidivrate führt und damit auch bei Patientinnen nach Brustkrebsbehandlung sicher anwendbar ist.
Literatur
1. Neuber, F. Fettransplantation. Chir Kongr
Verhandl Deutsche Gesellsch Chir 1893; 22:66.
2. Czerny, M. Plastischer Ersatz der Brustdrüse
durch ein Lipom. Verhandl. Deutsche Gesellsch. Chir. 1895;2:126.
3. Verderame, P. Ueber fettransplantation bei
adhärenten Knochennarben am Orbitalrand. Klin Monatsbl für Augenh 1909;
47:433–442.
4. Peer LA. Loss of weight and volume in human fat
grafts. Reconstr Surg 1950; 5:217–230.
5. Fischer A, Fischer G (1976). First surgical
treatment for molding body’s cellulite with three 5 mm incisions. Bull Int
Acad Cosmet Surg 3:35.
6. Illouz YG. The fat cell “graft”: a new
technique to fill depressions. Plast Reconstr Surg 1986;78(1):122–123.
7. Fournier P. BodySculpturing Through Syringe
Liposuction and Autologous Fat Reinjection. US: Samuel Rolf International.
1987.
8. Klein JA. The tumescent technique for
liposuction. Am J Cosmet Surg. 1987;4(4):263–7.
9. Miller C (1926). Cannula Implants and Review of
Implantation Technics in Aesthetic Surgery. Oak Press, Chicago.
10. Coleman SR (1997). Facial recontouring with
lipostructure. Clin Plast Surg 24(2):347–367.
Empfehlung
zum Lipofilling der SGPRAEC: https://plasticsurgery.ch/fileadmin/user_upload/plasticsurgery/public/dokumente/LipofillingEmpfehlungen_D_2018.pdf